Diabetische Nierenkrankheit: Ursache und möglicher Therapieansatz identifiziert

Für die Studie analysierten die Forscher klinische Werte, Nieren-Biopsien sowie Urinproben. Copyright: Colourbox

Forschende der Universitätsmedizin Leipzig haben einen neuen Mechanismus entschlüsselt, der eine zentrale Rolle in der Entwicklung der diabetesbedingten Nierenkrankheit spielt.

Das Team konnte einen Signalmechanismus identifizieren, der die Schädigung der Nierenzellen verursacht. Daran beteiligt ist der Gerinnungsfaktor FXII (F12), auch Hageman-Faktor genannt. „Dieser wird bei erhöhtem Blutzucker vermehrt im Körper gebildet”, erläutert Ahmed Elwakiel, Erstautor der Studie und Wissenschaftler an der Universitätsmedizin Leipzig. Die Ergebnisse ihrer Studie veröffentlichten die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Nature Communications“.

Unabhängig von seiner normalen Funktion in der Blutgerinnung entfaltet FXII an den tubulären Epithelzellen der Nieren eine andere Wirkung: Über einen Rezeptormechanismus bildet er mit zwei weiteren Proteinen, die unterschiedliche Funktionen im Körper haben, einen Komplex, der wie ein molekularer An-Aus-Schalter funktioniert. Dieser gibt das Signal, vermehrt freie Sauerstoff-Radikale zu bilden. Oxidativer Stress und DNA-Schädigung der Zelle sind das Ergebnis. „Anders als normalerweise in der Zellkommunikation bleibt der Schalter jedoch an, es gibt keine Pause”, so Elwakiel. Auf Dauer kann der kontinuierlich zunehmende Schaden weder aufgefangen noch repariert werden. Die Niere funktioniert dann nicht mehr richtig. Mit der Zeit verschlimmert sich das Problem.

Gerinnungsfaktor als diagnostischer Marker geeignet

„In unserer Studie zeigen wir, dass FXII auch im Urin von Diabetes-Patientinnen und -Patienten mit Nierenkrankheit nachweisbar ist”, erläutert Prof. Berend Isermann, Senior-Autor der Publikation. „Dabei korreliert die FXII-Konzentration mit der Schwere der Erkrankung: umso höher der Wert, desto mehr ist die Niere bereits geschädigt. Daher eignet sich der Wert als diagnostischer Marker”, fügt er hinzu. Bereits im Anfangsstadium sei FXII nachweisbar und somit auch ein wichtiger Indikator für die Erfolgsaussichten einer Behandlung.

Für das Vorkommen von FXII im menschlichen Organismus und sein Zusammenspiel mit der Diabetes-Erkrankung analysierten die Forscher klinische Werte, Nieren-Biopsien sowie Urinproben mehrerer menschlicher Kohorten: darunter aus der LIFE Adult-Studie der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig sowie der HEIST-DiC-Kohorte der Universität Heidelberg.

Möglicher Therapie-Ansatz

Auch im Mausmodell zeigte sich der Zusammenhang zwischen FXII und der Beeinträchtigung der Nierenfunktion deutlich: Hierfür verglichen die Wissenschaftler die Nierenfunktion von diabetischen Mäusen, die FXII bildeten, mit Mäusen, in denen sie die Herstellung von FXII vorübergehend blockiert hatten. „Die Nierenfunktion der Mäuse, die FXII bildeten, war deutlich schlechter”, erklärt Elwakiel. Auch eine Hemmung der FXII-Herstellung nach Nierenschädigung konnte die Nierenfunktion weitgehend verbessern. Somit könnte der von den Wissenschaftlern entdeckte Ansatz auch bei bereits etabliertem Nierenschaden einen heilenden Effekt haben. „Eine weitere Herangehensweise ist, die Bildung des gesamten signalauslösenden Komplexes zu verhindern”, ergänzt er. In in-vitro-Zellexperimenten konnte der Mechanismus so gestoppt werden.

Negative Nebenwirkungen auf die Blutgerinnung durch die Hemmung von FXII seien nicht zu erwarten, so die Autoren der Studie. „Der Organismus verfügt über verschiedene Blutgerinnungsfaktoren, er braucht FXII nicht unbedingt. Aus anderen Studien wissen wir, dass seine Hemmung keine verstärkten Blutungen zur Folge hat”, betont Elwakiel abschließend.