DGAI warnt zum Aktionstag gegen den Schmerz: Millionen Betroffene – bedrohte Versorgungsangebote3. Juni 2025 Joachim Erlenwein, Sprecher der Sektion Schmerzmedizin der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin und Ärztlicher Direktor des DRK Schmerz-Zentrums in Mainz. (Foto: ©DGAI) Anlässlich des Aktionstages gegen den Schmerz wiederholt die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) ihre Forderung, eine eigenen Leistungsgruppe Schmerzmedizin im Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) einzuführen. Schon heute herrsche sowohl im ambulanten, als auch im (teil-)stationären Bereich in Deutschland eine strukturelle Unterversorgung. Sollte die Schmerzmedizin – wie bislang im Reformvorhaben geplant – nicht mit einer eigenen Leistungsgruppe berücksichtigt werden, könnten rund 40 Prozent der stationären schmerzmedizinischen Angebote entfallen. Dies würde die ohnehin angespannte Versorgungssituation weiter verschärfen, so die DGAI. Schon jetzt würden Betroffene oft Monate, teils Jahre auf eine Diagnose warten und erhielten anschließend nur unzureichende therapeutische Angebote – häufig, weil der Schmerz als zentrales Symptom nicht ernst genug genommen werde. Es fehle zudem an vernetzten und abgestuften interdisziplinären Behandlungsmöglichkeiten über die Sektorengrenzen hinweg. „Betroffene erhalten oft erst nach Jahren für ihr Beschwerdebild chronischer Schmerzen zielgerichtete Therapie“, erklärt Prof. Joachim Erlenwein, Sprecher der Sektion Schmerzmedizin der DGAI und Ärztlicher Direktor des DRK Schmerz-Zentrums in Mainz. Er fordert daher: „Chronischen Schmerzen muss als eigenständigem Krankheitsbild mehr Beachtung geschenkt werden.“ Denn: Chronischer Schmerz sei ein komplexes Phänomen, bei dem der Leidensdruck und die Einschränkungen durch ein Zusammenwirken körperlicher, psychischer und sozialer Faktoren bedingt seien. Eine isolierte Betrachtung durch einzelne Fachdisziplinen greife hier zu kurz. „Chronische Schmerzerkrankungen sind komplexe Krankheitsbilder, die eine gezielte interdisziplinäre Therapie erfordern“, so Erlenwein. Ein optimaler Therapieansatz müsse das Zusammenspiel spezialisierter ärztlicher Schmerztherapie, Physiotherapie, Psychologie und weiterer Fachrichtungen sicherstellen. Dennoch erhalten viele Patientinnen und Patienten sehr oft ausschließlich monomodale Therapien. „Dies kann die Chronifizierung der Schmerzen sogar noch fördern“, warnt Erlenwein. Versorgungslücken verschärfen die Situation für die Betroffenen Vor diesem Hintergrund wird deutlich: Deutschland befindet sich im Bereich der abgestuften, sektorenübergreifenden und spezialisierten interdisziplinären Schmerztherapie bereits in einer strukturellen Unterversorgung. Diese droht sich mit der Umsetzung der Krankenhausreform weiter zu verschärfen – denn Schmerzmedizin wurde in der Reformplanung bislang weitgehend ausgeklammert. Besonders gefährdet sind die hochspezialisierten Versorgungsangebote an größeren Zentren, die häufig an Spezialkliniken angesiedelt sind. Da die Schmerzmedizin in den vorgesehenen Leistungsgruppen schlicht nicht berücksichtigt wurde, können künftig rund 40 Prozent dieser Angebote die Abrechnungsvorgaben nicht mehr erfüllen. Es droht ein dramatischer Verlust an Expertise und Versorgungskapazität. „Wir brauchen ein abgestuftes, sektorenübergreifendes Versorgungssystem, das den Zugang zu qualifizierter Schmerztherapie sicherstellt“, betont Erlenwein. Eine nachhaltige Sicherung der Versorgungsangebote würde nicht nur viel Leid ersparen, sondern auch enorme Kosten durch häufige Fehlversorgung mit teils unnötiger Diagnostik und Therapie. „Die Krankenhausreform wird hier für Menschen mit chronischen Schmerzen ein noch größeres Problem schaffen – was vermuten lässt, dass Fehlversorgung eher zunehmen wird. Damit würde genau das Gegenteil erreicht, was eigentlich der Zielsetzung der Reform entspricht“, warnt der DGAI-Sektionssprecher. Politik und Kostenträger in der Verantwortung Damit Menschen mit chronischen Schmerzen die Versorgung erhalten, die sie benötigen, sind politische und strukturelle Veränderungen dringend erforderlich. „Die Versorgung der Betroffenen muss absolute Priorität haben. Politik und Kostenträger sind in der Pflicht, die dies zu finanzieren und sicherzustellen. Dazu braucht es entschlossenen politischen Willen“, fordert Erlenwein. Die DGAI hat sich diesbezüglich bereits vor Monaten gemeinsam mit dem Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten e.V. (BDA) klar positioniert: Beide Verbände unterstützen nachdrücklich den Vorschlag der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V., eine eigene Leistungsgruppe Schmerzmedizin im neuen KHVVG zu implementieren (wir berichteten). Entsprechend positiv bewerten die Verbände auch das Votum des 129. Deutschen Ärztetages in Leipzig, die Schmerzmedizin im Rahmen der Reform adäquat abzubilden. „Schmerzmedizin ist ein wesentlicher Bestandteil der Anästhesiologie. Eine unzureichende Berücksichtigung im KHVVG gefährdet die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzen“, betont DGAI-Präsident Prof. Gernot Marx. „Die interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie ist ein etabliertes und wirksames Konzept. Sie benötigt eine klare strukturelle Verankerung in der geplanten Krankenhausreform, um auch künftig bedarfsgerecht angeboten werden zu können.“ Das KHVVG enthält bereits eine erste Definition von 65 Leistungsgruppen. Das Gesetz sieht jedoch vor, diese Gruppen durch eine Rechtsverordnung weiterzuentwickeln. „Es ist höchste Zeit, hier endlich Klarheit und Planbarkeit zu schaffen – für die Millionen Patientinnen und Patienten, die auf eine verlässliche und hochwertige Schmerzversorgung angewiesen sind“, fordert DGAI-Präsident Marx.
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