Die Lunge – ein häufiger Nebenschauplatz des Rheumas1. September 2022 Foto: Peakstock – stock.adobe.com Bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen kommt es oft zu einer interstitiellen Lungenerkrankung, in deren Verlauf das Lungengewebe zunehmend vernarben und an Funktion verlieren kann. Welche Fortschritte es in der Diagnose und Therapie dieser für die Patienten sehr belastenden und mit einer erhöhten Sterblichkeit verbundenen Erkrankung gibt, ist ein Thema auf dem Deutschen Rheumatologiekongress 2022. Das Risiko dafür, dass das Krankheitsgeschehen auf die Lunge übergreift, ist nicht bei allen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen gleich hoch. Besonders häufig tritt die kurz als ILD bezeichnete interstitielle Lungenerkrankung bei der systemischen Sklerose, der Rheumatoiden Arthritis (RA), dem Sjögren-Syndrom und den hauptsächlich die Muskeln betreffenden Myositiden auf. „Genaue Angaben zur Häufigkeit der ILD sind jedoch schwierig“, sagt Prof. Andreas Krause, Chefarzt am Immanuel Krankenhaus Berlin, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) und Kongresspräsident. Nicht alle Patienten würden konsequent auf einen möglichen Lungenbefall hin untersucht, zudem sei der Übergang zwischen gering ausgeprägten, eher harmlosen Lungenbefunden und einer klinisch bedeutsamen ILD fließend. Mittlerweile sind jedoch einige Risikofaktoren bekannt, die eine Lungenbeteiligung bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen besonders wahrscheinlich machen. Bei der RA etwa sind fast ausschließlich Patientinnen und Patienten betroffen, bei denen sich der Rheumafaktor und bestimmte als ACPA bezeichnete Antikörper im Blut finden. Auch entwickeln männliche RA-Patienten häufiger eine ILD als Frauen, Raucher häufiger als Nichtraucher. „Darüber hinaus wurde vor Kurzem ein genetischer Risikofaktor für eine Lungenbeteiligung bei der RA entdeckt“, berichtet Krause. Während das durchschnittliche ILD-Risiko bei 5 bis 10 Prozent liege, seien Männer mit dieser genetischen Besonderheit zu fast 20 Prozent betroffen. Bei anderen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, etwa der systemischen Sklerose und bestimmten Muskelentzündungen, liegt der Anteil der Betroffenen zum Teil noch deutlich darüber – je nach Verlaufsform der Grunderkrankung und Art der verursachenden Autoantikörper entwickeln zwischen 30 und 70 Prozent der Patientinnen und Patienten eine Lungenbeteiligung. Für die Therapie der rheumabedingten ILD steht mittlerweile eine Reihe von gut wirksamen Medikamenten zur Verfügung, die die überschießende Immunaktivität bremsen und so das Lungengewebe schützen. „Allerdings ist die wissenschaftliche Evidenz für ihren Einsatz weiterhin gering“, sagt Krause – sie beruhe im Wesentlichen auf Registerdaten, Fallserien und Einzelberichten. Kontrollierte Studien seien nach wie vor rar und würden dringend benötigt. Neben der Immunsuppression gewinnt ein weiteres Wirkprinzip bei der Behandlung der ILD an Bedeutung: So genannte Antifibrotika sollen die entzündungsbedingte Umwandlung von funktionellem Lungengewebe in Narbengewebe unterbinden und so das Voranschreiten der Lungenfibrose zumindest verlangsamen. Erste Studien zeigen, dass ILD-Patientinnen und -Patienten mit unterschiedlichen rheumatischen Grunderkrankungen davon profitieren, insbesondere wenn die immunsuppressive Therapie von einer Behandlung mit Antifibrotika flankiert wird. Voraussetzung dafür, die ILD effektiv therapieren und die Lungenfunktion bestmöglich erhalten zu können, ist jedoch eine frühe Diagnosestellung. „Die Herausforderung besteht hier darin, dass eine ILD zu jedem Zeitpunkt der rheumatischen Erkrankung neu entstehen kann“, sagt Kongresspräsident Krause. Manchmal sei dies sogar noch vor der Rheumadiagnose selbst der Fall. Bei jeder neu diagnostizierten ILD solle daher auf eine möglicherweise zugrundeliegende rheumatische Erkrankung geachtet werden. Umgekehrt sollten alle Rheumapatienten auf eine mögliche ILD hin untersucht werden. Dabei müssen mindestens die Lunge abgehört und mögliche Symptome wie Husten oder Luftnot abgefragt werden. Goldstandard für die Diagnose der ILD ist jedoch die Dünnschicht-Volumen-Computertomographie. Empfehlungen dazu, welche Methode unter welchen Voraussetzungen und in welchen Abständen eingesetzt werden sollte, werden derzeit in einer interdisziplinären Leitlinie ausgearbeitet. Ohnehin sind Diagnose und Therapie der rheumabedingten ILD von Anfang an eine interdisziplinäre Aufgabe, betont Krause. „Schon bei Verdacht auf eine ILD – und erst recht beim Nachweis der Erkrankung – sollten das diagnostische Vorgehen, die erhobenen Befunde und die Therapie in interdisziplinären Konferenzen unter Beteiligung von Fachärzteinnen und Fachärzten aus der Rheumatologie, Pulmonologie, Radiologie und Pathologie besprochen werden.“ Derzeit werde zudem auch untersucht, inwieweit Rheuma seinen Ursprung in der Lunge haben kann – etwa bedingt durch Luftverschmutzung.
Mehr erfahren zu: "Praxen können teils noch nicht mit E-Akten starten" Praxen können teils noch nicht mit E-Akten starten Am 1. Oktober beginnt eine entscheidende Stufe der Digitalisierung im Gesundheitswesen: Praxen müssen Befunde dann in die elektronische Patientenakte laden. Doch bei manchen lässt die Technik auf sich warten.
Mehr erfahren zu: "Molekulare Phage-Wirt-Beziehung entschlüsseln" Molekulare Phage-Wirt-Beziehung entschlüsseln Ein Schritt weiter in Richtung therapeutische Anwendung: Würzburger Forschenden sind Einblicke in molekulare Welt zwischen Phagen und Bakterien gelungen, die es ermöglichen, in die Vermehrung von Phagen gezielt einzugreifen.
Mehr erfahren zu: "Vom Schonprogramm zum Trainingsplan – Bewegung als Schlüssel in der Rheumatherapie" Vom Schonprogramm zum Trainingsplan – Bewegung als Schlüssel in der Rheumatherapie Lange galt für Patienten mit Rheuma: schonen statt trainieren. Inzwischen ist klar, dass regelmäßige, angepasste Bewegung ein zentraler Bestandteil der Behandlung ist – mit positiven Effekten auf Krankheitsaktivität, Schmerzen, Muskelkraft […]