Deutscher Schmerzkongress: Migräne im Fokus23. Oktober 2025 Symbolfoto: ©vectorfusionart/stock.adobe.com Die medikamentöse Versorgung von Migränepatienten ist in Bewegung. Anlässlich des Deutschen Schmerzkongresses stellen Experten die aktuelle Leitlinie vor und berichten über neue medikamentöse, psychologische und digitale Behandlungsansätze. Zwar sind und bleiben Triptane die Standard-Medikamente zur Behandlung akuter Migräneattacken. Gleichzeitig erweitern jedoch auch die neuen Wirkstoffe Lasmiditan und Rimegepant das Behandlungsspektrum. „Diese Substanzen bieten insbesondere für Patientinnen und Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen neue Optionen, da sie nicht gefäßverengend wirken“, sagt PD Dr. Lars Neeb, Präsident der DMKG und Chefarzt der Neurologie am Universitätsklinikum Brandenburg an der Havel. Für Lasmiditan konnte gezeigt werden, dass es auch bei Patienten, die auf Triptane nicht angesprochen haben, wirkt. Auch in der Prophylaxe gibt es Fortschritte: Mit Atogepant und Rimegepant stehen seit Kurzem orale CGRP-Rezeptorantagonisten zur Verfügung, die in Studien wirksam und gut verträglich sind. „Patientinnen und Patienten profitieren von einer individualisierten Therapie, die Medikamente, digitale Tools und nicht medikamentöse Verfahren kombiniert“, betont Neeb. Er verweist dabei auch auf Sitzungen des anstehenden Schmerzkongresses in Mannheim, in denen internationale Schmerzexpertinnen und -experten neueste Entwicklungen aus Forschung und Praxis diskutieren und dort auch die aktualisierte S1-Leitlinie Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne vorstellen. Patienten werden oft zu spät wirksam therapiert Trotz dieser wissenschaftlichen Fortschritte und vielfältigen Therapieoptionen bleibt die Versorgung vieler Betroffener unzureichend. „Daten aus dem DMKG-Kopfschmerzregister zeigen, dass moderne, spezifische Migräneprophylaktika häufig erst spät im Krankheitsverlauf eingesetzt werden – oftmals nach Jahren unzureichender Behandlung“, so Neeb weiter. Ein frühzeitiger Zugang zu wirksamen Therapien sei jedoch wichtig, da er das Risiko einer Chronifizierung deutlich senken kann. Die Fachgesellschaften setzen sich daher dafür ein, dass die Inhalte der neuen Leitlinie schneller in die Praxis gelangen und Patientinnen und Patienten einfacher und konsequenter an spezialisierte Behandlerinnen und Behandler überführt werden. Nur so könne das Potenzial neuer Therapien voll ausgeschöpft werden. Psychologische Verfahren und Bewegung als feste Säule Neben Medikamenten gewinnen nicht medikamentöse Verfahren zunehmend an Bedeutung. „Kognitive Verhaltenstherapie, Entspannungstechniken, Achtsamkeitsübungen, Biofeedback sowie Ausdauer- und Kraftsport haben nachweislich positive Effekte und sollten fester Bestandteil jeder Migränebehandlung sein“, erläutert Kongresspräsident Dr. Thomas Dresler von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Tübingen. Zudem ermöglichen digitale Anwendungen, dass Betroffene entsprechend ihrer Symptome selbst aktiv werden können: „Mit der DMKG-App oder der SinCephalea-App können Patientinnen und Patienten ihre Migräne gezielt beobachten und selbst Einfluss auf den Krankheitsverlauf nehmen“, so Dresler weiter. MIGRA-MD: Ein Modell für die Versorgung von morgen Wie sich zur Verbesserung der Migränetherapie Leitlinienwissen, digitale Unterstützungsangebote und multimodale Behandlungsformen kombinieren lassen, zeigt das vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit 5,3 Millionen Euro geförderte Projekt MIGRA-MD – Strukturierte fachärztliche Migräneversorgung – multimodal und digital (wir berichteten zum Start des Projektes). Patientinnen und Patienten führen innerhalb dieses Projektes einen digitalen Kopfschmerzkalender via DMKG-App und füllen einen digitalen Kopfschmerzfragebogen aus. Die Daten werden im Arztportal strukturiert dargestellt und erleichtern die leitliniengerechte Anamnese und Verlaufskontrolle. Ergänzend bietet die Lernplattform MIGRA-MD Wissen den Patientinnen und Patienten Videos zu medikamentösen und nichtmedikamentösen Therapien, erstellt von einem interdisziplinären Expertenteam. „Durch diese Kombination aus digitaler Begleitung und fachärztlicher Expertise wollen wir die Selbstwirksamkeit der Betroffenen stärken und neben der medikamentösen Behandlung die Nutzung nichtmedikamentöser Ansätze fördern“, sagt PD Dr. Ruth Ruscheweyh, Fachärztin für Neurologie und Spezielle Schmerztherapie am LMU Klinikum München und kooptiertes Mitglied im Präsidium der DMKG. An der begleitenden Studie sollen bundesweit 1000 Patientinnen und Patienten an 50 Zentren teilnehmen. Interdisziplinär und patientenzentriert Die Experten betonen, dass eine Migränebehandlung nicht auf die Gabe von Medikamenten beschränkt bleiben darf. Eine interdisziplinäre, multimodale Schmerztherapie (IMST), bei der Fachleute aus Schmerzmedizin, Psychologie, Physiotherapie und Pflege eng zusammenarbeiten, führt nachweislich zu besseren Ergebnissen und verhindert Chronifizierung. „Eine erfolgreiche Schmerztherapie berücksichtigt immer körperliche, psychische und soziale Faktoren zugleich“, fasst Dresler zusammen. Ziel müsse es sein, Betroffene dazu zu befähigen, den Umgang mit ihrer Erkrankung aktiv mitzugestalten – mit einem klaren Ziel: weniger Kopfschmerztage, mehr Lebensqualität.
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