Diabetes & Straßenverkehr: Aktualisierte Leitlinie räumt mit überholten Annahmen auf10. Dezember 2025 Menschen mit Diabetes können dank moderner Glukosemess- und Insulinabgabesysteme sicher am Straßenverkehr teilnehmen. Symbolbild: candy1812/stock.adobe.com Dank moderner Technologien ist Diabetes heutzutage gut behandelbar. Eine aktualisierte Leitlinie rückt Sicherheit im Straßenverkehr und berufliche Teilhabe bei Menschen mit Diabetes in den Mittelpunkt. Der Appell: Gesetze und Vorschriften an den medizinischen Fortschritt anpassen. Seit der ersten Leitlinienfassung aus dem Jahr 2017 hat sich die Diabetesbehandlung spürbar weiterentwickelt. Viele Menschen mit Typ-2-Diabetes erhalten heute Medikamente, die keine Unterzuckerungen auslösen. Bei insulinpflichtigen Menschen kommen zunehmend Systeme zum Einsatz, die den Glukoseverlauf kontinuierlich anzeigen (CGM) oder die Insulinabgabe automatisiert anpassen (AID-Systeme). Warnsignale machen kritische Werte früh sichtbar. „Diese Fortschritte haben die Stoffwechselkontrolle grundlegend verändert“, erklärt Mitautor der Leitlinie, Dr. Friedrich W. Petry. Eine Unterzuckerung bleibe zwar das größte Risiko im Straßenverkehr. Doch die Zahl solcher Ereignisse sei durch moderne Technik und Schulungen deutlich gesunken. Der Diabetologe am Medicum Wetzlar betont, dass das Risiko von Autounfällen bei Menschen mit Diabetes nur leicht erhöht sei, vor allem im Vergleich zu anderen Erkrankungen, die das Unfallrisiko wesentlich stärker steigern – wie ADHS oder obstruktive Schlafapnoe (OSAS). Die Leitlinie empfiehlt klare Regeln für den Alltag von Menschen mit Diabetes im Straßenverkehr: Vor Fahrtantritt sollen Betroffene ihren Glukosewert prüfen und nur starten, wenn er ausreichend hoch ist. Menschen mit kontinuierlicher Glukosemessung sollen die Warnfunktionen aktiviert haben und auf Trendpfeile achten. Bei kritischen Werten sollen sie die Fahrt unterbrechen und ihren Glukosewert stabilisieren. Leitlinie fordert Neubewertung beruflicher Vorgaben Neben der Fahrsicherheit rückt durch die Leitlinie die berufliche Teilhabe in den Mittelpunkt. Viele Vorschriften, die Menschen mit Diabetes vom Zugang zu bestimmten Tätigkeiten – wie bei der Polizei, der Feuerwehr oder im Flug- oder Schifffahrtsverkehr – ausschließen, basieren nach Angaben des Ausschusses „Soziales“ der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) auf überholten Einschätzungen. Die Fortschritte in Therapie und Technik werden dort bislang kaum berücksichtigt. „Viele berufsbezogene Vorgaben stammen aus einer Zeit, in der Glukosemessungen nur wenige Momentaufnahmen lieferten“, so Dr. Wolfgang Wagener, Koordinator der Leitlinie und Vorsitzender des DDG Ausschusses „Soziales“. Heute ermögliche die moderne Diabetologie ein hohes Maß an Kontrolle, Steuerung und Sicherheit im Arbeitsalltag. Pauschale Ausschlüsse allein aufgrund der Diagnose seien medizinisch nicht mehr gerechtfertigt und daher diskriminierend. Wagener fordert, alle berufsrechtlichen Vorgaben und Regelwerke zu überprüfen und an den aktuellen Stand anzupassen. „Dies ist auch aus volkswirtschaftlichen Gründen sinnvoll. Wir können es uns nicht erlauben, auf motivierte und einsatzfähige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu verzichten“, gibt Wagener zu bedenken. Die Leitlinie sieht deshalb vor, individuelle Risiken und Kompensationsmöglichkeiten stärker zu berücksichtigen. Dazu gehören Therapieform, Erfahrung im Umgang mit der Erkrankung, Nutzung von Warnsystemen und regelmäßige Schulungen. Erfahrungsbericht zeigt: leistungsfähig trotz Diabetes Wie moderne Behandlung berufliche Chancen erweitert, zeigt Jens Wicklein, Zollbeamter mit Typ-1-Diabetes und seit vielen Jahren in sicherheitsrelevanten Tätigkeiten aktiv. Er fährt Lkw und Bus, arbeitet im waffentragenden Ermittlungsdienst und engagiert sich seit vielen Jahren in Feuerwehr, Katastrophenschutz und Rettungsdienst. „Ich lebe seit meinem 14. Lebensjahr mit Typ-1-Diabetes. Mit Disziplin, Verantwortung und moderner Technik kann ich meinen Alltag sicher gestalten – auch in Tätigkeitsbereichen, die hohe Konzentration verlangen“, sagt Wicklein. Moderne Sensoren und Pumpen machten möglich, was früher ausgeschlossen war: „Vor einigen Jahrzehnten wäre vieles, was ich heute mache, kaum denkbar gewesen. Warnsysteme geben mir ein hohes Maß an Sicherheit.“ Gegen Vorurteile setzt er ein klares Signal: „Einige Vorstellungen von Diabetes stammen aus einer Zeit, in der die Behandlung unzuverlässiger war. Heute zeigen mein Alltag und der vieler anderer, dass Diabetes kein Ausschlusskriterium mehr sein darf.“ Konkrete Empfehlungen für mehr Sicherheit und Teilhabe Die Leitlinie fasst erstmals alle aktuellen Handlungsempfehlungen zusammen. Sie richtet sich an Menschen mit Diabetes, behandelnde Teams sowie Behörden und Gutachterinnen und Gutachter. Ziel ist es, eine verlässliche Grundlage für Beratung, Begutachtung, Bewertung und politische Entscheidungen zu schaffen. Demnächst wird es auch eine Patientenleitlinie geben, die sich ausschließlich an Betroffene richtet. Petry betont: „Erhöhte Glukosewerte allein führen nicht zu einer eingeschränkten Fahreignung. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob Konzentration, Aufmerksamkeit oder Sehen beeinträchtigt sind.“ Die moderne Diabetologie könne viele Risiken ausgleichen. Kompensation ist vielfach möglich. Deshalb dürften Menschen mit Diabetes nicht pauschal von besonderen Tätigkeiten ausgeschlossen werden. DDG appelliert an Politik und Behörden Die DDG sieht die aktualisierte Leitlinie als Impuls, bestehende Gesetze und insbesondere berufsbezogene Vorschriften an den medizinischen Fortschritt anzupassen. Der Ausschuss „Diabetes und Soziales“ der DDG setzt sich dafür ein, dass Menschen mit Diabetes nicht aufgrund ihrer Diagnose benachteiligt werden. „Es ist Zeit, alte Regeln zu überdenken“, sagt Wagener. Moderne Therapie und Technik ermöglichten eine stabile Stoffwechsellage und damit ein hohes Maß an Sicherheit im Straßenverkehr und im Beruf – trotz Diabetes. Die Leitlinie solle dazu beitragen, Menschen mit Diabetes neue Perspektiven zu eröffnen.
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