Deutscher Allergie-Kongress: Mediziner kritisieren „eklatante Mängel“ bei Versorgung von Allergikern30. September 2019 Foto: [email protected]/Adobe Stock Bei der Versorgung und Betreuung von Allergikern in Deutschland existierten teils massive Defizite – obwohl hierzulande Diagnostik und Therapien allergischer Erkrankungen auf hohem wissenschaftlichen Niveau möglich seien, so die Kritik der Mediziner im Vorfeld des 14. Deutschen Allergie-Kongresses der vom 26. bis 28. September in Hannover stattgefunden hat. „Mit der heutigen Pressekonferenz wollen wir die gesundheitspolitisch Verantwortlichen wachrütteln, um die Situation der Betroffenen und ihrer Familien in Deutschland endlich entscheidend zu verbessern“, so die Professoren und Kongressausrichter Thomas Werfel, Kongresspräsident und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie e.V. (DGAKI), Ludger Klimek, Präsident des Ärzteverbands Deutscher Allergologen (AEDA) und Christian Vogelberg, Präsident der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA). Allergien haben sich zu einer Volkskrankheit des 21. Jahrhunderts entwickelt. Sie breiten sich immer weiter aus, gehen mit immer schwereren Erkrankungsformen und komplexeren Krankheitsverläufen einher und erfassen zunehmend auch Kleinkinder und ältere Menschen. „Aktuell ist eine deutliche Steigerung bei älteren Patienten jenseits des 65. Lebensjahres festgestellt worden. Die Erforschung von Allergien in dieser Altersgruppe ist bislang absolut unzureichend“, mahnte Klimek, Leiter des Zentrums für Rhinologie und Allergologie in Wiesbaden. Gerade ältere Patienten hätten vielfach weitere Erkrankungen und nehmen hierfür andere Medikamente ein, über deren Interaktion mit Allergien und deren Behandlung wenig bekannt sei.Trotz der dynamischen Entwicklung in der Ausbreitung allergischer Erkrankungen habe sich in der Struktur der Versorgung nichts Wesentliches zugunsten der Betroffenen verändert, so Klimek weiter. Auch in der Diagnostik und Therapie von Kindern mit Allergien gibt es laut DGAKI bereits jetzt massive Defizite. Vorallem dann, wenn sie nicht in allergologisch-versierten Praxen behandelt werden. Dies zeigen Studien zur Versorgung von Allergiepatienten in Deutschland. Demnach leidet jedes vierte Kind an einer Allergie. Atemwegsallergien treten bei Kindern immer früher auf. Birkenpollenallergien selbst bei jungen Kleinkindern sind keine Seltenheit mehr. Und je früher Kinder Heuschnupfen bekommen, desto stärker wächst ihr Risiko für die sogenannte Etagenerweiterung zum Asthma. Neurodermitis ist zudem die häufigste chronische Erkrankung der unter 15-Jährigen. Deswegen sei es besonders wichtig, früh kausale Therapien einzuleiten. Voraussetzung hierfür sei eine flächendeckende qualifizierte Betreuung durch gut ausgebildete Kinderallergologen. „Aber es bestehen eklatante Lücken in der flächendeckenden allergologischen Versorgung. Patienten müssen teils Monate auf einen Termin warten und Eltern Strecken von bis zu 200 Kilometern in Kauf nehmen, um ihre kranken Kinder behandeln zu lassen“, erklärte Vogelberg, Leiter des Allergie-Centrums des Universitätsklinikums Dresden. Laut DGAKI ist das kein Einzelfall in Deutschland. Bundesweit haben schätzungsweise nur etwa zehn Prozent der Allergiker Zugang zu einem Facharzt mit der Zusatzbezeichnung „Allergologie“ und werden dort angemessen behandelt. Vogelberg regte an, Disease-Management-Programme (DMP) für Allergien aufzulegen, wie sie sich bei den anderen großen Volkskrankheiten bereits seit Jahren erfolgreich etabliert haben. Denn gerade DMPs als strukturierte Behandlungsprogramme könnten über alle Krankheitsstadien hinweg eine sektorenübergreifende Versorgung auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse gewährleisten und somit die Versorgungsqualität erhöhen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) sei aufgefordert, diesbezüglich tätig zu werden. Ein weiterer Grund der schlechten Versorgungslage liege im Medizinstudium und in der ärztlichen Fort-und Weiterbildung: „Die Approbationsordnung für Ärztemuss angepasst werden. Auch heute können Medizinstudenten in Deutschland ihr Studium abschließen, ohne tiefergehende Kenntnisse im Bereich der Allergologie erlangt zu haben“ monierte Werfel, Stellvertretender Klinikdirektor der Klinik für Dermatologie, Allergien sind weder ein Pflicht- noch ein separates Prüfungsfachan deutschen Universitäten. Das sei bei einer Erkrankung, die 25 Prozent der Bevölkerung betrifft, nicht nachvollziehbar, so Werfel weiter. Er forderte dringend Lehrstühle für das Fach Allergologie.Weiteres Ungemach drohe durch die geplante Musterweiterbildungsordnung (MWBO) für den Zusatztitel „Allergologie“. Diese sieht vor, die aktuell zwingend erforderliche18-monatige Praxiserfahrung für Ärzte, dieden Titel „Allergologie“ führen dürfen, komplett zu streichen. Für Patienten wäre dies fatal, da sie dann nicht mehr sicher sein könnten, ob der von ihm gewählte Arzt tatsächlich erfahren im Umgang mit den häufig überaus komplexen und zum Teil lebensbedrohlichen Erkrankungen ist, betonte Werfel. Um die Situation zu verbessern, müssten neben den Allergiespezialisten auch Allgemeinmediziner, Apotheker und Ernährungsfachkräfte für das frühzeitige Erkennen von allergischen Erkrankungen sensibilisiert werden und besser über die nachhaltige Behandlung von Allergien, zum Beispiel durch die Allergen-spezifische Immuntherapie, informiert werden. Auch ein bundesweiter Ausbau von Patientenschulungen und eine Übernahme der Kosten für Anti-Allergika durch die Krankenkassenfordern forderten die drei Allergie-Experten, die jüngst gemeinsam das Weißbuch „Allergie in Deutschland” neu herausgegeben haben. Es gibt einen tiefen Einblick in den aktuellen Stand der Allergologie in Deutschland und erläutert detailliertderen strukturelle Probleme. Es zeigt auf,was getan werden muss, um die Versorgung dieser Patienten endlich qualitativ zu verbessern.
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