DGSP: Mehr Personal und mehr Transparenz16. Dezember 2019 Der neue Gesamtvorstand der DGSP (v.l.n.r.): Thelke Scholz, Uwe Brohl-Zubert, Wassili Hinüber, Jan Roscher, Michael Tietje, Jessica Reichstein, Andreas Jung, Stefan Corda-Zitzen, Christel Achberger, Sven Bechtolf, Heinz Kammeier, Sabine Haller, Patrizia di Tolla. Es fehlen: Edith Köhler, Jann E. Schlimme. (Foto: Klaus Radetzki) Personalmangel, eine hohe Anzahl an Klinikbetten und mangelnde Dokumentation bei Freiheitsentzügen: Die Umsetzung menschenrechtlicher Vorgaben in der Psychiatrie ist häufig mangelhaft. So lautete das Fazit einer Diskussionsveranstaltung zum Auftakt der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V.. „Gute Vorgaben, wie sie in der UN-Behindertenrechtskonvention oder in den Leitlinien formuliert werden, bringen nichts, wenn sie nicht umgesetzt werden“, sagte die Psychiaterin und Psychotherapeutin Margret Osterfeld, die bis November 2019 Mitglied der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter und Misshandlung war. Osterfeld schätzte die Umsetzung menschenrechtlicher Vorgaben in der Psychiatrie häufig als mangelhaft ein und kritisierte nicht nur Personalmangel und die hohe Anzahl an Klinikbetten in der Psychiatrie, sondern vor allem die mangelnde Dokumentation bei Freiheitsentzügen: „Insbesondere in der stationären Psychiatrie wird viel zu häufig die Freiheit entzogen. Nirgends ist aber genau bekannt, wie viele Fixierungen und Zwangsmedikationen es überhaupt gibt.“ Um Missstände in der Psychiatrie abzubauen, forderte die Psychiaterin: „Natürlich brauchen wir auch mehr Personal. Vor allem aber muss dringend mehr Transparenz in das Zwangshandeln der Psychiatrie kommen! Nur so können wir Maßnahmen entgegenwirken, die menschenrechtlichen Vorgaben zuwiderlaufen.“ Außerdem verwies sie auf die unabhängigen trialogischen Beschwerdestellen, deren Aufbau die DGSP in den Jahren 2005 bis 2008 initiiert hatte. „Menschen, die in der Psychiatrie Menschenrechtsverletzungen erleben, können sich an die Beschwerdestellen wenden. Sie sind eine wichtige Kontrollinstanz, um Machtmissbrauch in der Psychiatrie aufzuklären und ihm entgegenzuwirken“, sagte Osterfeld. Besuchskommissionen kämen hier häufig nicht ausreichend ihrer Pflicht nach: „Staatliche Besuchskommissionen sehen oft nicht die Notwendigkeit, die Rechte der Patienten gegen unangemessene Zwangsmaßnahmen zu schützen.“ Psychiatrie ohne Sicherungsauftrag? Dr. Heinz Kammeier, Jurist und Vorstandsmitglied der DGSP, zeichnete die Entwicklung und Stärkung des Rechts auf Selbstbestimmung nach, um dann als Ergebnis festzustellen: „Gemessen am bisher Erreichten müssen die rechtlichen Vorgaben bei der psychiatrischen Behandlung noch wirksamer als bisher umgesetzt werden.“ In seinem Vortrag ging er dann insbesondere auf die Änderungen im Selbstverständnis und hinsichtlich der grundlegenden Aufgaben der Psychiatrie ein: „Wir brauchen eine öffentliche Diskussion darüber, ob und wie der Hilfe- vom Sicherungsauftrag der Psychiatrie gelöst werden kann, insbesondere wenn psychisch beeinträchtigte Menschen sich nicht behandeln lassen wollen und die psychiatrisch Tätigen dies dann auch nicht mehr dürfen. Spätestens dann ist der Sicherungsauftrag der Psychiatrie grundsätzlich in Frage zu stellen.“ Kammeier machte auch Vorschläge dazu, auf welchen Wegen die Gesellschaft Lösungen für diese Problematik suchen und entwickeln könne: „Wenn die Psychiatrie keinen Zwang mehr ausüben will oder darf, dann muss zum einen die Versorgung psychisch erkrankter Menschen in der kommunalen Region wie andererseits im Straf- und Maßregelvollzug und in der Sicherungsverwahrung verbessert, das heißt weiter ausgebaut und erheblich gestärkt werden.“ Alternativen zum Zwang Dr. Joachim Brandenburg sprach auf der Diskussionsveranstaltung der Stiftung für die Selbsthilfe-Organisation „Netzwerk 01 Psychiatrie-Erfahrene Köln & Umgebung“ und plädierte für alternative Behandlungsformen: „Wir wünschen uns statt der klassischen Klinikbehandlung die Einführung des Offenen Dialogs und der bedürfnisangepassten Therapie nach Yriö Alanen und Jaakko Seikkula in Finnland. Mobile Teams übernehmen dort in Akutsituationen rasch die Behandlung und begleiten den Patienten bis zur Gesundung. Die Treffen finden möglichst beim Patienten zu Hause statt, mit seinen Familienmitgliedern und seinem sozialen Netzwerk.“ Partizipation aller Beteiligten wichtig Christel Achberger betonte: „Damit die Menschenrechte in der Psychiatrie endlich angemessen wahrgenommen, geschützt und umgesetzt werden, brauchen wir neben transparenter Berichterstattung über Zwangsmaßnahmen sowie unabhängigen Kontrollen und Beschwerdestellen echte Partizipation aller im System involvierten Menschen. Peerberater können beispielsweise als Wächter der Patientenrechte fungieren.“ Partizipation bedeute aber auch, dass alle Mitarbeitenden im Team gleichberechtigt sprechen dürften: „Die Mitarbeitenden sollten sich berufsübergreifend mit gleichen Rechten äußern können. Außerdem ist es wichtig, dass sie beispielsweise durch regelmäßige Supervision in der Reflexion der eigenen Arbeit unterstützt werden.“ Es brauche viele verschiedene Maßnahmen, damit der Anspruch psychiatrischer Patienten auf eine menschenrechtsbasierte und menschenwürdige Behandlung Wirklichkeit wird.
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