Die eingeschränkte intraoperative Gabe von Opioiden führt zu mehr postoperativen Schmerzen und erhöhtem Opioidbedarf

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Eine aktuelle US-amerikanische Analyse in der Fachzeitschrift „JAMA Surgery“ deutet darauf hin, dass eine übermäßige Einschränkung der Verwendung von Opioiden bei Operationen möglicherweise mehr schadet als nützt.

Aufgrund der grassierenden Opioidkrise wird besonders in den USA immer öfter auf opioidfreie oder opioidsparende Modalitäten der perioperativen Schmerzbehandlung zurückgegriffen. Dass dies nicht unbedingt zum Vorteil der Patientinnen und Patienten ist, zeigen Forschende des Massachusetts General Hospital (MGH) und der Harvard Medical School in Boston (USA) anhand einer aktuellen Datenerhebung mit 61.249 Erwachsenen, die sich zwischen April 2016 und März 2020 im MGH einer nichtkardialen Operation unter Vollnarkose unterzogen. Ziel der Studie war es, den Zusammenhang zwischen intraoperativem Einsatz der Opioide Fentanyl und Hydromorophon und postoperativen Schmerzen und Opioidbedarf zu charakterisieren – sowohl direkt nach der Operation (primärer Endpunkt) als auch in den folgenden Wochen und Monaten.

Im Ergebnis zeigte sich, dass Patientinnen und Patienten, die während der Operation mehr Fentanyl und Hydromorophon verabreicht bekamen, im Aufwachraum seltener Schmerzen aufwiesen und weniger Opioide benötigten. Bei jenen, die höhere Mengen an Fentanyl erhalten hatten, war die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie unter unkontrollierte Schmerzen litten oder dass innerhalb von drei Monaten nach der Operation neue chronische Schmerzen diagnostiziert wurden. Zudem stellte die Forschungsgruppe fest, dass diesen 30, 90 und 180 Tage nach der Operation weniger Opioide verschrieben wurden und dass sie seltener einen neuen dauerhaften Opioidkonsum entwickelten – und das ohne Zunahme der unerwünschten Wirkungen.

„Unsere Analyse berücksichtigt viele Faktoren, die die Entscheidung zur intraoperativen Verabreichung von Opioiden beeinflussen könnten, und berücksichtigt die bekannten Eigenschaften der Medikamente. Daher sind wir zuversichtlich, dass die Opioidexposition während der Operation für dieses Ergebnis verantwortlich ist“, sagt der Mitautor der Studie, Dr. Ran Liu, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung für Anästhesie, Intensivpflege und Schmerzmedizin am MGH.

Die Ergebnisse weisen darauf hin, wie wichtig es ist, dass frisch Operierte nicht mit Schmerzen aus der Vollnarkose erwachen – nicht nur für ihr kurzfristiges Wohlbefinden, sondern auch zum Schutz vor anhaltenden Schmerzen und der Notwendigkeit eines längeren Opioidkonsums.

„Die Opioidkrise ist eine wichtige Motivation, die Risiken des Opioidgebrauchs zu mindern“, fügt die Erstautorin und Anästhesistin Laura A. Santa Cruz Mercado an. „Eine angemessene Verabreichung von Opioiden im Operationssaal kann jedoch den Gesamtverbrauch an Opioiden nach der Operation verringern.“

Mitautor Patrick L. Purdon, außerordentlicher Professor für Anästhesie an der Harvard Medical School, weist darauf hin, dass weitere Forschungsarbeiten erforderlich seien, um den Operationsteams eine klarere Anleitung zu geben. „Wir müssen neue Technologien entwickeln, die Anästhesisten dabei helfen, die Opioidverabreichung im Operationssaal auf personalisierte Weise zu titrieren und zu optimieren“, sagt er. „Aber diese Daten zeigen uns, dass solche Bemühungen langfristig von großem Nutzen sein könnten.“ 

(ah)