Diabetes-Prävention ist Demenz-Prävention

Ein gesunder Lebensstil mit bewusster Ernährung und Bewegung schützt vor Diabetes und Demenz. (Foto: © Chinnapong – stock.adobe.com)

Anlässlich des Weltdiabetestages weisen die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Hirnstiftung auf das erhöhte Demenz-Risiko von Menschen mit Diabetes hin. So können den Experten zufolge zwei Prozent aller Demenz-Fälle auf Diabetes mellitus zurückgeführt werden.

Jedes Jahr entwickeln circa 400.000 Menschen in Deutschland eine Demenz – Tendenz steigend. Dem Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e. V. (DZNE) zufogle wird die Zahl der von einer Demenz Betroffenen kontinuierlich von heute 1,8 Millionen auf bis zu 2,7 Millionen im Jahr 2050 ansteigen.1 Auch die Diabetes-Rate (Typ 2) erhöht sich rasant, bis 2050 könnte sich die Zahl der Betroffenen womöglich verdoppeln.2

Was viele nicht wissen: Zwischen beiden Erkrankungen besteht ein Zusammenhang. So haben Menschen mit Diabetes ein erhöhtes Demenz-Risiko. Im Jahr 2021 kam eine große populationsbasierte Studie aus Großbritannien3 sogar zu dem Schluss: Je früher man an einem Typ-2-Diabetes erkrankt, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, später eine Demenz zu entwickeln.

Bislang sind 14 Risikofaktoren für Demenz bekannt, die prinzipiell modifizierbar sind und durch medizinische Vorsorge und gesunde Lebensgewohnheiten zum Teil persönlich beeinflusst werden können.4 Dazu gehören unter anderem Bluthochdruck, Übergewicht, Sehstörungen, Schwerhörigkeit, Fettstoffwechselstörungen, soziale Isolation – und eben auch Diabetes mellitus.

Bei Beseitigung aller 14 Risiken wären rund 45 Prozent aller Demenz-Erkrankungen, also fast die Hälfte, vermeidbar – oder könnten zumindest deutlich hinausgezögert werden. Der alleinige Anteil des Diabetes am Demenz-Risiko wird in dieser großen Erhebung auf zwei Prozent geschätzt.4 Das bedeutet: Allein 8000 der 400.000 neuen Demenz-Fälle pro Jahr in Deutschland gehen auf das Konto von Diabetes.

„Die Prävention von Diabetes mellitus ist somit ein Investment in die eigene Hirngesundheit“, erklärt Prof. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. „Wer mit Ernährungsumstellung und viel Bewegung seinen Lebensstil gesundheitsbewusst gestaltet, um Diabetes zu vermeiden, beugt gleichzeitig anderen Erkrankungen und Faktoren vor, die eine Demenz begünstigen, wie Übergewicht, hohe Blutfettwerte oder Bluthochdruck. Der additive Effekt auf das Demenz-Risiko ist dann viel größer als nur die besagten zwei Prozent.“

Wie schädigt Diabetes das Gehirn und führt zu einer Demenz?

Diabetes kann das Gehirn auf ganz unterschiedliche Weise schädigen: (1) durch Veränderungen an den Gehirngefäßen, denn Diabetes führt zu Gefäßverkalkungen, (2) durch Beeinträchtigung des Zucker- und Insulinstoffwechsels im Gehirn und (3) durch Hypoglykämien (Unterzuckerungen) durch die Diabetestherapie. Auch ein instabiler Blutzucker-Langzeitwert HbA1c ist mit einem höheren Demenz-Risiko verbunden.5

Manche Stoffwechseleigenschaften des Diabetes schädigen das Gehirn direkt – ohne Vermittlung durch den Blutzucker: Bei Diabetes-Typ-2 wurde die Abnahme der Expression von Glukosetransportern (GLUT-1 und GLUT-3) in verschiedenen Hirnregionen beobachtet, ebenso wie eine Zunahme von Sauerstoffradikalen sowie mitochondriale Veränderungen, die im Zusammenhang mit den pathophysiologischen Veränderungen bei Demenz stehen könnten.6 Entsprechend wurden bereits moderne Antidiabetika, sogenannte SGLT2-Inhibitoren, daraufhin getestet, ob sie auch das Demenz-Risiko von Menschen mit Diabetes senken können. Eine aktuelle koreanische Studie gibt Hoffnung, denn die medikamentöse Intervention reduzierte dort das Risiko um 21 Prozent.7

Ein weiterer demenzfördernder Effekt läuft über den Insulinstoffwechsel im Gehirn, wo es zu einer Art Insulinresistenz der Hirnzellen kommen kann. Dies hat negative Auswirkungen auf die Abbauvorgänge der Eiweißstoffe. Es gibt Forschergruppen, die daher bei der Alzheimer-Demenz vom „Diabetes Typ 3“ sprechen.8

Den Fachgesellschaften zufolge hat der Zusammenhang zwischen Diabetes und Demenz auch noch eine umgekehrte Einflusskomponente: So wirkt sich eine beginnende Demenz negativ auf die Diabetesbehandlung aus, weil die Betroffenen ihre Therapie und ihre Lebensstilfaktoren schlechter handhaben können.9