DGP 2024: Neue S2k-Leitlinie soll für bewussteren Einsatz von Inhalativa sorgen

Ein Baustein, der bei der Reduzierung von Treibhausgasen beitragen kann, ist ein bewussterer Verordnung inhalativer Therapien, bei dem eine neue Leitlinie unterstützen soll. (Abbildung: © Dilok)

Beim klimafreundlichen Einsatz von Inhalativa in der Therapie von Atemwegserkrankungen ist noch viel Luft nach oben. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) will diesen Zustand ändern.

In federführender Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) hat die DGP kürzlich die S2k-Leitlinie „Klimabewusste Verordnung von Inhalativa“ verabschiedet – ein Update der vorherigen S1-Leitlinie, die sich erstmalig mit dem Thema befasst hat.

Christian Grah (Foto: Grah)

Die neue Leitlinie richtet sich vor allem an Ärztinnen und Ärzte sowie ihre Praxisteams, Apothekerinnen und Apotheker als auch an Mitarbeitende anderer Gesundheitsfachberufe, um passende Wege zu weniger Kohlendioxid(CO2)-Emissionen aufzuzeigen. In Deutschland ist das Gesundheitswesen für 5,2 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich, den größten CO2-Fußabdruck im primärärztlichen Bereich verursachen Medikamente. Einen Beitrag dazu leisten auch Inhalativa zur Therapie von Atemwegserkrankungen: Im Gegensatz zu Trockenpulverinhalatoren (DPIs) enthalten Dosieraerosole (DAs) klimaschädliche Treibhausmittel. „Hierzulande werden etwa zu 50 Prozent Dosieraerosole und zu 50 Prozent Pulver-Inhalationssysteme genutzt”, berichtet Dr. Christian Grah, Vorsitzender der DGP-Taskforce „Klimawandel und Gesundheit“ und einer der drei Hauptautoren der neuen Leitlinie. „Wenn man sich vor Augen führt, dass in Skandinavien rund 90 Prozent in Pulverform inhaliert wird, ist das eine schlechte Position. Dafür gibt es auch keine Rechtfertigung, es ist einfach Verschreibungspraxis in Deutschland.“ Insgesamt würden sowohl zu viele als auch die falschen Inhalativa verschrieben. Salbutamol-Dosieraerosole seien ein Beispiel für vermeidbare Klimaschäden die durch die Medizin in Deutschland verursacht werden.

Neue Leitlinie gibt wichtige Entscheidungshilfen bei der Verordnung

Vor diesem Hintergrund soll die neue Leitlinie eine Hilfestellung geben, um das Verordnungsverhalten zu verändern. Dafür fasst sie zum einen die vorhandene Evidenz zur Entscheidung zwischen DPIs und DAs zusammen und benennt bei der Auswahl auch die potenziellen Klimaschäden. Grah erläutert: „Dadurch trägt unsere Leitlinie zum einen dazu bei, dass der durch Dosieraerosole entstehende Klimaschaden bekannter wird. Zum anderen kann sie helfen, das Versorgungungleichgewicht in Deutschland zu verändern. Letztendlich helfen wir damit also nicht nur den einzelnen Menschen, sondern dem Klima und der Umwelt – und damit auch wieder der Gesundheit.“.

„Klimaschutz ist ein wichtiger Beitrag zur globalen Gesundheit“, erklärt Prof. Martin Scherer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) als für die Leitlinien mit verantwortlich zeichnende Fachgesellschaft. „Die Leitlinie unterstützt Hausärztinnen und Hausärzte dabei, in der Praxis eine klimabewusste Entscheidung treffen zu können. Damit übernehmen wir als wissenschaftliche Fachgesellschaft Verantwortung für mehr Klimaschutz.” Und PD Dr. Guido Schmiemann, seitens der DEGAM Mitautor der Leitlinie, ergänzt: „Unsere Leitlinie mit der Empfehlung, auf klimafreundliche Pulverinhalatoren zu setzen, ist ein gutes Beispiel dafür, dass es auch wirklich einfache und praktische Lösungen gibt.” Der Hausarzt, der auch an der Universität Bremen in der Abteilung für Versorgungsforschung forscht und lehrt, fügt hinzu: „Natürlich müssen wir im Gesundheitswesen auch strukturell umdenken, aber es ist genauso sinnvoll, auf konkrete Veränderungen in der Praxis zu setzen.“

Neben der DGP und der DEGA wurden drei pädiatrische Fachgesellschaften und die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) in die Erstellung der Sk2-Leitlinie eingebunden. Neu ist auch, dass sich die Arzneimittelkommission der Apotheker eingebracht hat, um Apotheker zu den verschiedenen Darreichungsformen mit ihrer jeweiligen Klimabilanz zu informieren. Auch der Aspekt der Entsorgung der Inhalatoren, für die strenge Regeln gelten, wird in der neuen Fassung der Leitlinie erstmalig aufgegriffen.

Da durch die klimatischen Veränderungen Krankheiten wie Asthma und Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) in Zukunft deutlich häufiger auftreten werden, ist die DGP über die Leitlinien-Arbeit hinaus mit verschiedenen Interessengruppen im Gespräch, um das Thema klimafreundliche Inhalativa voranzutreiben. Dazu zählen die Deutsche Allianz für Klima und Gesundheit mit ihrem Nachhaltigkeitskongress CleanMedBerlin oder die Dachverbände der Krankenkassen.

Mehr zur neuen Leitlinie erfahren Sie in den „Pneumologischen Nachrichten”, erhältlich auf dem diesjährigen DGP-Kongress in Mannheim, sowie im dort stattfindenden Klinischen Symposium 32 („Klimawandel – was kann ich als Einzelner schon tun im Krankenhaus und in der Praxis?”; Donnerstag 21.03.2024; 14.30–14.50 Uhr; Arnold Schönberg Hörsaal, Rosengarten, E+2).