Diabetes: Insulinproduzierende Zellen müssen sich nicht zusammentun

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Forscher der Universität Genf, Schweiz, haben gezeigt, dass die insulinproduzierenden Betazellen keine anderen endokrinen Zellen der Bauchspeicheldrüse benötigen, um den Blutzuckerspiegel zu stabilisieren.

Das Forscherteam konnte zeigen: Bei erwachsenen Mäusen, deren Bauchspeicheldrüse nur Betazellen enthielt, fielen die Regulierung des Blutzuckerspiegels und die Insulinempfindlichkeit sogar besser aus als bei normalen Tieren. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift „Nature Metabolism“ veröffentlicht.

Rückblick: Im Jahr 2010 entdeckte das Team um Prof. Pedro Herrera von der Universität Genf (UNIGE), die Fähigkeit von Pankreaszellen, ihre Funktion zu verändern. Wenn Betazellen vorzeitig absterben, können die endokrinen Zellen, die normalerweise für die Produktion anderer Hormone wie Glukagon oder Somatostatin zuständig sind, die Produktion von Insulin übernehmen. Bisher ging man davon aus, dass sich die differenzierten adulten Zellen eines Organismus nicht regenerieren und funktionell neu ausrichten können. Diese zelluläre Plastizität pharmakologisch auszulösen, könnte daher die Grundlage für eine völlig neue Behandlungsmöglichkeit des Diabetes bilden. Was aber passiert, wenn alle Zellen des endokrinen Pankreas ihre ursprüngliche Funktion aufgeben und anfangen, Insulin zu produzieren? „Genau das wollten wir in unserer neuen Studie herausfinden“, erklärt Herrera.

Andere Zellen als Betazellen sind nicht essenziell

Man ging bislang davon aus, dass Betazellen nur in Anwesenheit der übrigen hormonproduzierenden Zellen richtig funktionieren können. „Um dies zu überprüfen, haben wir Mäuse gezüchtet, bei denen im Erwachsenenalter alle anderen Zellen aus den Betazellen in der Bauchspeicheldrüse selektiv entfernt werden können, um zu beobachten, wie die Betazellen den Blutzuckerspiegel regulieren“, erklärt Marta Perez Frances, Erstautorin dieser Arbeit. „Überraschenderweise waren unsere Mäuse nicht nur perfekt in der Lage, ihren Blutzuckerspiegel effektiv zu regulieren, sondern sie waren sogar gesünder als die Kontrollmäuse“, berichtet sie.

Selbst wenn sie mit einer fettreichen Diät gefüttert oder auf Insulinresistenz getestet wurden, zeigten diese Mäuse eine verbesserte Insulinempfindlichkeit in allen Zielgeweben und insbesondere im Fettgewebe. Der Grund: „Es gibt einen Anpassungsprozess, bei dem der Körper andere Hormonzellen von außerhalb der Bauchspeicheldrüse rekrutiert, um mit dem plötzlichen Rückgang von Glukagon und anderen Hormonen der Bauchspeicheldrüse fertig zu werden“, erklärt Herrera. Dies zeige eindeutig, dass die Nicht-Betazellen des Pankreas für die Aufrechterhaltung des glykämischen Gleichgewichts nicht wesentlich sind. Diese Ergebnisse stellten daher die bisher vorherrschende Auffassung infrage, so die Autoren.

Neue Therapien möglich

Von Natur aus verändern etwa zwei Prozent der Zellen der Bauchspeicheldrüse ihre Funktion im Falle eines Insulinmangels. Die Herausforderung besteht nun darin, ein Molekül zu finden, das diese Umwandlung auslösen und verstärken kann, erklären die Forscher. Eine andere Strategie bestünde darin, Stammzellen in vitro zu differenzieren, um neue Betazellen zu produzieren, bevor sie den Patienten transplantiert werden, heißt es weiter.

„Unsere Ergebnisse sind der Beweis dafür, dass sich Strategien, die sich auf Insulinzellen konzentrieren, wirklich auszahlen könnten“, so Herrera. „Die nächste Phase unserer Arbeit wird daher darin bestehen, das molekulare und epigenetische Profil von Nicht-Betazellen von Diabetikern und Nicht-Diabetikern zu erstellen ‒ in der Hoffnung, diejenigen Elemente zu identifizieren, die es ermöglichen könnten, die Umwandlung dieser Zellen im pathologischen Kontext des Diabetes zu induzieren“, sagt er abschließend.