Die Babesiose des Hundes – Vorbeugen ist besser als Heilen: Interview mit Prof. Barbara Kohn23. September 2022 Prof. Barbara Kohn Foto: © Klinik für kleine Haustiere, Freie Universität Berlin Prof. Barbara Kohn ist Direktorin der Klinik für kleine Haustiere an der FU Berlin. Sie hat Veterinärmedizin in München studiert, war Assistentin am Tierspital der Universität Zürich, Schweiz, und absolvierte ein Postdoctoral Research Fellowship an der Universität von Pennsylvania in Philadelphia, USA. Sie ist Diplomate des European College of Veterinary Internal Medicine, Fachtierärztin für Kleintiere und für Innere Medizin. Kohn ist Mitherausgeberin zweier Standardwerke: „Praktikum der Hundeklinik“ und „Krankheiten der Katze“. Sie ist eine international gefragte Referentin, Reviewerin und Autorin zahlreicher Publikationen. Das Interview, das in Kompakt VetMed 04/2022 erschienen ist, führte Tierärztin Sigrun Grombacher. Frau Prof. Kohn, wie würden Sie die Babesiose des Hundes beschreiben? Kohn: Es ist eine schwere Infektionskrankheit des Hundes, die durch Vektoren übertragen wird, und deswegen die Komplexität von Patient, Umwelt und Tierarzt zusammenführt. Man muss also nicht nur den Hund betrachten, sondern tatsächlich auch die Ökologie, sowie die Vektorzecke Dermacentor reticulatus, die Bunt- oder Wiesenzecke, die irreführenderweise auch unter dem Namen „Auwaldzecke“ bekannt ist. In Deutschland wurden kürzlich hohe Fallzahlen von an Babesiose erkrankten Hunden bei uns im Gebiet Berlin/Brandenburg, und auch um die 80 Fälle im Rhein-Main-Gebiet erhoben (Seifert S et al. 2022), wobei die Fälle der Hofheimer Kollegen nicht alle nachweislich autochthon waren und nur bei 14 Hunden eine Sequenzierung zum Nachweis der verschiedenen Babesienspezies durchgeführt wurde. Es gibt jedoch über das Bundesgebiet verteilt sicherlich weitere Fälle. Welches sind die relevantesten Babesienarten für den Hund in Europa? Kohn: Die für den Hund in Europa relevanten Babesien sind: Die großen B. canis und B. vogeli sowie die kleinen B. gibsoni und eine Gruppe kleiner Babesien, bei denen sich der Name „B. vulpes“ durchgesetzt hat. Die großen Babesien sind diejenigen, mit denen wir es bei den klinischen Fällen bei uns häufig zu tun haben. Und das Vorkommen des Erregers hängt eng mit dem Vorkommen der übertragenden Zecke zusammen, also ob diese in der Natur überleben, sich vermehren und sich etablieren kann. Die gut an ihrem ornamentierten Rückenschild erkennbare Buntzecke D. reticulatus, die B. canis auf Hunde überträgt und das Virus der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) auf Menschen – FSME-Fälle bei Hunden sind bisher nur wenige nachgewiesen, breitet sich in Deutschland immer weiter aus. Das betrifft auch die angrenzenden Länder, insbesondere Österreich. Bei B. gibsoni, deren Vektor Rhipicephalus sanguineus ist, sehen wir Einzelfälle bei Importtieren. Betroffene Hunde, die wir in der Klinik hatten, kamen durchweg aus Südostasien. R. sanguineus kommen bei uns in der Natur nicht vor, aber sie können sich z. B. in Zwingern oder Häusern etablieren und dann zu einem Problem werden. Wie sieht die Situation in Deutschland aus? Kohn: In Deutschland hat D. reticulatus die größte Bedeutung als Überträgerzecke der Babesiose auf den Hund und B. canis ist die Babesienspezies, die das Hauptproblem darstellt. Wenn wir Importtiere, gerade aus dem Mittelmeergebiet bekommen, dann könnten diese Hunde auch einen positiven B.-vogeli-Titer haben. Mittels Titer kann man jedoch nicht auf die Spezies schließen. Für epidemiologische Untersuchungen benötigt man eine Sequenzierung und Genotypisierung. Für die Therapie ist das nicht nötig. Babesien im Blutausstrich eines Hundes Foto: © Klinik für kleine Haustiere, Freie Universität Berlin Ist ein Hund klinisch an Babesiose durch eine „große“ Babesienart, also in der Regel B. canis bei uns, erkrankt und diese lässt sich im Ausstrich nachweisen, sollte unverzüglich die Therapie mit Imidocarb eingeleitet werden. Ist der Blutausstrich negativ und die allgemeine Piroplasmen-PCR positiv, so ist immer eine Speziesbestimmung nötig, da auch in Deutschland Einzelfälle mit B.-vulpes-Befall beschrieben sind. Zu den kleinen Babesien ist zu sagen: Nicht alle Hunde erkranken klinisch an B. gibsoni, es kommen auch subklinische Fälle vor. Wir haben dann lediglich positive Titer oder finden die Erreger in Routineausstrichen. Liegt eine klinische Infektion mit B. gibsoni vor, ist diese schlechter zu therapieren. Man kann z.B. eine Kombinationstherapie aus Azithromycin und Atovaquon versuchen, die Erreger-Eliminierung ist jedoch schwierig. Wann ist der jahreszeitliche Erkrankungshöhepunkt von B.-canis-Fällen in Deutschland? Kohn: Der Erkrankungshöhepunkt hängt sehr deutlich mit der Vektoraktivität zusammen und damit auch der Saisonalität des Zeckenbefalls beim Hund. Eine Studie von uns (Beck et al. 2014), in der wir Zecken direkt von Hunden abgelesen haben, belegt, wie einige weitere Studien auch, einen kleinen Peak in Februar-März-April und einen Hauptpeak in den Monaten August-September-Oktober-November als Hauptaktivitätszeiten der Dermacentorzecken. Entsprechend die akuten Erkrankungsfälle: einige im Frühjahr/Anfang des Sommers und dann viele ab etwa September/Oktober bis in den Winter hinein, z.T. sogar bis in den Januar. Die Dermacentorzecken sind bei 4 °C schon aktiv. Wir hatten in der Klinik häufig schon Hunde, die im Januar/Februar voller Zecken waren, da keine Zeckenprophylaxe durchgeführt wurde. In Gebieten, in denen D. reticulatus vorkommt, ist ein ganzjähriger Zeckenschutz unbedingt anzuraten. Ab welcher Verweildauer auf dem Hund muss davon ausgegangen werden, dass eine Übertragung von B. canis erfolgt sein könnte? Kohn: Nach einem Zeitraum von 2–3 Tagen. Durch die Blutmahlzeit beginnt der Erreger in die Speicheldrüsen der Zecke zu wandern, was eine gewisse Zeit dauert. Es gibt theoretisch jedoch die Besonderheit des „interrupted feeding“, das in einer Studie beschrieben wurde (Varloud et al. 2018). Die Kollegen berichten von einer möglichen Übertragung durch männliche Dermacentorzecken bei Wirtswechsel innerhalb von 8 Stunden. Es wurde gezeigt, dass gerade männliche Dermacentorzecken sehr aktiv sind und durchaus auch mal einen Wirtswechsel vornehmen, sie lassen sich abfallen, obwohl sie bereits angefangen haben zu saugen, und befallen dann den nächsten Wirt. Inwieweit dies klinisch eine Rolle spielt, ist unklar. Wie stellt sich das klinische Bild der Babesiose beim Hund dar? Kohn: Das sind zum Teil unspezifische Symptome einer Infektionserkrankung. Mattigkeit und Schwäche zeigen alle Hunde. Manche haben Fieber (39,2-40,8 °C), aber tatsächlich nicht alle. Und leider ist es kein gutes Zeichen, wenn kein Fieber vorliegt, denn Fieber bedeutet ja noch aktive Abwehr. Gerade die, die kein Fieber haben, sondern eher Untertemperatur, können schon eine beginnende Hypotension/Hypoperfusion aufweisen. Blasse Maulschleimhäute können Zeichen einer Anämie sein, sie können aber auch durch andere Ursachen bedingt sein, wie etwa einen kardiogenen Schock. Foto: © Klinik für kleine Haustiere, Freie Universität Berlin Dann ist bereits der Blutdruck abgefallen und die Gewebe sind schlechter durchblutet. Manche Hunde, bei uns waren das ca. 50% der Fälle, haben auch roten oder bräunlichen Urin als Zeichen einer Hämoglobinurie, was ein Signalzeichen für eine Hämolyse ist. Die Hunde hören auf zu fressen und bekommen blasse, manchmal auch gelbliche Schleimhäute. Eine schwere hämolytische Anämie wird meist durch eine Immun- oder eine Infektionserkrankung verursacht. Während es bis vor einigen Jahren primär immunhämolytische Anämien waren, so ist die Babesiose in unserer Region inzwischen weit oben auf der Liste der Differenzialdiagnosen. Von unseren publizierten 46 Patienten waren 39 anämisch bei Vorstellung, aber eine hochgradige Anämie mit sehr blassen Schleimhäuten lag nur bei 3 Hunden vor. Bis sich diese einstellt, dauert es etwas. Eine Blutuntersuchung sollte demnach sofort eingeleitet werden … Kohn: Ja, unverzüglich, ohne Blutuntersuchung ist eine sichere Diagnose unmöglich. Bei den Akutfällen von B. canis hat man sehr oft eine Kombination aus Hämatokriterniedrigung (bei 89% initial) und vor allem einer Thrombozytopenie, diese lag bei allen unseren Patienten vor (100%) und reichte von gering bis hochgradig. Eine Bizytopenie tritt recht häufig auf, bei uns bei 27/46 Hunden. Auch haben wir eine Leukopenie häufiger gesehen als eine Leukozytose. So kommt es auch nicht selten zu einer Panzytopenie (19/46 Hunden). Der Coombs Test war nur bei sehr wenigen Patienten positiv … Wie steht es um seine diagnostische Relevanz? Kohn: Den Coombs Test leiten wir sehr oft ein und traditionell in der Immunologie der TiHo Hannover. Er war nur bei 3 Patienten positiv. Sowohl der Coombs Test als auch der Test auf thrombozytengebundene Antikörper sind diagnostisch bei der Babesiose nicht relevant. Wir machen diese Tests, um mehr über die Pathophysiologie zu lernen. Wenn die Hunde nicht auf die eingeschlagene Therapie angesprochen oder aufgrund ausgeprägter Thrombozytopenie stark geblutet hätten, dann hätten wir uns überlegt, auch einmal kurzzeitig Glucocorticoide zu geben. Ein Hund entwickelte eine sekundäre Immunhämolyse – aber das war tatsächlich erst im Verlauf. Das Tier, ein Malamute, war schon wieder zuhause, die Besitzer kamen zur Kontrolle, und der Hämatokrit fiel wieder ab. Der Hund hatte Anzeichen für eine Immunhämolyse und zu diesem Zeitpunkt einen positiven Coombs Test. Wir gehen davon aus, dass das möglicherweise sekundär zur Babesieninfektion aufgetreten ist. Welchen Wert hat das C-reaktive Protein (CRP) für die Verlaufsbeobachtung? Kohn: Wir bestimmen das CRP immer in unserem Routinelabor, es stellt bei zahlreichen Erkrankungen einen wichtigen Standardparameter dar. Es ist ein major Akute-Phase-Protein beim Hund, das bei Entzündungen sehr schnell ansteigt, und hat seinen Wert insbesondere bei Kontrolluntersuchungen – schlägt die Therapie an, sinkt der CRP-Wert ab. Das war auch bei den Babesiosefällen so. Man sollte den Wert initial bestimmen, um den Therapieerfolg oder mögliche Rückfälle objektiver beurteilen zu können. Wir haben gerade eine Publikation eingereicht „Polyarthritis beim Hund“. Bei rheumatoiden Erkrankungen beim Menschen misst man immer das CRP. Auch beim Hund kann man es gut nutzen, es ist ein früher Marker für ein Rezidiv oder eine wieder aufflammende Entzündung. Ein sehr nützlicher Marker, der nicht glucocorticoidabhängig ist. Bei der Gabe von Glucocorticoiden kann es ja zur Leukozytose kommen, aber das CRP steigt durch Glucocorticoide nicht an und gerade bei Erkrankungen, die mit Glucocorticoiden behandelt werden, wie etwa der immunbedingten Polyarthritis, kann man die Leukozyten nicht gebrauchen zur Beurteilung des Therapieerfolges – das CRP aber sehr wohl. Hofheimer Kollegen haben 81 Fälle mit Babesiose beschrieben, die zwischen Oktober 2018 und Dezember 2020 in der Tierklinik vorgestellt wurden. Sie haben 49 autochthone Babesiosefälle in Berlin/Brandenburg behandelt … Kohn: Das sind mittlerweile noch mehr, denn wir haben im Dezember 2021 aufgehört, Fälle für unsere Studie auszuwerten. Wir haben in der Zwischenzeit 12 weitere Fälle diagnostiziert. Leider hatten wir auch einige Fälle von Hunden aus der Ukraine mit Babesien. Bei unseren Patienten lag bei keinem eine Co-Infektion mit Anaplasmen vor. Aber das war auch nicht verwunderlich, da diese Erreger von Ixodes ricinus, dem Gemeinen Holzbock, übertragen werden. Von 43 Hunden hatten 32, also 75% keinen oder nur einen unzureichenden Zeckenschutz. Und einige Hundebesitzer gingen fälschlicherweise bei einer erfolgten Impfung gegen Borrelien davon aus, dass es sich um eine Zeckenimpfung handelt. Neben Anaplasmose, Borreliose und Babesiose kann bei Hunden wie bereits erwähnt ebenfalls die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) als Vektor-übertragene Erkrankung auftreten, wenn auch sehr selten bisher nachgewiesen. Je nach geografischer Lage in Deutschland können sich Hunde über Zeckenbisse mit verschiedenen Erregern infizieren, z. B. auch Hepatozoen und Rickettsien. Die Bedeutung ist bei einigen Erregern bisher nicht geklärt. Wenn man den Hund ins Ausland mitnimmt, sind je nach Reiseziel noch viel mehr Erreger zu bedenken. Die Fälle scheinen alle recht kritisch gewesen zu sein. Allein bei 35 von 46 Patienten stand die disseminierte intravasale Koagulopathie (DIC) mit auf der Problemliste … Kohn: Das waren alles durchweg Intensivpatienten und auch tagelang intensivmedizinisch zu betreuen, 7 von 46 Patienten haben letztlich nicht überlebt. Einen bedeutenden Faktor im Krankheitsgeschehen stellt das akute Nierenversagen dar. Eine Studie aus Österreich hat gezeigt: Nierenbeteiligung oder Nierenversagen ist assoziiert mit einem schlechten Outcome. Die Nieren sind sehr häufig betroffen bei der Babesiose, aber auch Bauchspeicheldrüse, Herzmuskel, Leber, Gehirn können betroffen sein. Die Pathogenese ist recht komplex. Das hat mit den Parasitenproteasen zu tun: Es kommt zur Aktivierung des Kallikrein-Kinin-Systems und zur Erhöhung der Kapillarpermeabilität. Durch die Hämoglobinurie aufgrund der Hämolyse können die Nieren noch zusätzlich geschädigt werden. Die Pathophysiologie der Erkrankung beinhaltet unter anderem eine Hypotension und Hypoxie der Organe. Bei ernsthaften Infektionserkrankungen sieht man öfter, dass verschiedene Organe wie die Bauchspeicheldrüse oder der Herzmuskel mitreagieren können – das war auch bei unseren Leptospirosestudien so. Auch haben wir bei Babesiosehunden ein erhöhtes Troponin gesehen und bei einigen wenigen Patienten auch Herzrhythmusstörungen. Bei der Therapie ist neben der Verabreichung des Imidocarbs die Infusionstherapie ganz zentral, oder? Kohn: Ja, absolut. Wir infundieren mit einer bilanzierten kristalloiden Lösung in der entsprechend für den Einzelfall berechneten Menge – immer unter Berücksichtigung der Nierenfunktion. Gerade, wenn ein Patient mit hohen Nierenwerten kommt, ist eine Überprüfung der Nierenfunktion unabdingbar. Wenn das Problem prärenal ist, werden sich die Nierenwerte bei adäquater Infusionstherapie sehr schnell normalisieren, wenn es jedoch renal bedingt ist, dürfen wir die Hunde natürlich nicht überinfundieren und müssen die Infusionsrate an die Urinmenge anpassen. Das wird für jeden Hund individuell berechnet. Zu den Verlusten ist zu sagen: Diese sind eher gering, denn die Babesiosepatienten neigen nicht zu schwerem Durchfall oder Erbrechen. Etwas anders sieht es aus, wenn die Hunde im hypotensiven Schock kommen. Dann stehen immer die Stabilisierung des Patienten und die Behandlung des Schocks im Vordergrund, damit die Durchblutung sichergestellt wird. Neben der Einschätzung der Nieren- ist auch die Herzfunktion relevant in Bezug auf die Infusionsmengen. Fallen die beschriebenen Arrhythmien beim sorgfältigen Auskultieren auf – kann man die gut „hören“? Kohn: Ja, diese kann man feststellen und ebenso ein Pulsdefizit. Bei Verdacht wurde zusätzlich natürlich ein EKG geschrieben. Generell ist es notwendig, diese schwerkranken Patienten mehrfach täglich gründlich zu untersuchen. Bei uns wurden Intensivprotokolle mehrmals täglich – angepasst an den Zustand des Patienten – in der Regel alle 4 Stunden, bei Besserung dann in größeren Abständen erstellt. Es gehören immer dazu: Temperatur, Puls, Atmung, Blutdruck, Urinproduktion und Auskultation. Wann bestimmen Sie das U P/C zur Kontrolle der Nierenfunktion? Kohn: Das U P/C bestimmen wir meist initial und auch im Verlauf, dies sagt uns dann etwas über einen potenziellen Folgeschaden. Hämoglobinurie Foto: © Klinik für kleine Haustiere, Freie Universität Berlin Bei Hämoglobinurie ist das U P/C jedoch aufgrund der präglomerulären Proteinurie nicht aussagekräftig. Ein paar Hunde erholten sich nicht mehr, sie haben höchstwahrscheinlich aufgrund der Babesiose einen Nierenschaden erlitten. Es stellt sich hier die Frage, ob einzelne Patienten schon vorher nierenkrank waren, was wir im Einzelfall natürlich nicht wissen. Auch Milzveränderungen traten bei Ihren Patienten auf … Kohn: Zwei Hunde waren splenektomiert, was eine Prädisposition für eine Babesieninfektion darstellen kann. Einige Hunde wiesen einen Milzinfarkt auf. Wir machen initial bei allen Patienten Ultraschalluntersuchungen. So wissen wir natürlich auch bei diesem Patientenklientel, wie die Milz initial aussah. Wir haben die Milz erneut geschallt und haben dann tatsächlich gesehen, dass sich im Verlauf bei wenigen Hunden Milzveränderungen entwickelt haben – das kann mit thrombotischen Ereignissen zu tun haben – und beide Tiere mussten nicht splenektomiert werden. Bei einem Hund war ein Drittel der Milz betroffen. Diesen Hund haben wir etwa alle 2–3 Tage geschallt. Es war ein amerikanisch-kanadischer weißer Schäferhund einer Kollegin, Augenärztin, die Compliance war da natürlich sehr gut. Das ist eine Komplikation, die so tatsächlich nicht beschrieben ist. Bei Menschen mit B. microti gibt es wohl Einzelfälle mit Milzinfarkten. Zur Therapie: Wie sind Ihre Erfahrungen mit Imidocarb? Kohn: Es ist erstaunlich, dass seit ich praktiziere seit den 90er Jahren, nur dieses Medikament zur Therapie zur Verfügung steht. Und es handelt sich ja durchaus um ein für den Hund belastendes Medikament: Zum einen ist die Injektion sehr schmerzhaft, zum anderen hat das Medikament gewisse Nebenwirkungen, wie etwa für die Nieren. Sehr wichtig ist es, dehydratisierte Patienten zuerst zu rehydratisieren bevor das Imidocarb verabreicht wird, sonst verursacht man quasi iatrogen einen Nierenschaden. Wir haben unseren Patienten Imidocarb in Dosierungen von 2,4–6,3 mg/kg (Median 5, Durchschnitt 4,9) verabreicht. Die Standard-Dosierung beträgt etwa 6mg/kg, bei erhöhten Nierenwerten weniger. Die meisten Hunde (35) haben 2 Injektionen erhalten, 1 Injektion wurde bei 8 Hunden verabreicht und 3, 4 und 5 Injektionen jeweils bei 1 Hund. Etwa 2 Wochen und 2 Monate nach Therapieende sollten PCR-Kontrollen durchgeführt werden, um ein mögliches Wiederaufflammen der Infektion frühzeitig zu erkennen. Zu welchen prophylaktischen Maßnahmen raten Sie? Kohn: In Deutschland sind insbesondere 2 Wirkstoffgruppen verfügbar zum Schutz vor Zecken: die Permethrin-Produkte und die Isoxazoline. Die Präparate beider Gruppen sind wirksam gegen Zecken in einer angemessenen Zeit. Man weiß, dass Hunde unterschiedlich gut auf diese Produkte ansprechen. Das mag auch etwas mit der Länge des Fells zu tun haben und wie häufig ein Hund schwimmt etc.. Falls ein Hund trotz eines Antiparasitikums Zecken hat, sollte man demnach ein anderes ausprobieren, da individuelle Unterschiede bestehen. Dann gibt es laut Besitzer auch Hunde, die gar keine Zecken haben, die sind einfach nicht attraktiv für Zecken. Auf welche Erreger screenen Sie Blutspenderhunde? Kohn: Immer zum Zeitpunkt der Blutabnahme schicken wir eine EDTA-Blutprobe weg für eine PCR-Untersuchung auf Anaplasmen und Babesien. Die Proben ergaben Einzelfälle von Anaplasmen in den letzten 10 Jahren, das waren 2,7% (Chirek et al. 2017). Aber wir hatten noch keinen positiven Babesienfall und haben jetzt schon weit mehr als 100 Proben getestet. Natürlich stellt sich die Frage, wie hoch die Dunkelziffer im Sinne von subklinischen Infektionen in unserer Region ist, das wissen wir nicht. Es gibt einen Bericht aus Österreich, in dem Militärhunde untersucht wurden. Es wurde herausgefunden, dass es B. canis-positive Hunde gibt, die sich zumindest für den Besitzer nicht als krank präsentierten (Sonnberger B W et al. 2021, s. Kompakt VetMed 05/2021). Ob diese jedoch Blutbildveränderungen hatten oder nicht, das wurde nicht untersucht. Besteht ein Schutz durch eine vorangegangene Infektion? Kohn: Bei B. canis ist eine Reinfektion nach 6 Monaten möglich, insofern ist nicht von einer langfristigen Immunität auszugehen. Ein Fallbericht aus Spanien von Mai 2022 über eine tödliche Infektion einer 6 Monate alten Katze mit B. canis verdeutlicht, dass auch bei Katzen klinische Fälle auftreten können. (Remesar S et al. 2022, s.Kompakt VetMed 03/2022). Demnach sollten auch sie vor einer Babesienübertragung durch Zecken geschützt werden. Allerdings mit für diese Tierart verträglichen Antiparasitika. Permethrin-haltige Produkte, die häufig bei Hunden eingesetzt werden, sind für Katzen hochtoxisch. Liebe Frau Prof. Kohn, herzlichen Dank für das Gespräch.
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