DeutscheVET – starkes Debüt in Dortmund2. Juni 2023 Jagdterrierhündin “Bruni” (3 J.) und die DeutscheVet Foto: © Sigrun Grombacher Inmitten vorbeiströmender schwarzgelber Massen von BVB-Fans fand am 26. und 27. Mai die DeutscheVet erstmals in den Messehallen in Dortmund statt. Das Meisterschaftswochenende tat der Veranstaltung keinen Abbruch. Dass Veränderungen das Salz des Lebens und stets eine Bereicherung sind, stellte die DeutscheVet am vergangenen Wochenende unter Beweis. Der Umzug nach Dortmund hat dem Kongress neues Leben eingehaucht, was sich in der guten Resonanz bei Tierärzten, Tiermedizinischen Fachangestellten und Ausstellern widerspiegelte. Auch die verbesserte Raumakustik in den Vorträgen hat sicherlich zum Gesamterfolg beigetragen. Bruni und Kumpel Marlu sind ganz Ohr Foto: © Sigrun Grombacher Das Event, das von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover unter Leitung von Prof. Holger Volk, Direktor der Kleintierklinik der TiHo, sowie der Thieme Group, vertreten durch Dr. Sandra Schmidt, Executive Editor Veterinary Medicine, und Daniel Katzer, CEO bei Hinte Expo & Conference GmbH organisiert wurde, lockte nach eigenen Angaben über 2000 Teilnehmende in die Dortmunder Messe. In vier Konferenzsälen konnten diese aus über 70 Vorträgen wählen. Schwerpunkthemen waren die Zahnheilkunde, Endokrinologie, Weichteilchirurgie sowie Epilepsiemanagement und Bildgebung. Neueste Erkenntnisse aus Großbritannien Wie gewohnt überzeugten die von der Insel angereisten Kollegen das Publikum durch aktuelle, qualitativ hochkarätige Vorträge. Allen voran Internist Prof. Stijn Niessen, der neben viel Humor auch gute empathische Fähigkeiten bewies und den Tierärzten vor Augen führte, dass die Bekundung von Interesse und Anteilnahme in der Kommunikation mit den Tierhaltern „wenig kostet, aber viel bringt“. Gerade bei Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder dem Hypo- und Hyperadrenokortizismus, die allesamt eine gute Zusammenarbeit von Tierarzt und Tierbesitzer erforderlich machen, kann es niemals schaden, dem Tierbesitzer zu signalisieren: Ich sehe auch Dein Leid, nicht nur das Deines Tieres. Prof. Stijn Niessen Foto: © SG Insbesondere die Vorstellung von DiabEasy, einer Methode, die in der Diabetesbehandlung auf fünf sogenannte „Wahrheiten“ resp. Grundsätze abzielt, lag Niessen am Herzen. Die sicherlich fundamentalste dieser Wahrheiten: Die klinischen Symptome lügen nicht – die Behandlung sollte sich demnach stark auf die klinischen Anzeichen resp. ihre Beseitigung richten. Wichtigstes Kommunikationsmittel stellt hierbei der international anerkannte Diabetic Clinical Score dar. Auch im Fokus steht dabei die Vermeidung von Hypoglykämien. Da Glukosekurven von Tag zu Tag variieren können, sollte die Behandlung nicht auf eine perfekte Glukosekurve ausgerichtet sein, sondern sich am Patienten und seinen individuellen Problemen orientieren. Neben weiteren „Wahrheiten“ scheint auch diese richtungsweisend: Zukünftig wird die kontinuierliche Blutglukosemessung als beste verfügbare Methode zum Screening auf Hypoglykämien die althergebrachte Bestimmung der Blutglukosekurve ersetzen. Die neuen Systeme seien zudem relativ preiswert, einfach anzuwenden und gut verfügbar. Auch in Sachen Therapeutika wagte Niessen einen Ausblick in die Zukunft. So würden in den nächsten Jahren neue Diabetesmedikamente für Tiere eingeführt, so etwa der SGLT-2(Sodium-Glucose-Co-transporter 2)-Hemmer Velagliflozin mithilfe dessen viele diabetische Katzen zukünftig oral behandelt werden könnten. Für Tiere, die weiterhin Insulininjektionen benötigten, wird ein neuer Insulintyp verfügbar sein, der im wöchentlichen oder zweiwöchentlichen Turnus verabreicht werden müsse, sodass die täglichen Insulininjektionen entfallen würden. Eine weitere, bereits praktizierte, Strategie setze primär auf die Gewichtsreduktion bei diabetischen Katzen durch Ernährungsinterventionen. So ist bekannt, dass ein Gewichtsverlust bei adipösen Katzen im ersten Monat nach der Diagnose des Diabetes die Wahrscheinlichkeit für eine Remission bis zu 15-fach erhöht. Laut Niessen sähe die Zukunft der Diabetes-Therapie bei Hund und Katze rosig aus und die Tierärzte könnten dem nächsten diabetischen Patienten mit Gelassenheit begegnen. Niessen’s Vorträge, einschließlich einem über die Do’s und Don’ts beim Patienten mit respiratorischen Symptomen, waren durch große Menschlichkeit geprägt, der „Königsdisziplin“ des Internisten. Am Freitagabend Foto: © SG Foto: © SG Prof. Holger Volk Foto: © SG Die „Leiche im Keller” oder wenn Sie keinen Fremdkörper finden, wo Sie einen vermuten Adriano Wang Leandro stellte in seinem Vortrag zur Bildgebung bei Thoraxpathologien die im jeweiligen Fall bestmöglich zu wählende Bildgebung vor. In vielen Fällen war dies noch immer die Röntgenaufnahme, aber CT, MRT und Ultraschall würden immer häufiger flankierend zur Diagnosefindung eingesetzt, so der Oberarzt für Bildgebung der TiHo Hannover. Letztendlich hänge die Wahl der geeigneten Technik stets vom klinischen Szenario ab. Auch erläuterte er die Fluoroskopie, mit deren Hilfe Echtzeitdarstellungen komplexer Vorgänge wie Schlucken, Atmung oder Ösophagusmotilität möglich sind, und die bevorzugt bei Fällen von Dysphagie oder Dilatation der Speiseröhre eingesetzt wird. Sie kann auch hilfreich sein bei einem dynamischen Kollaps von Trachea oder Bronchien. In seinem zweiten Beitrag „Fremdkörper vermutet – Fremdkörper nicht gefunden“ verriet er Tipps und Tricks für eine bessere abdominale Bildgebung. Hier berichtete der Spezialist von einem Patienten, bei dem er so hartnäckig versucht hatte, einen vermuteten Fremdkörper darzustellen, dass er den Blick für das Wesentliche ein wenig aus den Augen verloren habe. Adriano Wang Leandro und seine “Leiche im Keller” ohne Leiche … Foto: © SG Der als sogenannte „Leiche im Keller“-deklarierte Fall, stand stellvertretend für die These, dass selbst die mächtigste Bildgebung nicht immer imstande ist, das Problem eindeutig einzugrenzen. Bei dem betroffenen Tier lag eine extraluminale Raumforderung vor, die sich erfolgreich allen Versuchen einer bildlichen Darstellung entzog. Der Spezialist für Bildgebung räumte ein, dass er in diesem speziellen Fall die Entscheidung zur explorativen Chirurgie womöglich zu einem früheren Zeitpunkt hätte treffen sollen. Der Gesundheit des Patienten gereichte dies jedoch nicht zum Nachteil. Als Take-Home-Message rief er dann auch in Erinnerung, dass die bildgebenden Verfahren nur ein Puzzlestück in den diagnostischen Möglichkeiten darstellen. Wenn auch häufig ein entscheidendes, vorausgesetzt die Möglichkeiten werden ideal ausgeschöpft und die technischen Modalitäten penibel eingehalten, wie eine der Lokalisation angepasste Belichtung oder die optimale Lagerung des Patienten. Gilt es etwa den Kontrast am Antrum und Pylorus zu erhöhen ist eine linksanliegende laterale Projektion klar von Vorteil. In Fällen, in denen der Dickdarm leer ist oder nicht deutlich abgegrenzt werden kann, ist die Pneumokolographie eine günstige und schnelle Methode, um einen vermuteten Fremdkörper zu identifizieren. Dr. Jerzy Gawor Foto: © SG Auch dem Zahnspezialisten Dr. Jerzy Gawor, Klinika Weterynaryja, Polen, war die Begeisterung für sein Fachgebiet in jeder Faser anzumerken. Seine praxisnahen, ausgezeichneten Vorträge zu den Do’s und Don’ts, 2 D- versus-3-D-Bildgebung, Jungtiererkrankungen in der Zahnheilkunde und Piezochirurgie bei maxillofazialen Erkrankungen bei Hund und Katze, kamen bei der tierärztlichen Zuhörerschaft sehr gut an und legten den Schluss nahe, ihn bald wieder als Referenten hierzulande antreffen zu wollen. Prof. Jill Maddison Foto: © SG Am Samstag bereicherte Prof. Jill Maddison vom Royal Veterinary College, Großbritannien, die Vortragsgemeinde. Sie sprach über die Do’s und Don’ts in der Antibiotikatherapie beim Kleintier, wobei sich ihr Vortrag stark am praktischen Nutzen orientierte und sehr gut aufbereitet war. Der Beitrag über die vielschichtigen Überlegungen, die beim Einsatz von Antibiotika zu erwägen sind, war auf den späten Samstagnachmittag terminiert als der BVB bereits hinten lag in seinem Ringen um den Meisterschaftstitel, was ein wenig von dem wichtigen Thema ablenkte. Auch die Aussteller hatten ihre Auftritte Im sogenannten „Business Dome“ hatten Aussteller die Gelegenheit, Produkte und Innovationen dem Publikum näher zu bringen. So brachte einer der Hauptsponsoren des Events, IDEXX, hier mehrere spannende Beiträge ein, wie etwa zur Interpretation von Dot Plots, einem Tool zum besseren Verständnis des Blutbilds, und Laborparametern in der Nierendiagnostik. Dr. Aruna Khashnobish, Category Manager bei Rebopharm, referierte über die „Elektro-Chemische Aktivierung – Die Technologie und die Möglichkeiten in der Veterinärmedizin“. Die ECA, als umwelt-freundliche und nicht-resistenzenfördernde Desinfektion, gewinnt zunehmend in allen Bereichen der Hygiene an Bedeutung. Khashnobish erläuterte das Wirkungsprinzip und belegte die Wirksamkeit der Technologie anhand wissenschaftlicher Studien. Dr. Britta Jahn, Biofilm auf einer Zahnbürstenborste Foto: © SG Am Stand von vetPartners wurde wieder geradelt. Foto: © SG Alles im Blick Foto: © SG Dr. Bettina Jahn, ebenfalls Rebopharm, sprach sehr anschaulich über „Innovative Strategien zur effektiven Reinigung chirurgischer Instrumente und medizinischer Geräte“. Sie präsentierte dabei auch einige unvergessliche Bilder, wie das eines Biofilms auf einer Zahnbürstenborste. Die makellose Sauberkeit medizinischen Werkzeugs muss als Grundvoraussetzung für das tierärztliche Handeln betrachtet werden und dies möglichst unter umweltverträglichen Bedingungen. Am Stand von VetPartners wurde wieder einmal kräftig in die Pedale getreten und letztlich eine Gesamtsumme von 1800 Euro „erradelt”. Dr. Annette Herling aus Fröndenberg mit Hündin “Brinja” Foto: © SG Die Teilnehmenden zeigten sich durchweg sehr zufrieden mit Programm und Organisation. Dr. Annette Herling aus Fröndenberg, Ruhrtalpraxis, sagt, sie wird im nächsten Jahr auch wieder mit dabei sein. Sie lobte die herausragende Qualität und den großen praktischen Nutzen vieler Beiträge. Dem stimmten umstehende Kollegen zu. Letztlich sei die Qualität der Vorträge das bestimmende Kriterium für den Besuch einer Veranstaltung. Auch von Seiten der Hersteller kamen positive Signale. So äußerte sich Dr. Britta Jahn, Vertriebsleitung Rebopharm: „Wir hatten gute Gespräche auf der DeutscheVet. Das Pausenmanagement machte es möglich genügend Zeit für jede Anfrage zu haben. Wir werden voraussichtlich wieder dabei sein 2024.“ Beim Streifzug über den Jahrmarkt der Veterinärmedizin fielen neben der entspannten Atmosphäre auch die günstigen Gegebenheiten des Geländes ins Auge. So nahmen viele Besucher ihr Mittagessen im Freien auf den großzügig angelegten Treppen vor dem Eingang ein und ließen sich die Sonne auf den Pelz scheinen. Am Samstag konnten Sie dabei die zu diesem Zeitpunkt noch zuversichtlichen Dortmunder Fans beim Einzug ins Stadion beobachten. Trotz der Massen war die Parkplatzsituation gut und auch die Abreise wider Erwarten völlig problemlos. Auf der Heimfahrt konnte der geneigte Hörer den Schlussminuten im dramatischen Kampf um die Meisterschaft wie zu uralten Zeiten im Radio beiwohnen. Der BVB kam nicht aus dem Knick und vergab den Titel. Ganz nah dran ist halt auch vorbei, da nehmen sich Sport und (Tier)-Medizin nicht viel. (sg) Moony fand’s im Schatten schöner … Foto: © SG
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