DGS-Initiative chronischer Kopfschmerz: Unzureichende Versorgung belastet Betroffene und die Volkswirtschaft

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Vor einem Jahr gründete die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) zusammen mit Sponsoren aus der Industrie die „DGS-Initiative chronischer Kopfschmerz – Für eine Verbesserung in der Primärversorgung“. Viele Ziele der Initiative wurden bereits erreicht, doch es besteht weiter Handlungsbedarf, so die einhellige Meinung der Experten bei einer Pressekonferenz der Fachgesellschaft.

Ziel der Initiative ist es, das Bewusstsein für die individuellen und volkswirtschaftlichen Belastungen durch chronische Kopfschmerzen zu steigern und den Zugang zu modernen Medikamenten zu erleichtern. Außerdem können sich Ärztinnen und Ärzte in der Primärversorgung fortbilden, um chronische Kopfschmerzen frühzeitig zu erkennen und eine angemessene Therapie einzuleiten.

Schätzungsweise rund zwölf Millionen Menschen in Deutschland leiden an chronischen Kopfschmerzen. Vor allem Migräne beeinträchtigt die Betroffenen sowohl im Berufs- als auch Privatleben. Gleichzeitig besteht eine Unterversorgung in der Prophylaxe. Diese ist dann indiziert, wenn die Migräneattacken an mindestens vier Tagen pro Monat auftreten. Nach wie vor erhält ein hoher Anteil von Menschen mit Migräne, die von einer Prophylaxe profitieren könnten, keine entsprechende Therapie.

„Für Betroffene sind die chronischen Kopfschmerzattacken sehr belastend. Außerdem haben eine unzureichende Versorgung und damit einhergehende migränebedingte Arbeitsausfälle enorme Auswirkungen auf die Volkswirtschaft“, fasste Dr. Johannes Horlemann, Präsident der DGS, die Problematik zusammen. „Um das Bewusstsein für dieses unterschätze Leiden zu steigern, sind wir in stetigem Austausch mit politischen Entscheidungsträgern, Ärzteverbänden und Kostenträgern. Dabei steht das Ziel im Vordergrund, die Versorgung für die Patientinnen und Patienten zu verbessern, unter anderem, indem wir den Zugang zu modernen Therapien erleichtern“, so Horlemann weiter.

Folgende sind die von der DGS konkret genannten Ziele der Initiative:

  • Bewusstsein schaffen für die Versorgung von Patienten mit chronischen Kopfschmerzen
  • Herstellung eines allgemeinen Konsenses in der Anwendung moderner Therapieformen
  • CME-zertifizierte Fortbildungsaktivitäten für Primärversorger
  • den Patienten Zugang zu modernen Therapieformen ermöglichen
  • DGS-PraxisLeitlinie „Primäre Kopfschmerzerkrankungen“: Aktualisierung
  • DGS-PraxisLeitfaden „Primäre Kopfschmerzerkrankungen Erwachsene und Kinder“
    (Kurzform der PraxisLeitlinie)

Fortbildungen und DGS-PraxisLeitlinie erleichtern Diagnose und Therapie

„Eine der Ursachen für die unzureichende Versorgung“, so PD Dr. Michael Küster, Leiter des Schmerzzentrums Bonn/Bad Godesberg und Vizepräsident der DGS, „ist die mangelnde Aus- und Weiterbildung der primärversorgenden Fachgruppen.“ Mit einem umfangreichen CME-zertifizierten Fortbildungsangebot und der überarbeiteten DGS-PraxisLeitlinie „Primäre Kopfschmerzerkrankungen“ will die Initiative Ärztinnen und Ärzten die Diagnose und Therapie von Betroffenen erleichtern. Beim diesjährigen Deutschen Schmerz- und Palliativtag startete daher erneut ein bewährtes 12-stündiges Curriculum Kopfschmerz, das in Form von Update-Fortbildungen fortgesetzt wurde.

Die überarbeitete Fassung der DGS-PraxisLeitlinie wurde konsentiert und steht in Kürze zur Verfügung. Unter anderem wurde darin die Behandlung mit CGRP(Calcitonin Gene-Related Peptide)-Antikörpern integriert, deren erster Vertreter 2018 zur Migräneprophylaxe zugelassen wurde. Im nächsten Schritt entwickelt die DGS auf Basis ihrer PraxisLeitlinie eine Kurzversion, den DGS-PraxisLeitfaden, der die Empfehlungen für eine evidenzbasierte Behandlung zusammenfasst.

Kenntnisse zu Migräne auch für Gynäkologinnen und Gynäkologen wichtig

Frauen im reproduktiven Alter sind deutlich häufiger von Migräne betroffen als gleichaltrige Männer, während sich bei Mädchen und Jungen vor der Pubertät keine Unterschiede in der Prävalenz zeigen. Als Ursache dafür gelten Schwankungen des Östradiolspiegels im Verlauf des weiblichen Zyklus. Kombinierte hormonelle Kontrazeptiva können sich zwar protektiv auf die Anfallshäufigkeit auswirken, gleichzeitig können sie aber auch das Schlaganfallrisiko der Patientinnen steigern, das bei Migränepatientinnen ohnehin erhöht ist. Bei der Behandlung müssen daher individuelle Risikofaktoren, wie zum Beispiel kardiovaskuläre Vorerkrankungen, Rauchen und Übergewicht sowie das Auftreten einer Migräneaura berücksichtigt werden. „Diese Zusammenhänge zu kennen, ist besonders für Gynäkologinnen und Gynäkologen wichtig, die Frauen in der Kontrazeption betreuen. Daher sprechen wir mit unserer Initiative auch diese Facharztgruppe an“, erläuterte Prof. Hartmut Göbel, Chefarzt der Schmerzklinik Kiel.

Die Initiative wird finanziell von den beiden Pharmaunternehmen Novartis Pharma sowie Teva unterstützt.