DGHNO 2024: Hörsturztherapie – aktuelle Therapiestandards auf dem Prüfstand

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Der plötzliche Hörverlust ohne erkennbare Ursache wird häufig mit Glukokortikoiden behandelt. Eine bundesweite Studie stellt die Wirksamkeit der Hochdosis-Therapie in Frage. Auch auf dem diesjährigen DGHNO diskutieren die Experten.

Bisher wurde vermutet, dass eine hohe Dosis über einen kurzen Zeitraum insgesamt besser wirkt. Wie der systematische Vergleich (HODOKORT-Studie) einer solchen Behandlungsstrategie mit der bisherigen Standardtherapie zeigte, hilft bei einem Hörsturz eine hochdosierte Therapie mit Glukokortikoiden nicht mehr als die Standardtherapie, ist aber mit mehr Nebenwirkungen verbunden.

Das Ergebnis der Hörsturzstudie, dass trotz sofortiger Therapie bei den meisten Studienteilnehmern weiterhin Defizite bestanden, stellt den bisherigen Behandlungsstandard in Frage, so Studienleiter Prof. Stefan Plontke, Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie an der Universitätsmedizin Halle. „Dass mehr besser ist, konnte so nicht gezeigt werden.“

Dosiseffekte hätten sich aber bei den Nebenwirkungen gezeigt, insbesondere schwere Nebenwirkungen seien bei hohen Dosen häufiger. Zudem schnitt die Hochdosis-Therapie bei den patientenbezogenen Parametern Sprachverstehen und Ohrgeräusche schlechter ab als die Standardtherapie, wie Plontke weiter ausführte. Sein Fazit: „Die Hochdosis-Therapie mit Kortison ist nicht mehr gerechtfertigt.“

„Obwohl diese Medikamente seit 50 Jahren weltweit in der Hörsturz-Erstbehandlung zum Einsatz kommen, gibt es keinen belastbaren wissenschaftlichen Beweis, ob die Therapie mit Glukokortikoiden wirksam, unwirksam oder schlechter als ein Placebo ist.“ Das müsste nun in weiteren Studien untersucht werden.

„Wir brauchen dringend neue medikamentöse Therapien“, hob Plontke hervor. Er verwies auf den aktuell im Rahmen klinischer Studien untersuchten Wirkstoff AC102 der Firma Audiocure, der intratympanal verabreicht wird. Im Tiermodell konnte gezeigt werden, dass die Gabe des kleinen Pyridoindol-Moleküls das Gehör von Meerschweinchen wiederherstellte. Außerdem verhinderte es den geräuschbedingten Verlust äußerer Haarsinneszellen und reduzierte die Synnaptopathie der inneren Haarsinneszellen, wie die aktuelle Veröffentlichung von Rommelsbacher H et al. zeigen konnte, an der auch Plontke beteiligt war. Eine klinischen Phase-I-Studie belegt dem Hersteller zufolge die Sicherheit und gute Verträglichkeit. Die Wirksamkeit wird zur Zeit in einer Phase-II-Studie untersucht.

Wie Prof. Stephan Lang, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. betonte, werden dringend mehr belastbare Daten gebraucht, um Hörsturz-Betroffene wirksam zu behandeln. Bei der Jahrestagung der Fachgesellschaft vom 8. Bis 11. Mai 2024 werden die Studienergebnisse und ihre Bedeutung für den Praxisalltag in Essen diskutiert. (ja)