DGN: Multidisziplinarität der Notaufnahme muss erhalten bleiben!15. September 2025 In der Notfallmedizin ist breites Fachwissen und Interdisziplinarität gefragt. (Foto: © Gorodenkoff – stock.adoe.com) In einem aktuellen Kommentar sprechen sich die Nachwuchsorganisationen verschiedener medizinischer Fachgesellschaften gegen den aktuellen Entwurf eines Curriculums für einen Facharzt Notfallmedizin aus. Sie befürchten unter anderem eine Abnahme der Versorgungsqualität. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie teilt diese Bedenken. Derzeit läuft eine Diskussion um ein eigenständiges Weiterbildungsfach Notfallmedizin. Nach einem Vorschlag der Deutschen Gesellschaft für Notfallmedizin (vormals Deutschen Gesellschaft für Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin, DGINA) sollen Mediziner in einer fünfjährigen Weiterbildungszeit alle Kompetenzen erlernen, die derzeit durch ein multidisziplinäres Team in der Notaufnahme abgedeckt werden. „Wir haben die Sorge, dass mit der Abkehr vom interdisziplinären Versorgungskonzept die hohe Qualität der medizinischen Versorgung in deutschen Notfallambulanzen enorm leiden würde. Entscheidungskompetenz in komplexen Situationen erfordert den Facharztstandard einzelner Fachrichtungen, wie der Anästhesiologie, der Kinderheilkunde, der Inneren Medizin und der Neurologie. Die Dichte der Inhalte in der Weiterbildung der einzelnen Fächer ist enorm hoch – und die moderne Medizin entwickelt sich rasant weiter, was immer mehr Tiefenexpertise erfordert“, erklärt Dr. Johannes Heinrich Alexander Piel, Sprecher der Jungen Neurologie, der damit auch den Standpunkt des medizinischen Nachwuchs anderer Disziplinen auf den Punkt bringt. Komplexe Entscheidungspfade erfordern Expertise Aktuell hat die Junge Neurologie gemeinsam mit den Nachwuchsorganisationen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Junge DIVI), der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (Junge DGIM), der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (Junge DGKJ), der Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin (Young GNPI) sowie der Deutschen Schlaganfallgesellschaft (Junge DSG) einen Kommentar1 verfasst, in der sie diese Sicht dezidiert darlegt und begründet. In dem Text wird am Beispiel des Schlaganfalls gezeigt, wie komplex die Diagnostik ist und wie hoch das Risiko, Patientenleben durch falsche Therapieentscheidungen zu gefährden. „Oft ist die Thrombolyseentscheidung eine Grenzfallentscheidung und der Entscheidungspfad wird durch die Erweiterung der Zeitfenster immer komplexer. Die genaue Indikationsstellung und der Ausschluss von Differenzialdiagnosen erfordern Fachexpertise und Erfahrung, die nicht in ein paar Wochen erworben werden kann“, betont Piel. Er verweist auf Daten, denen zufolge die Komplikationsrate bei der Therapie ischämischer Schlaganfälle, insbesondere für symptomatische intrazerebrale Blutungen, signifikant niedriger ist, wenn die Lysetherapie durch spezialisierte neurologische Teams erfolgt. Diese Problematik ergibt sich den Verfassern des Kommentars zufolge bei allen hochspezialisierten Therapien in der Notfallaufnahme, besonders stark in der Kinder- und Jugendmedizin. Strukturelle Probleme und eingeschränkte Karrierechancen Neben der Sorge um die Qualität der medizinischen Notfallversorgung in Deutschland wird in der Stellungnahme auch auf strukturelle Probleme verwiesen. Hierzu zählen Schnittstellenproblematiken, mögliche Doppelstrukturen und die Organisation der Weiterbildung zu „Fachärztinnen/-ärzte für Notfallmedizin“. Rein praktische Hürden ergeben sich durch die Zulassung verschiedener Therapieverfahren, die nur von einer Fachärztin oder einem Facharzt der entsprechenden Disziplin durchgeführt werden dürfen. „Besonders bedenkenswert ist aus meiner Sicht, dass die an dem Kommentar beteiligten jungen Ärztinnen und Ärzte verschiedener Disziplinen auch Karrieregründe gegen das Vorhaben anführen und die mangelnde berufliche Flexibilität einer solchen Fachrichtung befürchten“, erklärt Prof. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Quereinstiege in andere Facharztgebiete inklusive Allgemeinmedizin seien nicht möglich, auch die Zusatzweiterbildung Intensivmedizin könne durch „Fachärztinnen/-ärzte für Notfallmedizin“ nicht erworben werden und Niederlassungsmöglichkeiten seien kaum vorstellbar. „Das alles macht den vorgeschlagenen eigenständigen Facharzttitel letztlich unattraktiv. Umgekehrt ist jedoch für die meisten jungen Kolleginnen und Kollegen die Rotation auf die Notaufnahme mit der dort gelebten Interdisziplinarität ein Kernbestandteil der grundständigen Facharztweiterbildung. Als Fachgesellschaft wollen wir möglichst viele junge Menschen für den Arztberuf und die akute Patientenversorgung begeistern. Allein das spricht dafür, die Multidisziplinarität der Notaufnahmeversorgung beizubehalten.“
Mehr erfahren zu: "DGCH warnt vor Diabetes als unterschätzten Risikofaktor bei Operationen" DGCH warnt vor Diabetes als unterschätzten Risikofaktor bei Operationen Anlässlich des Welttages der Patientensicherheit am 17. September mahnt die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) dazu, vor OPs weit häufiger als bisher den Glukosespiegel zu bestimmen – auch weil ein […]
Mehr erfahren zu: "Immunzellen der Tumorumgebung entscheiden über Therapieerfolg bei kindlichen Hirntumoren" Immunzellen der Tumorumgebung entscheiden über Therapieerfolg bei kindlichen Hirntumoren Das zelluläre Umfeld eines Tumors kann die Genesung unterstützen oder sabotieren. Wie eine förderliche oder hinderliche „Nachbarschaft“ bei kindlichen Hirntumoren aussieht, zeigt eine umfangreiche Studie zur Tumor-Mikroumgebung aus Heidelberg. […]
Mehr erfahren zu: "Krebszellen kapern neuronale Synapsen" Krebszellen kapern neuronale Synapsen Eine neue Studie zeigt, dass Krebszellen direkte Synapsen mit Nervenzellen formen, um sich auszubreiten. Das Ergebnis könnte neue Therapiemöglichkeiten eröffnen die darauf zielen, diese Kommunikationslinien zu unterbrechen.