Deutscher Schmerz- und Palliativtag 2024: Gemeinsam die schmerzmedizinische Versorgung verbessern

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Um die schmerzmedizinische Versorgung nachhaltig zu verbessern, fordern Experten der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS) eine rechtssichere Bedarfsplanung, die derzeit nicht existiert, da der Facharzt für Schmerzmedizin bisher nicht eingeführt wurde.

„Wenn wir jetzt nicht handeln, wird sich die schmerzmedizinische Versorgung in Deutschland weiter verschlechtern“, warnte Dr. Johannes Horlemann, Präsident der DGS, zum Auftakt des diesjährigen Deutschen Schmerz- und Palliativtages, der erneut rein virtuell stattfindet. Als Gründe führte der DGS-Präsident unter anderem den zunehmenden Mangel an Schmerzmedizinern an. Aktuell können die knapp 1400 schmerzmedizinisch tätigen Spezialisten nur zehn Prozent der schwerst schmerzerkrankten Betroffenen versorgen. Diese Situation wird sich unter anderem dadurch verschärfen, dass rund die Hälfte der Schmerzspezialisten in den nächsten Jahren in den Ruhestand geht.

Die DGS kritisert, dass eine Bedarfsplanung für die Schmerzmedizin derzeit nicht existiere. Und so sei auch die Nachbesetzung der Arztsitze mit schmerzmedizinischer Spezialisierung unsicher. Dabei habe bereits ein im Jahr 2018 vom G-BA angenommenes Gutachten eine Bedarfsplanung für die Schmerzmedizin befürwortet. Aufgrund des Krankenhaustransparenzgesetzes sei zudem mit der Schließung weiterer stationärer schmerzmedizinischer Einrichtungen zu rechnen, was die Mangelversorgung zusätzlich verschärfe. „Wir brauchen aber schmerzmedizinisch tätige Einrichtungen in allen deutschen Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern“, forderte Horlemann konkret.

Nach Ansicht der DGS könnte die Einführung eines Facharztes für Schmerzmedizin helfen, die Versorgung zu verbessern. Dafür sprach sich auch die Mehrheit der Teilnehmer des Deutschen Schmerz- und Palliativtages 2023 aus. Und auch ein Eckpunktepapier, das gemeinsam mit Vertretern des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages im vergangenen Jahr verabschiedet wurde, unterstützt diese Forderung.

Qualität schmerzmedizinischer Behandlungen sicherstellen und erhöhen

Neben der Unterversorgung beklagte Horlemann die Fehlversorgung. Beispielsweise würden viel zu oft Rückenoperationen durchgeführt, die nicht indiziert seien. Die Evaluation von 9701 Patientinnen und Patienten, die vor einer elektiven Wirbelsäulenoperation zur Linderung ihrer Kreuz-/Rückenschmerzen ein Zweitmeinungsangebot in Anspruch genommen hatten, ergab nur in 4,5 Prozent der Fälle eine Bestätigung der OP-Indikation. Die DGS setzt sich daher für eine Berücksichtigung schmerzmedizinischer Aspekte vor jeder Entscheidung für eine Rückenoperation ein. Diese Expertise sollte bei Operateuren verbessert werden und kann in einer vernetzten Zusammenarbeit mit Schmerzmedizinern dargestellt werden.

Als weitere Maßnahmen für eine qualitativ angemessene schmerzmedizinische Versorgung nennt Horlemann die Förderung des schmerzmedizinischen Nachwuchses sowie die Etablierung von Schmerzkonferenzen als Plattform für alle Berufsgruppen, die chronischen Schmerz behandeln. Bei bestimmten akuten Schmerzzuständen, wie dem komplexen regionalen Schmerzsyndrom (CRPS), akuten Clusterkopfschmerzen, akuten neuropathischen Schmerzen und Tumorschmerzen sollten Patienten möglichst binnen fünf Tagen von einem schmerzkompetenten Arzt gesehen werden.

Kongressschwerpunkt Rückenschmerz als Beispiel für Unter- und Fehlversorgung

Ein Beispiel für die Unter- und Fehlversorgung ist der chronische Rückenschmerz – Schwerpunktthema beim diesjährigen Kongress: Im Jahr 2021 waren 26,2 Millionen Menschen in Deutschland wegen Rückenschmerzen in Behandlung. Inklusive der Folgekosten fielen im Jahr 2020 in Deutschland Kosten in Höhe von 11,6 Milliarden Euro für Rückenschmerzen an. „Das Hauptproblem sind chronische Rückenschmerzen, die durch unzureichend behandelte akute Schmerzen entstehen“, sagte Dr. Heinrich Binsfeld, Vizepräsident der DGS und ebenfalls Kongresspräsident, zu der Situation. Die DGS möchte dazu beitragen, die Versorgung von Menschen mit Rückenschmerzen zu verbessern und so auch die Kosten zu reduzieren. Ein Ansatz dafür ist eine frühere Diagnostik, um die Chronifizierung zu vermeiden. Dabei müssen neben körperlichen Ursachen auch psychologische und soziale Faktoren des Rückenschmerzes berücksichtigt werden. Aufgrund der langen Wartezeiten für psychotherapeutische Behandlungen empfiehlt Binsfeld den Einsatz Digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA) zur Überbrückung.

Für eine bessere interdisziplinäre Versorgung kooperiert die DGS außerdem mit anderen Fachgesellschaften. Dazu zählen die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM), die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), die Deutsche Gesellschaft für Osteopathische Medizin (DGOM) und die Deutsche Gesellschaft für Neuromodulation (DGNM).