Diabetes: Neues KI-Modell kann Risiko erkennen14. August 2025 Foto (Symbolbild) ©lukszczepanski/stock.adobe.com Das Risiko, an Diabetes zu erkranken, ist nicht für alle Menschen gleich. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) lässt sich dieses Risiko möglicherweise genau bestimmen, um so der Krankheit gezielt vorzubeugen. Glykiertes Hämoglobin (HbA1c) ist ein wichtiger Blutwert in der Diagnostik und Überwachung von Diabetes oder Prädiabetes. Dieser Test erfasst den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel eines Menschen in den letzten Monaten. Er sagt allerdings nichts über das Risiko der jeweiligen Person aus, eine Prädiabetes zu entwickeln oder, bei vorhandener Prädiabetes, in einen ausgeprägten Typ-2-Diabetes überzugehen. HbA1c-Wert nicht aussagekräftig genug Forschende des Scripps Research Institute haben herausgefunden, dass Künstliche Intelligenz (KI) potenziell ein differenzierteres Bild des Diabetesrisikos liefern kann. Ein neues Modell, das in der Fachzeitschrift „Nature Medicine“ beschrieben wurde, kombiniert Daten aus Kontinuierlichen Glukosemesssystemen (CGM) mit zusätzlichen Informationen zu Darmmikrobiom, Ernährung, körperlicher Aktivität und Genetik. So sollen frühe Anzeichen eines Diabetesrisikos erkannt werden, die bei herkömmlichen HbA1c-Tests möglicherweise übersehen werden. „Wir konnten zeigen, dass zwei Personen mit dem gleichen HbA1c-Wert sehr unterschiedliche Risikoprofile aufweisen können“, erläutert Co-Autor Giorgio Quer, Leiter der Abteilung für Künstliche Intelligenz am Scripps Research Institute. „Indem wir mehr Daten einbeziehen – wie lange es dauert, bis sich Blutzuckerspitzen wieder normalisieren, was über Nacht mit dem Blutzucker passiert, wieviel Nahrung aufgenommen wird und sogar, was im Darm passiert – können wir erkennen, wer auf dem besten Weg zu Diabetes ist und wer nicht.“ Veränderte Dynamik von Blutzuckerspitzen Gewisse Schwankungen des Blutzuckerspiegels, insbesondere nach dem Essen, sind völlig normal. Häufige oder übermäßig hohe Blutzuckerspitzen können hingegen ein Zeichen dafür sein, dass der Körper Schwierigkeiten hat, den Blutzucker effektiv zu regulieren. Darüber hinaus steigt und fällt der Blutzuckerspiegel bei gesunden Menschen normalerweise gleichmäßig. Bei Menschen mit einem Risiko für Diabetes kann diese Dynamik verändert sein, ohne dass Routinetests wie der HbA1c-Wert ein Problem erkennen. Die Forschenden trainierten anhand von ihren Studiendaten ein KI-Modell, das Menschen mit Typ-2-Diabetes von gesunden Personen unterscheidet. Als deutlichstes Anzeichen für ein Diabetesrisiko identifizierten sie die Dauer der Rückkehr zum Normalwert nach einem Blutzuckeranstieg. Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes dauerte es oftmals 100 Minuten oder länger, bis der Blutzuckerspiegel wieder sank, während gesündere Personen deutlich schneller wieder ihren Ausgangswert erreichten. Die Studie ergab außerdem, dass Menschen mit einem vielfältigeren Darmmikrobiom und einem höheren Aktivitätsniveau tendenziell eine bessere Blutzuckerkontrolle aufwiesen. Eine erhöhte Ruheherzfrequenz war dagegen mit Diabetes assoziiert. Studie vollständig remote durchgeführt Die neuen Erkenntnisse sind das Ergebnis eines mehrjährigen digitalen Forschungsprogramms namens „PRediction Of Glycemic RESponse Study“ (PROGRESS). Mit Hilfe von Social Media wurden mehr als 1000 Menschen aus den gesamten USA für die klinische Studie rekrutiert, die gänzlich remote durchgeführt wurde. Die Teilnehmenden, zu denen Menschen mit Prädiabetes oder Diabetes und gesunde Personen gehörten, mussten zehn Tage lang ein CGM tragen, ihre Mahlzeiten und körperlichen Aktivitäten protokollieren und Blut-, Speichel- sowie Stuhlproben zur Untersuchung einschicken. Die Forschenden hatten außerdem Zugriff auf die elektronischen Gesundheitsakten der Teilnehmenden, die frühere Laborwerte und bisherige ärztliche Diagnosen enthielten. „Wir mussten eine Studie konzipieren, die die Teilnehmenden – vom Anbringen der Sensoren bis hin zur Entnahme und Versendung biologischer Proben – vollständig selbstständig durchführen konnten, ohne jemals eine Klinik aufsuchen zu müssen. Dieses Maß an selbst gesteuerter Teilnahme erforderte eine völlig andere Infrastruktur als sonst üblich“, kommentiert Co-Senior-Autor Ed Ramos, leitender Direktor für digitale klinische Studien am Scripps Research Institute. Gezielte Prävention und Behandlung ermöglichen Obwohl die aktuelle Studie lediglich eine Momentaufnahme darstellt, werden die Teilnehmenden weiterhin von den Forschenden beobachtet, um zu sehen, ob die Vorhersagen des Modells den realen Krankheitsverlauf wirklich widerspiegeln. Das Team validierte das Modell zudem anhand eines separaten Patientendatensatzes aus Israel und untermauerte damit dessen Potenzial für eine breitere klinische Anwendung. Vor allem könnte es durch seine Detailgenauigkeit personalisierte Behandlungsstrategien ermöglichen, insbesondere mit Blick auf Lebensstilveränderungen und frühzeitige Interventionen in Menschen, die ein hohes Risiko aufweisen. Laut den Autoren könnten zukünftige Versionen des Modells nicht nur von Fachpersonal in der Klinik, sondern möglicherweise auch von Einzelpersonen zu Hause eingesetzt werden. „Letztendlich geht es darum, den Menschen mehr Einblick und Kontrolle zu geben“, so Quer. „Diabetes tritt nicht plötzlich einfach so auf, er entwickelt sich langsam. Und jetzt haben wir die Mittel, ihn früher zu erkennen und gezielter einzugreifen.“ (mkl/BIERMANN)
Mehr erfahren zu: "Genetische Grundlagen der Gehirnalterung identifiziert" Genetische Grundlagen der Gehirnalterung identifiziert Forschende der Humboldt-Universität zu Berlin untersuchten die genetischen Grundlagen der Gehirnalterung. Daten von über 56.000 Teilnehmenden zeigen, welche Gene und beeinflussbaren Faktoren das Tempo der Gehirnalterung bestimmen. Die Ergebnisse liefern […]
Mehr erfahren zu: "Diabetesmedikamente bei Alzheimer – Besserung der Hirnfunktion" Weiterlesen nach Anmeldung Diabetesmedikamente bei Alzheimer – Besserung der Hirnfunktion Eine Studie der Wake Forest University untersucht erstmals Empagliflozin und intranasales Insulin bei Alzheimer-Patienten ohne Diabetes. Ergebnisse zeigen positive Effekte auf Gedächtnis, Gehirngesundheit und Durchblutung.
Mehr erfahren zu: "Klonale Hämatopoese als Auslöser für Diabetes und Adipositas?" Klonale Hämatopoese als Auslöser für Diabetes und Adipositas? Neue Forschungsergebnisse legen nahe, dass Mutationen in blutbildenden Stammzellen nicht nur Blutkrebs, sondern auch Stoffwechselerkrankungen zur Folge haben können – anders als bislang angenommen.