DGHNO-KHC ging in Essen erfolgreich zu Ende28. Mai 2024 Foto: Marcel Paschertz/stock.adobe.com Mit rund 3000 Teilnehmern ging die 95. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (DGHNO-KHC) e. V. in Essen erfolgreich zu Ende. Souverän und mit viel persönlichem Engagement führte Kongresspräsident Prof. Stephan Lang, Präsident der DGHNO-KHC und amtierender Präsident der Fachgesellschaft durch den hochkarätigen internationalen und interdisziplinären Kongress mit interaktiver Vernetzung. Unter dem Motto „Crossing Borders“ bot das umfassende Programm in allen Bereichen aktuelle Highlights, von neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Kopf-Hals-Onkologie, der Schädelbasis-, Orbita- und Mittelohrchirurgie sowie der Cochlea-Implantat-Versorgung bis hin zu spannenden internationalen Joint Meetings in entspannter Atmosphäre. „Dieser Kongress lebt auch vom geselligen Miteinander, von unserer Freundschaft und davon, dass sich die Teilnehmer aktiv beteiligen“, brachte es Lang bei der Kongresseröffnung in der Philharmonie Essen auf den Punkt. Der feierliche Festakt gab den Startschuss für drei Tage voller Wissenstransfer, Networking und Inspiration in einem 9-zügigen Kongressprogramm. Neben der Spezialisierung des komplexen Fachs wurde die große Fächerbreite der interdisziplinären HNO mit anatomischen sowie inhaltlichen Schnittstellen zu anderen Fachbereichen hervorgehoben. Neben renommierten HNO-Ärzten waren auch viele Experten aus anderen Fachbereichen eingeladen, um übergreifende Krankheitsbilder zu beleuchten und gemeinsam neue diagnostische und therapeutische Strategien zu erarbeiten. Angesichts der rund 3000 Teilnehmer aus 45 Nationen, über 1100 internationalen Rednern, 177 internationalen Lectures und gut besuchten Joint Meetings fiel Langs Resümee überaus positiv aus: „Nach einer intensiven Kongressvorbereitung freue ich mich sehr, dass unser Konzept der Internationalisierung und das vielfältige Themenangebot auf eine derart überwältigende Resonanz gestoßen sind!“ Das Programm bot ein breites Themenspektrum mit den Schwerpunktthemen Kopf-Hals-Tumore/HPV, Neoadjuvante Immuntherapie/Immunonkologie, Plastisch-rekonstruktive Chirurgie, Schädelbasis, Orbita, Endoskopische Mittelohrchirurgie, Vaskuläre Malformationen, Pädiatrische Rhinologie und Schilddrüse. Neben der translationalen und grundlagenwissenschaftlichen Forschung waren die Ergebnisse prospektiver Studien zu HNO-Fragestellungen und der aktuelle Stand evidenzbasierter Medizin wichtige Diskussionsschwerpunkte. HODOKORT Studie zum Hörsturz Die Ergebnisse der bundesweiten HODOKORT Studie zum Hörsturz, federführend von Prof. Stefan Plontke, Halle, durchgeführt, wurden auf dem Kongress präsentiert und standen zur Diskussion. Die neuen Daten zur Hörsturztherapie, die zum ersten Mal systematisch untersucht wurde, stellten den aktuellen Therapiestandard der Glukokortikoid-Behandlungauf den Prüfstand. „Die Studie war immens aufwendig und hat die wichtige Erkenntnis gebracht, dass eine höhere Kortisondosis im Vergleich zur niedriger dosierten Standardtherapie nicht mit einer besseren Erholung des Gehörs nach Hörsturz einhergeht“, so Plontke. Heiß diskutiert wurde die Frage, inwieweit die bisher gängige Hörsturz-Therapie, die überdies mit mehr Nebenwirkungen verbunden ist, überhaupt wirksam ist. Als nächster wichtiger Schritt wurde das Design der Folgestudie KORTEBO vorgestellt, die den bisherigen Therapiestandard auf seine Wirksamkeit untersuchen soll. Neoadjuvante Immuntherapie bei Kopf-Hals-Karzinomen Ein weiteres vieldiskutiertes Thema war die neue Neoadjuvante Immuntherapiezur Behandlung von Kopf-Hals-Karzinomen, welche einen Paradigmenwechsel bedeuten könnte. Dr. Cornelius Kürten, Essen, unterstrich in seinem Vortrag die Vorteile einer Stimulation des Immunsystems bereits vor der Operation, um die Prognose von Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren zu verbessern. In Essen wurde bereits eine prospektive Studie durchgeführt. Die möglichen Mechanismen, weshalb Patienten gut auf die Neoadjuvante Immuntherapie ansprechen, erscheinen vielfältig. Es könnte eine wichtige Rolle spielen, dass die Immunmechanismen zu dem frühen Zeitpunkt noch nicht durch Operation oder Bestrahlung beeinflusst sind. Wie Prof. Lang betonte, könnte die Aktivierung der körpereigenen Abwehrkräfte das Potential haben, das bisherige Therapiekonzept zu ergänzen. Die Reduzierung der Tumorgröße vor der Operation könnte chirurgische Verfahren effizienter gestalten und gegebenenfalls mit einer besseren Lebensqualität einhergehen. Eine Schlüsselrolle komme dabei den Checkpoint-Inhibitoren zu, die gezielt die natürlichen Bremsen des Immunsystems aufheben und eine stärkere und spezifischere Angriffsreaktion gegen Krebszellen ermöglichen. HPV-assoziierte Oropharynxkarzinome Ein weiterer aktueller Schwerpunkt des Kongresses lag auf den neuesten Entwicklungen im Bereich der Kopf-Hals-Onkologie. Die Entstehung von Oropharynxkarzinomen wird in zunehmendem Maße mit dem humanen Papillomvirus (HPV) in Verbindung gebracht.In Deutschland werden inzwischen schon 45 Prozent der diagnostizierten Mund- und Rachenkrebse durch HP-Viren hervorgerufen, mit steigender Inzidenz gerade bei jüngeren Patienten. Gleichzeitig ist die Erkrankung immer besser behandel- und heilbar, und es wurden Studien zu schonenderen Behandlungsstrategien diskutiert. Prof. Jens Peter Klußmann, Köln, einer der führenden Experten auf diesem Gebiet, stellte spezifischere und schonendere Therapieansätze sowie spezielle HPV-DNA Testungen vor. Nach aktuellen Studien könnte mittels künstlicher Intelligenz der HPV-Status bereits am Routineschnitt der histologischen Untersuchung vorhergesagt werden. „Dies könnte sowohl für Screening-Programme, aber insbesondere als Tumormarker in der Nachsorge genutzt werden“, wie Klußmann in einem Joint Meeting mit der mit der American Academy of Otolaryngology – Head and Neck Surgery und der Confederation of European Otorhinolaryngology – Head and Neck Surgery betonte. Molekulare Biomarker sind die Basis für eine personalisierte Medizin bei Patienten mit Kopf-Hals-Karzinomen. Interdisziplinäre Orbita-Chirurgie und Therapie Prof. Hans-Jürgen Welkoborsky, Hannover, und Pof. Anja Eckstein, Essen, präsentierten aktuelle Daten zur interdisziplinären Therapie bzw. Chirurgie an Orbita und Schädelbasis. Bei Untersuchung und Behandlung von Erkrankungen der Augenhöhle setzen Ärzteim klinischen Alltag auf Zusammenarbeit, umgemeinsam Fachgrenzen zu überwinden. Die Therapie hat in den letzten Jahren deutliche Fortschritte gemacht durch Weiterentwicklungen in Mikrochirurgie mit computerisierter Navigation über minimalinvasive und endoskopische Zugänge, um möglichst gewebeschonend zu operieren und den Sehnerv nicht zu tangieren.Die konservativen und chirurgischen Behandlungen sollten in spezialisierten interdisziplinären Orbitazentren erfolgen, in denen weitere Fachrichtungen beteiligt sind wie Internisten, Pädiater, Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen, Radiologen, Neurologen, Neurochirurgen, Pathologen und Strahlentherapeuten. Der Zusammenarbeit von HNO- und Augenärzten komme ein besonderer Stellenwert zu. Innovative OTOF-Gentherapie für angeborene Ertaubung Als vielbeachtete „Breaking News“ wurde die erste erfolgreiche Gentherapie bei angeborener Innenohrschwerhörigkeit von Prof. Ellen Reisinger, Tübingen, vorgestellt – ein Durchbruch in der Gentherapie bei angeborenem Hörverlust. Mitihrer Grundlagenforschung trug die engagierte Medizinerin maßgeblich dazu bei, dass eine spezielle Form der angeborenen Taubheit nun per Gentherapie erfolgreich behandelt werden kann – „ein Meilenstein“, so Reisinger, für Mutationen im Gen OTOF. Die Möglichkeit, durch Gendefekte bedingte Krankheiten in der Zukunft zu heilen, habe sich damit enorm erweitert. Hochwertiges Weiterbildungsprogramm Der hohe Stellenwert einer strukturierten, qualitativ hochwertigen Weiterbildung zeigte sich im Rahmen des Kongresses in einem abwechslungsreichen Weiterbildungsprogramm der Deutschen Akademie für HNO-Heilkunde sowie speziellen Angebote für Berufsgruppen aus den Pflege- und Gesundheitsbereich und niedergelassenen Praxisteams. „Ergänzend zur regulären Weiterbildungsordnung müssen wir spezielle OP-Kurse anbieten, um das Ausbildungsangebot zu erweitern und spezifische Fähigkeiten zu vermitteln, damit auch komplexe Eingriffe sicher durchgeführt werden können“, betonte Lang. Durch ein Rotieren an unterschiedlichen klinischen Exzellenzzentren könne der Nachwuchs von einer Fülle unterschiedlicher OP-Techniken, Erfahrungen und Perspektiven profitieren. Aufgabe der Fachgesellschaft sei es, „dieser Ausbildung bzw. diesem Katalog von Maßnahmen einen entsprechenden Rahmen, eine ganzheitliche und multidimensionale Struktur zu geben, die durch Zuerkennung entsprechend zertifizierter Kompetenzlevel an die jeweiligen Kliniken die Qualität dieses über die reguläre Weiterbildung hinausgehenden Kompetenzerwerbs kontrolliert und sichert.“ Ausblick: DGHNO-Kongress 2025 in Frankfurt am Main Die spannenden fachlichen Diskussionen können bei der 96. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (DGHNO-KHC) e. V. fortgeführt werden. Der Kongress findet vom 28. bis 31. Mai 2025 unter wissenschaftlicher Leitung von Prof. Timo Stöver in Frankfurt am Main statt.
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