DGRh warnt vor dramatischer Unterversorgung – Politik muss handeln

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Anlässlich des Welt Rheuma Tages am 12. Oktober weist die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie und Klinische Immunologie (DGRh) auf die sich zuspitzende Versorgungssituation von Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen (ERE) in Deutschland hin.

Rund zwei Millionen Menschen sind in Deutschland von Rheuma betroffen, doch bereits heute fehle es an ausreichender fachärztlicher Betreuung, moniert die Fachgesellschaft und appeliert eindringlich an die Politik, die Versorgung nachhaltig zu sichern.

Zu lange Wartezeiten bis zum Therapiebeginn

Dank moderner Medikamente lassen sich die Krankheitsverläufe von ERE heute oft erfolgreich kontrollieren. Viele Betroffene können ein weitgehend normales Leben führen. Schwerwiegende Folgeschäden lassen sich vermeiden – jedoch nur, wenn die Therapie frühzeitig beginnt, betont die DGRh. In der Realität werde das Ziel, innerhalb von sechs Wochen nach Symptombeginn eine rheumatologische Erstvorstellung zu ermöglichen, jedoch klar verfehlt: Die Wartezeit betrage häufig mehr als drei Monate. „Aufgrund des demografischen Wandels und des Hineinwachsens der geburtenstarken Jahrgänge ins höhere Lebensalter ist in den kommenden Jahren zudem mit einer weiteren Zunahme entzündlich-rheumatischer Erkrankungen zu rechnen“, erläutert DGRh-Präsident Prof. Ulf Wagner aus Leipzig.

Zu wenige Rheumatologen, Tendenz weiter sinkend

Die aktuelle Versorgungssituation ist laut DGRh angespannt und wird sich weiter verschärfen. So waren Ende 2024 bundesweit nur 1161 Rheumatologinnen und Rheumatologen berufstätig, während für eine bedarfsgerechte ambulante Versorgung mindestens 1400 erforderlich wären. Schon jetzt fehlen etwa 700 Fachärztinnen und Fachärzte. Zudem ist ein Drittel von ihnen älter als 60 Jahre alt und wird in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen, berichtet die Fachgesellschaft. Die Zahl der neuen Facharztabschlüsse reiche nicht aus, um diese Verluste auszugleichen. Hinzu komme, dass viele Rheumatologen in Teilzeit arbeiteten. Auch die regionale Versorgung ist nach Angaben der DGRh ungleich verteilt: Während Berlin 2,5 Rheumatologen pro 100.000 Erwachsene aufweist, sind es im Saarland nur 0,8. Im Bundesdurchschnitt liegt die Quote bei 1,7, für die ambulante Versorgung bei 1,0.

Handlungsbedarf bei Lehre und Versorgungsstrukturen

Die DGRh sieht dringenden politischen Handlungsbedarf und verweist in diesem Zusammenhang auf ihr aktuelles Memorandum. Darin fordert sie die Schaffung von mindestens 100 zusätzlichen Weiterbildungsstellen bis 2029 sowie eine strukturelle Stärkung der Rheumatologie in der universitären Lehre. Bisher verfügen nur zehn der 38 staatlichen Universitäten über eigenständige Lehrstühle. Um mehr Studierende zu erreichen, müssten alle 36 medizinischen Fakultäten in Deutschland rheumatologische Lehre anbieten. Mindestens jede zweite Fakultät sollte über einen eigenständigen rheumatologischen Lehrstuhl verfügen. Zudem müssten sektorenübergreifende Versorgungsmodelle wie Frühsprechstunden, die Delegation an Fachassistenzpersonal, strukturierte Patientenschulungen und digitale Konzepte unterstützt und finanziert werden, fordert die Fachgesellschaft und verweist auch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), der ebenfalls Handlungsbedarf sehe: Bisher ist ein Versorgungsanteil von acht Prozent der Fachinternist:innen für Rheumatologie reserviert, eine Anhebung auf zehn Prozent bis Ende 2026 werde geprüft.

Vorbildliches Beispiel aus Rheinland-Pfalz

Der kürzlich vorgestellte Aktionsplan „Stärkung der rheumatologischen Versorgung in Rheinland-Pfalz“ zeigt nach Angaben der DGRh beispielhaft, wie eine Versorgung von Menschen mit rheumatischen Erkrankungen gelingen kann. Die Fachgesellschaft erläutert, warum: Der Aktionsplan stärkt Ausbildung und Weiterbildung in der Rheumatologie, unter anderem durch ein neues Wahlfach im Medizinstudium und zusätzliche Weiterbildungsstellen in Kliniken. Innovative Projekte wie TELE-RHEUMA plus fördern die telemedizinische Zusammenarbeit zwischen Hausärzten und Fachärzten, um Diagnosen früher zu stellen und Therapien zu verbessern. Zudem werden nichtärztliche Fachkräfte zu rheumatologischen Assistenten qualifiziert und mobile Informationsangebote wie der „Rheumabus“ unterstützen Aufklärung und Versorgung.

Dass rheumatologische Versorgung als zentrale gesundheitspolitische Aufgabe erkannt und deren Verbesserung so entschlossen vorangetrieben werde wie in Rheinland-Pfalz, sei auch für andere Bundesländer wünschenswert, so die DGRh.

Rheumatologie stärker in der Krankenhausplanung berücksichtigen

Vor dem Hintergrund des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) fordert die DGRh zudem gemeinsam mit dem Verband Rheumatologischer Akutkliniken (VRA), die besonderen Bedürfnisse der Rheumatologie in der Krankenhausplanung zu berücksichtigen und statt einer pauschalen Fallzahlkonzentration eine differenzierte Planung für eine flächendeckende qualitätsgesicherte Versorgung sicherzustellen.

„Wir haben hochwirksame Medikamente und sektorenübergreifende Ansätze entwickelt – doch sie können nur wirken, wenn genügend Rheumatologinnen und Rheumatologen zur Verfügung stehen und die Versorgung – ob stationär, ambulant oder sektorenübergreifend – angemessen finanziert wird“, betont Wagner. Die DGRh appelliere daher an Politik und Kostenträger, jetzt zu handeln, um auch in Zukunft Millionen Patientinnen und Patienten flächendeckend stabil versorgen zu können.