Deutsche Stiftung Organtransplantation: Rückblick auf vier Jahrzehnte

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Seit vier Jahrzehnten koordiniert die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) die postmortale Organspende in Deutschland.

Gegründet am 7. Oktober 1984 vom Kuratorium für Heimdialyse e.V. (KfH), organisiert die DSO seitdem alle Schritte des Organspendeprozesses zwischen den Entnahmekrankenhäusern, der internationalen Vermittlungsstelle Eurotransplant und den Transplantationszentren.

Im Jahr 1963 fand die erste Transplantation in Deutschland, die einer Niere, statt. Entwürfe einer gesetzlichen Regelung zur Organspende und Transplantation gab es jedoch nicht vor 1979 – und bis zur Verabschiedung des deutschen Transplantationsgesetzes (TPG) sollte es noch einmal 18 Jahre dauern. Die DSO, die seit 1984 Transplantationen in Deutschland fördern sollte, agierte daher zunächst ausschließlich auf Basis von regionalen Vereinbarungen zwischen den beteiligten Partnern. Erst mit dem Inkrafttreten des TPG am 1. Dezember 1997 lag eine gesetzliche Regelung vor zur Entnahme, Vermittlung und Übertragung von Organen, die nach dem Tod oder zu Lebzeiten gespendet werden. Das TPG regelte zudem, wer über die Organspende entscheidet.

Für die Einwilligung zur Organspende wurde die „erweiterte Zustimmungsregelung“ festgelegt. Auch die DSO übernahm nun offiziell mehr Verantwortung: Die Politik verankerte im TPG eine bundesweite Koordinierungsstelle, die die Gemeinschaftsaufgabe Organspende organisieren soll. Diese Aufgabe wurde der DSO im Jahr 2000 von der Bundesärztekammer, den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen (heute
GKV-Spitzenverband) und der Deutschen Krankenhausgesellschaft übergeben.

12 Jahre später kam es in 2012 zur ersten großen Reform des TPG mit dem Ziel, die Anzahl der Organspenden zu steigern. Zu den wichtigsten Neuerungen gehörte zum einen die bundesweite Einführung von Transplantationsbeauftragten (TxB). Es wurden Entnahmekrankenhäuser benannt und diese verpflichtet, mindestens einen TxB zu bestellen. Dieser besetzt im Rahmen des Organspendeprozesses in den Kliniken eine Schlüsselfunktion und fungiert als „Schnittstelle“ zur DSO. Zum anderen kam es zur Einführung der „Entscheidungslösung“, diese ergänzt die seit 1997 geltende erweiterte Zustimmungslösung. Auch der Verantwortungsbereich der DSO wurde vergrößert, insbesondere um die Erarbeitung von verbindlichen Verfahrensanweisungen für die Umsetzung der Organspenden in den Krankenhäusern.

Mangel an Organspendern und gesetzlichen Konsequenzen

Untersuchungen, die meist von der DSO initiiert oder eigens durchgeführt wurden, wiesen bereits damals und insbesondere in den Folgejahren darauf hin, dass strukturelle und organisatorische Schwachstellen in den Krankenhäusern weiterhin eine entscheidende Rolle beim Organmangel spielten. Ein Hauptgrund war sicherlich, dass es oftmals bei einer reinen Ernennung der TxB blieb, ohne dass konkrete Rahmenbedingungen wie Rechte und Pflichten gesetzlich festgelegt wurden. Zudem blieb die schriftliche Zustimmung zur Organspende in der Bevölkerung unter den Erwartungen. Die Konsequenz: Die Organspendezahlen sanken weiter und erreichten 2017 mit 9,7 Spendern pro eine Million Einwohner einen historischen Tiefstand, auch im europäischen und internationalen Vergleich, schreibt die DSO.

Die Politik reagierte und fokussierte sich zeitnah auf die von der DSO identifizierten strukturellen Problemfelder: Zum 1. April 2019 trat das „Zweite Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes – Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende“ in Kraft. Der Schwerpunkt der Reform lag auf den TxB, deren Rolle durch die neuen gesetzlichen Vorhaben gestärkt wurde. Die Kliniken erhielten zudem eine aufwandsgerechte Vergütung ihrer organspendebezogenen Aufgaben. Darüber hinaus wurde mit der Gesetzesnovelle die Angehörigenbetreuung auch rechtlich der DSO übertragen, die die Begleitung und Unterstützung der Spenderfamilien schon immer als einen wesentlichen Bestandteil ihrer Arbeit angesehen hat. Diese Leistungen sind nun seit der Gesetzesänderung klar und rechtssicher geregelt und beinhalten, die Angehörigen über das Ergebnis der Organtransplantation in anonymisierter Form zu informieren sowie regionale Angehörigentreffen zu veranstalten. Die wichtigste Neuerung ist zudem die Möglichkeit, dass anonyme Dankesbriefe der Organempfänger an die Angehörigen des Spenders weitergeleitet werden dürfen und ebenso deren Antwortschreiben zurück an die Empfänger.

Die Erfahrungen und Analysen der DSO als Koordinierungsstelle hatten großen Einfluss auf die Umsetzung der Gesetzesänderungen in die Praxis. So war die DSO federführend bei der Erstellung des Gemeinschaftlichen Initiativplans Organspende, unterstützt vom Bundesgesundheitsministerium und vielen anderen Partnern der Organspende und Transplantation. Zielgruppen der seit Sommer 2019 herausgebrachten Empfehlungen sind die TxB, die Entnahmekrankenhäuser, die Multiplikatoren in Medizin und Gesellschaft sowie die Öffentlichkeit. So soll z.B. die gesellschaftliche Verankerung und Wertschätzung der Organspende in der Öffentlichkeit stärker gefördert werden. Seit September 2019 findet daher jährlich, organisiert von der DSO, die zentrale Veranstaltung zum Dank an die Organspender in Halle (Saale) statt.

Kurze Zeit später ging die Politik mit zwei Gesetzentwürfen auch das Problem der zu selten dokumentierten Entscheidung zur Organspende an. Die Abgeordneten stimmten am 16. Januar 2020 gegen den Gesetzentwurf zur doppelten Widerspruchslösung und stattdessen für den Antrag der Beibehaltung einer Zustimmungslösung. Das „Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende“ trat schließlich zum 1. März 2022 in Kraft. Es soll seitdem die Aufklärung der Bevölkerung über Organspende und die Willensbildung fördern. Wichtigstes Element ist das elektronische Organspende-Register, in dem die Bevölkerung seit März 2024 ihre Entscheidung für oder gegen eine Organ- und Gewebespende dokumentieren kann.

Die DSO heute

Als bundesweite Koordinierungsstelle für die postmortale Organspende nimmt die DSO nach eigenen Angaben eine zentrale Rolle im Organspendeprozess ein: Sie organisiert die Zusammenarbeit aller beteiligten Partner bei der Organentnahme, einschließlich der zugehörigen vorbereitenden Maßnahmen und dem anschließenden Transport der Spenderorgane in die Transplantationszentren. Dafür bietet sie den Krankenhäusern rund um die Uhr umfassende Unterstützung bei allen organisatorischen Abläufen der Organspende an. „Dabei sind wir sowohl dem Verstorbenen verpflichtet, der seine Organe spenden möchte, als auch dem Empfänger gegenüber in der Verantwortung, das Organ mit größter Sorgfalt und in bester Qualität für eine Transplantation zur Verfügung zu stellen“, betont Dr. Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der DSO.

Die DSO habe daher über die Jahre kontinuierlich ihr Unterstützungsangebot für die Kliniken ausgebaut und steht rund um die Uhr als Ansprechpartner für alle Fragen zur Organspende bereit. Auch digitale Angebote stehen zur Verfügung, sei es das E-Learning-Portal oder der Online-Leitfaden für die Organspende, der insbesondere für die Transplantationsbeauftragten alle wichtigen Informationen zur postmortalen Organspende enthält und zudem schrittweise durch den gesamten Ablauf führt.

Angesichts ihres Jubiläums plädiert die DSO für einen Perspektivwechsel. „Die Widerspruchsregelung alleine ist nicht die Lösung des Organmangels, aber sie ist ein wichtiger Baustein in Synergie zu den bereits erfolgten Gesetzesänderungen und kann eine Kultur der Organspende fördern, die uns andere Länder voraushaben“, bekräftigen die DSO-Vorstände Rahmel und Thomas Biet.