DGP 2019: Pneumologie als zentrales Fach

Kongresspräsidentin Erika von Mutius (l.) und Kongresspräsident Jürgen Behr (Bildquellen: v. Mutius, Behr)

Der 60. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin findet vom 13. bis 16. März im Münchener ICM gemeinsam mit der 41. Jahrestagung der Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie statt. Kongresspräsidentin Prof. Erika von Mutius und Kongresspräsident Prof. Jürgen Behr beantworteten aus diesem Anlass den Pneumologischen Nachrichten einige Fragen zum Kongress und zum Thema Transition – und natürlich auch zur Debatte um Luftschadstoffe und Grenzwerte.

PN: Das diesjährige Kongressmotto lautet „Pneumologie – interdisziplinär und interaktiv“. Wie interdisziplinär muss die Pneumologie sein? Wo sehen sie die wichtigsten Schnittpunkte mit anderen internistischen Fächern – oder auch zur Pädiatrie?
Prof. Behr: Die Pneumologie ist ein ­zentrales Fachgebiet der Inneren Medizin mit mannigfachen Berührungspunkten zu anderen Fachgebieten: ­Kardiologie und Angiologie (Beispiele: Lungenhochdruck, Lungenembolie, Schlafapnoe), Rheumatologie (Beispiele: Interstitielle Lungenerkrankungen, Vaskulitiden), Infektiologie (Beispiele: Pneumonie, Tuberkulose), Onkologie (Beispiele: Lungenkrebs, Pleuramesotheliom), Arbeits- und Umweltmedizin (Beispiele: Berufsasthma, Asbestose, Pneumoniosen), Intensivmedizin (Beispiele: ARDS, akute Exazerbationen von COPD und Lungenfibrose) und viele andere.
Im Kontext mit der Pädiatrie sind vor allem das Asthma bronchiale, die Mukoviszidose aber auch Lungenhochdruckerkrankungen und kindliche Lungengerüsterkrankungen zu nennen. Herausragende Bedeutung in der Patien­tenversorgung haben heute interdiziplinäre Konferenzen für Lungenkrebs, interstitielle Lungenerkrankungen und Lungenemphysem, in denen verschiedene Disziplinen wie Radiologen, Pathologen/Molekularpathologen, Onkologen, Thoraxchirurgen, Strahlentherapeuten mit den Pneumologen zusammenarbeiten, um die optimale Versorgung der Patienten zu festzulegen.
Prof. von Mutius: Die Schnittstellen zur Pädiatrie sind essenziell. Viele Lungenkrankheiten haben ihre Wurzeln in der Kindheit, sei es beim Asthma, der COPD, der Mukoviszidose oder anderen. Das ist nicht nur zum Verständnis dieser Erkrankungen wichtig, sondern auch in der Versorgung, die die gute Transition vom Kindes- zum Erwachsenenalter gewährleisten muss.

PN: Als die DGP und die GPP 2014 in Bremen das letzte Mal gemeinsam ihre Jahrestagungen ausrichteten, war die Transi­tion – der Übergang von der pädiatrischen in die Erwachsenenversorgung – das zen­trale Thema. Gibt es in dieser Hinsicht etwas Neues – neue Erkenntnisse, Erhebungen oder Initiativen?
Prof. Behr: Das Thema Transition ist nach wie vor relevant und beschäftigt Erwachsenen-Pneumologen und pädiatrische Pneumologen gleichermaßen. Wie am Beispiel der Mukoviszidose deutlich wird sind die Versorgungsstrukturen bisher nicht optimal und es ist schwierig eine auskömmliche Finanzierung für die erforderlichen Einrichtungen und die in Folge des medi­zinischen Fortschritts eintretende Leistungsausweitung bereitzustellen. Hier sind sowohl die Krankenkassen als auch die Politik gefordert, gemeinsam mit den Ärzten und Kliniken Lösungswege zu finden.
Prof. von Mutius: Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

PN: In Ihrem Vorwort zum Hauptprogramm des Kongresses formulieren Sie auch, dass die Lungenentwicklung im Kindes­alter nicht nur durch die genetische Veranlagung, sondern auch durch Umweltfaktoren beeinflusst wird. Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund die aktuelle Diskussion um Luftschadstoff-Grenzwerte? Sind sie – vor allem mit Blick auf pädiatrische Patienten – gerechtfertigt beziehungsweise ausreichend?
Prof. Behr: Die Erkenntnis, dass die Grundlagen für spätere Lungenerkrankungen teilweise bereits im Kindesalter, oder sogar intrauterin, gelegt werden, ist nicht neu. Die heute verfügbaren wissenschaftlichen Methoden und die Einbeziehung großer, über viele Jahre beobachtete Kohorten haben unser Verständnis hierfür aber vertieft. Zur Diskussion über die Schadstoffgrenzwerte verweise ich auf die Stellungnahme von Prof. Werner Seeger, Sprecher des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL), dem ich nur in vollem Umfang zustimmen kann, wenn er feststellt: „Es besteht wissenschaftlich kein Zweifel, dass die Belastung mit Luftschadstoffen eine Gesundheitsgefährdung für die Bevölkerung darstellt, nicht nur hinsichtlich Atemwegs- und Lungenerkrankungen, sondern beispielsweise auch im Hinblick auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Für Stickstoffdioxid, welches gleichzeitig Indikator für weitere Luftverschmutzungskomponenten ist, beträgt dieser Richtwert zurzeit 40 Mikrogramm je Kubikmeter Luft. Ein solcher Wert muss auch für besonders empfindliche Menschen (u. a. Kinder, ältere Menschen, Patienten mit ­Lungen- und Herzerkrankungen) im Bereich des Zumutbaren liegen, da sich der Einatmung der Umgebungsluft – 24 Stunden pro Tag – niemand entziehen kann. Dem DZL liegen keinerlei belastbare neue Erkenntnisse vor, die dazu Anlass geben würden, diesen Richtwert gegenwärtig nach oben zu korrigieren.“ Das vollständige Statement finden Sie hier. 

PN: Das Thema Luftschadstoffe und Grenzwerte hat ja in den vergangenen Wochen und Monaten sowohl in der Öffentlichkeit und in der Politik als auch innerhalb der Pneumologen-Familie hohe Wellen geschlagen. Rechnen Sie damit, dass diese Diskussion im Rahmen des Kongresses öffentlich fortgesetzt beziehungsweise hinter den Kulissen weiterhin ein Thema sein wird?
Prof. Behr: Ich halte diese Diskussion für wichtig, sie muss aber rational und sachlich geführt werden. Als Kongresspräsident habe ich mich daher dafür eingesetzt, dass das Thema im Rahmen einer Podiumsdiskussion aufgegriffen wird.

PN: Das Konzept der Keynote-Lectures auf dem DGP-Kongress wird in diesem Jahr fortgeführt. Worin liegt für Sie das Reizvolle an diesem Format? Gibt es darüber hinaus einen Programmpunkt beim diesjährigen Kongress, auf den Sie sich persönlich besonders freuen oder den Sie besonders spannend finden?
Prof. Behr: Die Keynote-Lectures wurden in Dresden erstmals angeboten und sehr gut angenommen, dass sie einen Blick über den fachlichen Tellerrand ermöglichen und gleichzeitig an vielen Punkten die Relevanz auch für die Pneumologie erkennbar wird. Wir haben daher das Konzept auch in München weiter verfolgt und bieten mit den Vorträgen zu Medien und Fake News, Digitalisierung und Umweltkrise gesellschaftlich und politisch relevante Themen an, die auch einen Bezug zur Medizin und zur Pneumologie haben. Ein besonderes Highlight, auf das ich mich besonders freue, ist der Festvortrag von Herrn Dr. Gerhard Thiele, der im Rahmen der Kongresseröffnung als Astronaut aus eigener Anschauung über „Wissenschaft im luftleeren Raum – Erfahrungen aus dem All“ berichten wird.

PN: Frau Professor von Mutius, Herr Professor Behr, wir danken Ihnen für das Gespräch.