Deutsches Reanimationsregister der DGAI: 370 Menschen pro Tag erlitten 2024 einen plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand

Laut Daten des Deutschen Reanimationsregisters begann der Rettungsdienst 2024 bei rund 67.000 Patienten mit plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand mit Wiederbelebungsmaßnahmen. (Foto: © Mike Auerbach/DGAI e.V.)

Im vergangenen Jahr haben hierzulande schätzungsweise 136.000 Menschen außerhalb eines Krankenhauses einen plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand erlitten. Bei etwa der Hälfte begann der Rettungsdienst mit Wiederbelebungsmaßnahmen. Das zeigen die aktuellen Daten des Deutschen Reanimationsregisters.

Das Deutsche Reanimationsregister unter Trägerschaft der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) hat gerade seinen außerklinischen Jahresbericht 2024 veröffentlicht.

Für die Analyse wurden Daten von 198 Notarzt- und Rettungsdiensten aus ganz Deutschland ausgewertet, die am Register teilnehmen. Gemeinsam decken sie eine Versorgungsregion mit rund 42 Millionen Menschen ab. Innerhalb dieser Gruppe wurde eine Referenzgruppe mit 44 Standorten gebildet, die besonders vollständig und qualitativ hochwertig dokumentieren. Die Auswertung basiert auf beiden Datensätzen und ermöglicht so zuverlässige Hochrechnungen und valide Rückschlüsse auf die Reanimationsversorgung in Deutschland.

Positive Entwicklung bei Reanimation durch Ersthelfer

Als erfreulich bezeichnet die DGAI die Steigerungen der Ersthelfenden-Reanimationsquoten: In der Referenzgruppe sei die Quote deutlich angestiegen – von 50,7 Prozent im Jahr 2023 auf 55,4 Prozent im Jahr 2024. Auch im Gesamtdatensatz gab es diesbezüglich eine Zunahme – von 49,9 Prozent auf 52,0 Prozent.

Erstmals belegen die Daten auch einen signifikanten Anstieg von Defibrillationen durch Ersthelfende: In zwei Prozent der Fälle erfolgte der erste Schock bereits vor Eintreffen des Rettungsdienstes – insgesamt war dies immerhin bei 529 Patienten der Fall. Das Organisationskomitee des Deutschen Reanimationsregisters wertet das als klaren Hinweis auf die Wirksamkeit von Smartphone-basierten oder anderen Helfer-vor-Ort-Systemen. „Diese Entwicklung ist ermutigend und zeigt, dass die langjährigen Anstrengungen in der Bevölkerung Wirkung zeigen. Dennoch ist hier noch deutlich Luft nach oben“, erklärt Prof. Matthias Fischer, Mitglied im Organisationskomitee des Deutschen Reanimationsregisters. Zudem liegt Deutschland auch hier weiterhin hinter zahlreichen europäischen Nachbarn zurück.

Telefonische Anleitung gewinnt an Bedeutung

Zunehmend wichtig ist auch die telefonische Anleitung zur Reanimation durch die Leitstellen. In der Referenzgruppe stieg die Quote von 33,0 im Jahr 2023 auf 40,4 Prozent im Jahr 2024. Bei der Gesamtheit der Rettungsdienste lag die Quote bei 37,3 Prozent (Vorjahr: 33,9%). „Trotz des Anstieges müssen weitere Bestrebungen zur flächendeckenden Umsetzung dieses wichtigen Elementes der Überlebenskette unternommen werden“, betont Prof. Jan-Thorsten Gräsner, Sprecher des Organisationskomitees des Deutschen Reanimationsregisters. Dies ist laut der DGAI umso wichtiger, da der Rettungsdienst nur verzögert die erweiterten Wiederbelebungsmaßnahmen beginnen kann.

Laut den Daten des Reanimationsregisters traf der Rettungsdienst in den Referenzstandorten 2024 in 78,5 Prozent der Fälle innerhalb von acht Minuten ein – ein leichter Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. Im Gesamtkollektiv liegt die Quote dagegen weiter bei nur 73,2 Prozent. Damit wurde das bundesweite Ziel – 80 Prozent in acht Minuten – erneut verfehlt.

Weitere Zahlen: Orte des Geschehens und Ursachen

Zwei Drittel der Reanimationsfälle betrafen Männer, ein Drittel Frauen, erklärt die DGAI zu den aktuellen Zahlen. Das Durchschnittsalter der Betroffenen lag bei 69,9 Jahren. Knapp 45 Prozent der Betroffenen waren jünger als 70 Jahre und damit im erwerbsfähigen Alter. Der Anteil der über 80-Jährigen stieg weiter an und liegt in der aktuellen Aufstellung inzwischen bei fast einem Drittel.

Weitere Zahlen: Weniger als ein Drittel (30%) der im vergangenen Jahr Reanimierten wies keine oder nur leichte Vorerkrankungen auf. Ursächlich für die Notwendigkeit einer Wiederbelebung war dem Bericht zufolge in 55 Prozent der Fälle ein kardiales Ereignis (z. B. Herzinfarkt), in 15 Prozent der Fälle bildete ein respiratorisches Ereignis (z. B. Asthma oder Verschlucken) den Auslöser.

Rund 70 Prozent der Reanimationen fanden 2024 im häuslichen Umfeld statt, etwa 15 Prozent im öffentlichen Raum. Der Anteil an Reanimationen in Pflegeeinrichtungen stieg auf zwölf Prozent. Laut der DGAI kann dies als Hinweis darauf gewertet werden, wie wichtig medizinische Vorausplanung und regelmäßige Evaluation möglicher Therapielimitationen sind.

Und schließlich: Ein Drittel der reanimierten Patienten erreichte im vergangenen Jahr das Krankenhaus mit Rückkehr des spontanen Kreislaufs. Die Entlassungs- und damit die Überlebensrate liege seit Jahren stabil bei knapp elf Prozent, erklärt die DGAI. Mehr als 70  Prozent dieser Patienten erholten sich in neurologischer Hinsicht gut.

Krankenhausversorgung: Temperaturmanagement wird weniger eingesetzt

Als entscheidenden Faktor für das Überleben weist die DGAI auch auf die anschließende Versorgung hin – insbesondere im Krankenhaus. Eine empfohlene Maßnahme sei das Temperaturmanagement, also das gezielte Herunterkühlen des Körpers auf 32 bis 34 °C zum Schutz des Gehirns. Zwar werde dies in den Leitlinien weiterhin empfohlen, zur Anwendung kam diese Maßnahme aber 2024 nur noch bei 17,3 Prozent der Betroffenen. Die DGAI vermutet hinter diesem Rückgang eine Verunsicherung durch neue Studien. Dabei zeigten aktuelle Daten unter anderem des Reanimationsregisters: Eine Hypothermiebehandlung kann die Überlebenschancen um bis zu 60 Prozent verbessern. Internationale Experten empfehlen daher, die gezielte Temperaturkontrolle für mindestens 24 Stunden beizubehalten – um das Überleben mit guter Lebensqualität zu sichern.

Auch bei anderen Aspekten der professionellen Versorgung sieht die DGAI Verbesserungsbedarf: So würden die Zielvorgaben für zeitgerechte Zugänge und die Nutzung von Feedbacksystemen zur Reanimationsqualität nicht flächendeckend erreicht. Der Anteil an intraossären Zugängen liege trotz Leitlinienempfehlungen weiterhin bei mehr als 20 Prozent, obwohl der intravenöse Zugang bevorzugt werden sollte.

„Es ist ein großer Erfolg, dass immer mehr Menschen durch Ersthelfende frühzeitig Hilfe erhalten“, unterstreicht Gräsner. „Dennoch stagniert die Überlebensrate. Für uns bedeutet das: Wir müssen neben der Reaktion in der Bevölkerung auch die professionelle Versorgung weiterentwickeln – vom Rettungsdienst bis zur Klinik. Die aktuellen Ergebnisse liefern klare Hinweise darauf, welche Maßnahmen wirken und wo Nachsteuerung erforderlich ist. Genau hier sollte die Arbeit ansetzen. Jetzt ist der Moment, die gesamte Überlebenskette noch einmal gezielt zu stärken.“