DGSM: Zunehmende Einschränkungen der Patientenversorgung bei OSA und Insomnie19. Oktober 2021 Foto: contrastwerkstatt- stock.adobe.com Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) beklagt zunehmende Einschränkungen in der Patientenversorgung bei OSA und Insomnie. Technische Innovationen und moderne Behandlungsansätze würden nachweislich das Patientenwohl verbessern, deren Verordnung sei aber praktisch nicht umsetzbar. Bei der obstruktiven Schlafapnoe (OSA) kommt es häufig zu nicht-erholsamem Schlaf, Tagesschläfrigkeit, erhöhter Unfallgefahr im Straßenverkehr und einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch bei Insomnie ist die Erholsamkeit des Schlafes beeinträchtigt. Die Betroffenen sind tagsüber müde und eingeschränkt leistungsfähig und häufig entwickelt sich ein chronisches Krankheitsbild, welches ebenfalls mit einer Reihe psychischer und organischer Folgeerkrankungen vergesellschaftet ist. Etwa 1-2 Millionen Menschen in Deutschland nehmen aufgrund einer Insomnie Schlafmittel ein, obwohl diese keine kausale Therapie darstellen, also keine heilende Wirkung haben.Die Diagnostik der OSA ist in Deutschland durch eine Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) aus dem Jahre 2004 streng geregelt, sodass nur das dort spezifizierte ambulante Untersuchungsverfahren (die Polygraphie) zur Diagnostik zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung eingesetzt werden kann. Besonders problematisch ist hierbei, dass die technischen Spezifikationen dieser ambulanten Untersuchung so konkret geregelt sind, dass praktisch keine technischen Innovationen zugelassen werden. Allerdings stehen bereits heute leistungsfähige alternative Systeme zur Verfügung, die auch in den Leitlinien der Gesellschaft empfohlen werden und die technische Entwicklung in diesem Bereich ist von hoher Dynamik. Durch die Festschreibung der technischen Spezifikation in der fast 20 Jahre alten Richtlinie des GBA zeichnet sich bereits jetzt ab, dass technische Weiterentwicklungen, die zu einer Verbesserung der Aussagekraft der Untersuchungen unter einem höheren Patientenkomfort führen, den gesetzlich versicherten Patienten in Deutschland auf absehbare Zeit nicht zur Verfügung stehen werden. Zur Behandlung der OSA stehen zahlreiche Therapieverfahren zur Verfügung, hierunter insbesondere die Überdruck-Atemtherapie (PAP-Therapie), Unterkiefer-Protrusionsschienen (UPS), die Lagetherapie und verschiedene operative Verfahren. Vor diesem Hintergrund ist es die vordringliche Aufgabe des Schlafmediziners, gemeinsam mit dem Patienten die am besten geeignete Therapie auszuwählen, betotnt die DGSM. Die Fachgesellschaft begrüßt in diesem Zusammenhang die Entscheidung des GBA, die Versorgung mit UPS in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherungen aufzunehmen. Durch die Entscheidung, die nichterfolgreiche PAP-Therapie zur Voraussetzung für eine Versorgung mit einer UPS zu machen, untergrabe der GBA jedoch die Freiheit in der Therapieentscheidung und widerspreche der aktuellen wissenschaftlichen Datenlage und den Empfehlungen der Leitlinie der Fachgesellschaft. kritisiert diese. Mit dem Beschluss des GBA stelle sich dieser auch gegen die wissenschaftliche Analyse, die das von ihm beauftragte Institut für Wirtschaftlichkeit und Qualität im Gesundheitswesen (IQWiG) erstellt hat und die ebenfalls eine Gleichwertigkeit der Therapieverfahren beschreibt. Besonders problematisch ist aus Sicht der DGSM die Tatsache, dass eine nichterfolgreiche PAP-Therapie nicht hinreichend definiert ist, sodass für Patienten und Behandler langwierige Auseinandersetzungen mit den Kostenträger zu erwarten sind. Eine solche Entwicklung zeigt sich laut der Fachgesellschaft bereits bei der Versorgung von Patienten mit Neurostimulationsverfahren, insbesondere der Hypoglossus-Stimulation. Eine solche Priorisierung von Behandlungsmöglichkeiten lasse sich weder ökonomisch noch wissenschaftlich begründen. Bezüglich der Insomnie fordern nationale wie internationale Fachverbände schon seit längerem, dass die Kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT-I), die in vielen Fällen als kausales Behandlungsverfahren betrachtet wird, als Behandlungsmethode der ersten Wahl eingesetzt wird. So könnten der hohen Chronifizierungsneigung von Insomnien, deren Begleiterkrankungen sowie dem erhöhten Risiko für Arbeits- und Verkehrsunfälle wirksamer begegnet werden. Wissenschaftliche Studien belegen die Wirksamkeit dieser verhaltenstherapeutischen Methoden und verdeutlichen im Vergleich zu Schlafmitteln, dass diese bei akuten Behandlungsfällen gleich gut wirken und im Langzeitverlauf sogar deutlich bessere und anhaltendere Wirkungen aufweisen. Die Verfügbarkeit dieser verhaltenstherapeutischen Angebote ist in Deutschland jedoch gering und es wird nur schwer möglich sein, jedem einzelnen Patienten eine Behandlung durch einen Psychotherapeuten vor Ort anzubieten. Aus diesem Grunde wurden gestufte Behandlungsmodelle (stepped-care) entwickelt, welche hinsichtlich Wirksamkeit und Ökonomie zu einer verbesserten Versorgung von Patienten mit Schlafstörungen führen. Solche gestuften Behandlungsmodelle basieren in der ersten Stufe auf evidenzbasierten selbstwirksamen Techniken über Onlineprogramme, Selbsthilfebücher (Bibliotherapie), Lehrvideos und Selbsthilfegruppen. Patienten, die von diesen Angeboten nicht profitieren, werden in einer zweiten Behandlungsstufe Gruppenangeboten von geschultem medizinischem Fachpersonal zugeführt. Erst auf einer weiteren dritten Behandlungsstufe kommen Psychotherapeuten mit Gruppen- und Einzelangeboten auf den Behandlungsplan. Allen Patienten, die von den zuvor genannten Behandlungsstufen nicht profitieren, muss dann eine Behandlung in einem schlafmedizinischen Zentrum im Rahmen einer obersten Behandlungsstufe angeboten werden, so die Forderung der DGSM. Bei diesem Vorgehen komme dem Hausarzt neben seiner Behandlungs- auch eine Steuerungsfunktion für den Patienten durch das Stepped-Care-Modell zu. „Bedauerlicherweise sind diese modernen Behandlungsansätze gegenwärtig im Gesundheitssystem nicht etabliert und werden aus diesem Grunde nicht finanziert“, beklagt die DGSM. Hausärzte, die als Lotsen durch das Behandlungsmodell führen, bedürften darüber hinaus der Honorierung ihrer diagnostischen und therapeutischen Leistungen im Rahmen des gestuften Behandlungsmodells. Die DGSM bietet ab 2022 einen Fortbildungskurs für Hausärztinnen und Hausärzte zur Erlangung des DGSM-Zertifikates „Schlafmedizinische Primärversorgung“ an. Auch bedürfen die schlafmedizinischen Experten auf höheren Versorgungsstufen zur Verbesserung der Versorgung der Patienten zum einen einer Zulassung zum gestuften Behandlungsmodell und zum anderen einer adäquaten Honorierung.
Mehr erfahren zu: "Magnetisches Jamming eröffnet neue Möglichkeiten für die Mikrorobotik" Magnetisches Jamming eröffnet neue Möglichkeiten für die Mikrorobotik Könnten winzige magnetische Objekte, die sich schnell zusammenballen und sofort wieder auseinanderfallen, eines Tages filigrane Eingriffe im menschlichen Körper durchführen? Eine neue Studie von Forschenden des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme […]
Mehr erfahren zu: "Hörverlust durch Mutation im CPD-Gen" Weiterlesen nach Anmeldung Hörverlust durch Mutation im CPD-Gen Eine Mutation im CPD-Gen hat eine seltene Form von angeborenem Hörverlust zur Folge, so das Ergebnis einer aktuellen Studie. Die Autoren konnten auch Therapieansätze mit zwei bekannten Medikamenten aufzeigen.
Mehr erfahren zu: "Patientenversorgung nach bestem verfügbaren Wissensstand bis heute nicht sichergestellt" Patientenversorgung nach bestem verfügbaren Wissensstand bis heute nicht sichergestellt Zum Welttag der evidenzbasierten Gesundheitsversorgung (20.10.) hat Cochrane Deutschland für das Land noch Nachholbedarf bei diesem Thema ausgemacht.