DGVS: Erster konkreter Vorschlag für ein sektorenübergreifendes Vergütungssystem bringt die Ambulantisierung voran27. September 2022 Foto: © GrafKoks/stock.adobe.com Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) begrüßt die Vorschläge zu einem sektorengleichen Vergütungssystem, die das Hamburg Center for Health Economics, der BKK Dachverband e.V., das Deutsche Krankenhausinstitut sowie weitere Partner jetzt vorgelegt haben. „Damit kommt endlich Bewegung in den politischen Prozess hin zu einer Ambulantisierung, die sich an medizinischer Qualität mit aufwandsgerechten Erlösen orientiert“, erklärt Prof. Heiner Wedemeyer, Pressesprecher der DGVS. Analysen zeigten, dass die in Deutschland bestehenden Versorgungsstrukturen ambulanten Eingriffen häufig im Wege stehen, erklärt die DGVS. Mitunter würden auch unkomplizierte Operationen bei Patienten ohne schwere Begleiterkrankungen stationär im Krankenhaus durchgeführt. Ein wesentlicher Grund hierfür sei deren unzureichend geregelte Vergütung. Der jetzt vorgestellte Vorschlag für ein sektorengleiches Vergütungssystem will das ändern. Aus Sicht der deutschen Gastroenterologie wird vor allem das geplante Baukastensystem begrüßt, das sektorengleiche Leistungsgruppen (SLG) vorsieht, die über sektorengleiche Pauschalen (SP) vergütet werden. Diese werden auf Basis der Kosten gebildet, die dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) bekannt sind, abzüglich der ausschließlich stationär anfallenden Kosten. Diese Kostendaten sollen auch in Zukunft regelmäßig erhoben werden und zukunftsorientiert der Entgeltkalkulation zugrunde gelegt werden, um den unvermeidbaren zeitlichen Verzug zwischen Kalkulationsdaten und Anwendungszeitraum abzubilden. Außerdem werden zwei Stufen der Vergütung für komplexe und weniger komplexe Fälle vorgeschlagen, was je Fall und Aufwand eine angemessene Finanzierung ermöglicht. Gut findet die DGVS an dem Vorschlag auch, dass in der ambulanten Vergütung die Finanzierung der unverzichtbaren ärztlichen Weiterbildung berücksichtigt wird. Mit den sektorengleichen Pauschalen sollen alle mit der Leistungserbringung verbundenen Kosten vergütet werden, dazu gehören auch Pflege-, Vorhalte- und Investitionskosten. Grundsätzlich werde dies seitens der Gastroenterologie begrüßt, erklärt die DGVS in einer aktuellen Mitteilung – es brauche aber „eine kluge politische Entscheidung, wie die unterschiedlichen Systeme der stationären Vergütung (DRG) und die der niedergelassenen Fachärzt*innen (EBM) in diesen Punkten harmonisiert werden können“. Da die Kalkulation der Kosten auf Basis der stationären Aufwände erfolgt, würde es laut dem nun gemachten Vorschlag zu einer „temporären Überfinanzierung“ kommen. „Aus eigenen Berechnungen[1] wissen wir allerdings, dass dem endoskopischen Eingriff direkt zugeordnete Kosten nicht automatisch dadurch günstiger werden, wenn die Untersuchung ambulant erfolgt“, verdeutlich Prof. Jörg Albert, Vorsitzender der DGVS-Kommission für Medizinische Klassifikation und Gesundheitsökonomie. Er erläutert: „Nach Abzug indirekter Kosten wie etwa den sogenannten ‚Hotelkosten’ oder Kostenanteilen für einen Aufenthalt auf der Intensivstation verbleiben dem Eingriff direkt zugeordnete Kosten, die in den potenziell ambulant erbringbaren Tagesfällen ähnlich hoch sind wie bei länger stationär liegenden Patienten. Dies spricht dafür, dass die potenziell ambulant zu behandelnden, aber derzeit stationär behandelten Patienten höherpreisige Interventionen erhalten als Patienten, die heute schon ambulant versorgt werden: Es verbleiben die entsprechenden Aufwände für die Leistung – unabhängig davon, ob die Leistungserbringung ambulant oder stationär erfolgt. Das bedeutet in der Konsequenz, dass sich die temporäre Überfinanzierung in einigen Bereichen wie der Endoskopie wahrscheinlich relativieren wird.“ „Würde der Vorschlag so umgesetzt, wäre das ein Kulturwandel in der Behandlungspraxis“, betont Dr. Ulrich Tappe, 1. Vorsitzender des Berufsverbandes Niedergelassener Gastroenterologen Deutschlands (bng) e.V. „Wo aus Sicht des Arztes medizinisch sinnvoll und vertretbar, würde künftig die ambulante Behandlung präferiert und durch eine leistungsorientierte Vergütung gefördert“, so Tappe. Dadurch dass die Belange sowohl der Vertragsärzte als auch die der Kliniken in dem Vorschlag berücksichtigt sind, könnten endlich die Ressourcen beider Sektoren sinnvoll genutzt und miteinander verbunden werden meint die DGVS. Und PD Dr. Birgit Terjung von der Arbeitsgemeinschaft leitender gastroenterologischer Krankenhausärzte (ALGK) e.V. sagt: „Es macht Hoffnung, dass an diesem durch den Innovationsfonds geförderten Konzept alle relevanten Partner beteiligt waren, so dass es auf dieser Basis tatsächlich zu einer Einigung in den derzeit laufenden Gesprächen zur Neuordnung der ambulanten Versorgung in Deutschland kommen könnte.“ Damit schafft der Vorschlag laut der DGVS in vielerlei Hinsicht eine belastbare Grundlage dafür, geeignete Behandlungen, die derzeit überwiegend stationär im Krankenhaus erfolgen, künftig ambulant durchzuführen. „Käme er zur Umsetzung, würde er deutlich mehr Transparenz ins System bringen. Durch die geplante jährliche Re-Kalkulation weist er außerdem dynamische Elemente im Sinne eines lernenden Systems auf. Das würde Anpassungen möglich machen, um auch wissenschaftliche Entwicklungen in der Medizin immer wieder mit aufzunehmen und damit neue Therapien wie auch deren Kosten zu berücksichtigen. Das wäre ein enormer Fortschritt“, erklärt Prof. Heiner Wedemeyer und fordert die Politik auf, nun zeitnah auch die entsprechenden Weichen für dessen Umsetzung zu stellen.
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