DGKN: Wirksamkeit der TPS bei Alzheimer weiterhin nicht belegt22. April 2025 Quelle: © Gerd Altmann – Pixabay Angesichts neuer Studienergebnisse und weiterhin großen medialen Interesses hat die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN) ihre Stellungnahme zur Transkraniellen Pulsstimulation (TPS) bei Alzheimer-Demenz aktualisiert. Der Tenor bleibt jedoch unverändert: TPS erzielt keinen nachgewiesenen Nutzen. Menschen mit Alzheimer und ihren Angehörigen wird seit einiger Zeit Hoffnung gemacht: Die Transkranielle Pulsstimulation (TPS) wird als neue, scheinbar „bahnbrechende“ Therapiemethode angepriesen. Verschiedene Medien haben darüber berichtet. Die gesetzlichen Krankenkassen erstatten die Behandlung nicht, sie muss privat finanziert werden. Die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN) hat die Datenlage bewertet und unter der Federführung von Vorstandsmitglied Prof. Ulf Ziemann, Ärztlicher Direktor der Abteilung Neurologie und Co-Direktor am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung der Universität Tübingen, eine aktualisierte Stellungnahme ausgearbeitet. Das Resümee: Auch die im April 2025 neu veröffentlichte, erstmals kontrolliert randomisiert durchgeführte Studie zur TPS bei Menschen mit Alzheimer1 liefert keinen eindeutigen Wirksamkeitsnachweis. Es ist laut DGKN daher aktuell weiterhin nicht gerechtfertigt, TPS als neue effektive Therapieform der Alzheimer-Erkrankung anzusehen und zu bewerben. TPS: Transkranielle Ultraschall-Pulstherapie Forschende der Universitätsklinik für Neurologie in Wien, Österreich, haben gemeinsam mit der Firma Storz Medical AG die Transkranielle Pulsstimulation (TPS) entwickelt. Die TPS ist eine gepulste ultraschallbasierte Methode zur nichtinvasiven Stimulation des Gehirns. Eine spezielle Ultraschallsonde emittiert sehr kurze (30 µs) Ultraschall-Pulse mit einer typischen Frequenz von 5 Hz. Dem TPS-Konzept liegt eine mehr als zehnjährige Forschungstätigkeit der Arbeitsgruppe um Prof. Roland Beisteiner von der Universitätsklinik für Neurologie und Psychiatrie der Medizinischen Universität Wien zugrunde. Die neue Therapie, die umfangreich öffentlich beworben wird, soll die Regeneration des Gehirns stimulieren. Laut Aussage der Studienautoren ist es damit „weltweit erstmalig möglich, mit einem Ultraschall-Puls direkt am Schädelknochen, nichtinvasiv, schmerzfrei und bei vollem Bewusstsein in alle Bereiche des Gehirns vorzudringen und dort ganz gezielt Hirnareale anzusteuern und diese zu aktivieren“. In einigen überregionalen Medienberichten wird TPS bei Alzheimer als „bahnbrechender Fortschritt“ oder „Durchbruch“ bezeichnet. Die „Ärztliche Interessensgemeinschaft Alzheimer-Demenz-Therapie“ bezeichnet die Methode unter www.alzheimer-deutschland.de als „sicher und gut verträglich“. Dort sind auch die internationalen Behandlungsstandorte gelistet. Erste randomisierte kontrollierte Studie zur Wirksamkeit von TPS bei Alzheimer 2025 wurde die erste durch eine Scheinstimulation kontrollierte randomisierte doppelt verblindete Crossover-Studie bei 60 Patientinnen und Patienten mit klinisch diagnostizierter Alzheimer-Erkrankung im Alter zwischen 51 und 82 Jahren publiziert.1 Die Studie wurde unter anderem von der Firma Storz Medical AG finanziert. Die Firma hat auch bei der Entwicklung des Studiendesigns beraten und eine Clinical Research Organization (CRO) beauftragt, eine statistische Interimsanalyse durchzuführen. Die Behandlung umfasste entweder sechs Sitzungen mit transkranieller Stimulation frontoparietaler Hirnregionen innerhalb von zwei Wochen oder eine Scheinstimulation. Nach einer viermonatigen Washout-Periode wurde die jeweils andere Behandlung appliziert. Primärer Endpunkt der Studie war der korrigierte Gesamtwert nach dem Consortium to Establish a Registry for Alzheimers Disease (CERAD), ein spezifisch für Alzheimer-Patientinnen und -Patienten validierter neurokognitiver Test. Der über drei Monate nach der Stimulation nachbeobachtete primäre Endpunkt zeigte einen signifikanten Anstieg (Besserung des CERAD) über die Zeit. Es konnte bezogen auf die Gesamtpopulation aber keine signifikante Interaktion zwischen Sitzung (die verschiedenen Messzeitpunkte vor und nach Intervention) und Intervention (TPS vs. Scheinstimulation) gezeigt werden, sodass laut DGKN ein Wirksamkeitsnachweis von TPS für den primären Endpunkt deutlich verfehlt wurde. Post-hoc-Analysen der Altersuntergruppen: Besserung nur bei Jüngeren Die beiden Therapiegruppen (zuerst TPS, dann Scheinstimulation vs. zuerst Scheinstimulation, dann TPS) unterschieden sich signifikant im Alter. Die Gruppe, die zuerst TPS erhielt, war jünger. Das veranlasste die Autorinnen und Autoren zu nicht geplanten Sekundäranalysen. Es zeigte sich eine signifikante Interaktion, wenn zusätzlich zu Sitzung und Intervention noch das Alter (< 70 Jahre vs. > 70 Jahre) als Variable eingeführt wurde. Spezifisch für die Gruppe der Patientinnen und Patienten, die jünger als 70 Jahre waren, wurde eine signifikante Interaktion zwischen Zeit und Intervention gefunden, mit einer Verbesserung der kognitiven Leistung ausschließlich nach echter TPS, nicht nach Scheinstimulation. Dieser Effekt war in der Gruppe der Patientinnen und Patienten, die älter als 70 Jahre waren, nicht nachweisbar. Laut DGKN ist nicht auszuschließen, dass sich die beobachteten Effekte allein durch Lerneffekte (bei in kurzen Intervallen wiederholter Testung des CERAD) erklären lassen, die bei der Gruppe <70 Jahre stärker ausgeprägt waren als bei der Gruppe >70 Jahre. Zudem zeige die Studie eine große Gruppe von „non-Respondern“ (d. h. die neurokognitive Leistung im CERAD wurde schlechter), insbesondere in der Gruppe, die zuerst die Scheinstimulation und dann TPS erhielt. Möglicherweise könnte TPS also jüngeren Menschen mit Alzheimer helfen, aber unspezifische Effekte sind nicht ausgeschlossen. Die Autorinnen und Autoren resümieren selbst: „Based on our data and given the large interindividual variability, we suggest sample sizes exceeding 100 participants and longer follow-up periods to optimize future therapeutic research“.1 Alle zuvor veröffentlichten Studien zur Wirksamkeit von TPS bei Alzheimer waren der DGKN zufolge offene Fallserien, die den Evidenzgrad der einzigen randomisierten kontrollierten Studie nicht erhöhen. Dünne Studienlage und unklare Wirkung Zahlreiche Kritiker, darunter die Selbsthilfeorganisation Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V. und Forschende unterschiedlicher Universitäten, zweifeln an der Aussagekraft der Studien und an der (Langzeit-)Wirkung der neuen Therapie. Auch die DGKN sieht die neue Methode auf Basis der aktuellen Datenlage unverändert kritisch. Ziemann fasst das Fazit und die Bewertung der DGKN wie folgt zusammen: „Sieht man sich die publizierten Studien im Detail an, so gibt es derzeit keine ausreichende Evidenz für die Wirksamkeit der neuen Methode. Für einen Wirksamkeitsnachweis der neuen Therapie sind mittels Scheinstimulation kontrollierte, randomisierte verblindete Studien mit höherer Patientenzahl, Parallelgruppendesign und längerer Nachbeobachtungszeit erforderlich. Die erste 2025 publizierte Studie1 geht hierin den richtigen Weg, die Ergebnisse zeigen gute Verträglichkeit, aber keinen Wirksamkeitsnachweis für den primären Studienendpunkt und Einschränkungen in der Beurteilbarkeit der durchgeführten Sekundäranalysen.“
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