Die Rolle der Revaskularisierung in der Behandlung der Herzinsuffizienz18. April 2023 Symbolbild: ©Rasi/stock.adobe.com Während die medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz sich auf ein breites Spektrum aus Studiendaten stützt, mangelt es weiterhin an Evidenz für die interventionelle Behandlung der Koronaren Herzkrankheit (KHK) bei Herzinsuffizienz. Was es bei diesem Patientenkollektiv zu beachten gibt, erläuterte Dr. Thomas Schmitz auf der 89. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) in Mannheim. Die ungenügende Datenlage ist laut Schmitz, Chefarzt an der Klinik für Kardiologie und Angiologie am Elisabeth-Krankenhaus Essen, darauf zurückzuführen, dass viele Patientinnen und Patienten mit einer Herzinsuffizienz und reduzierter Herzleistung (HFrEF), also einer Ejektionsfraktion (EF) unter 40 Prozent, in Studien zu interventionellen Eingriffen meist ausgeschlossen werden. Und das, obwohl eine KHK die häufigste Ursache für Herzinsuffizienz ist. Dabei kann es sich um eine akute Ischämie oder bei Menschen mit langjähriger KHK um eine chronische Ischämie handeln. Leitlinien Empfehlung zum Bypass in der Praxis selten umsetzbar Sowohl die europäischen als auch die US-amerikanischen Leitlinien empfehlen eine bevorzugt operative Revaskularisation bei herzinsuffizienten Patientinnen und Patienten mit einer EF unter 35 Prozent einer Mehrgefäßerkrankung (Goldstandard). Diese Empfehlung beruht auf der herzchirurgischen Studie STICH aus dem Jahr 2011. Dabei handelt es sich um die bislang einzige Studie bei Menschen mit HFrEF (<35%) und chronischer KHK, die einer koronararteriellen Bypass-Operation (CABG) zugänglich ist, welche eine medikamentöse Behandlung mit einer Kombinationsbehandlung aus Medikamenten und CABG direkt verglich. „Die Studie liefert uns Anhaltspunkte dafür, dass die CABG der medikamentösen Behandlung überlegen ist“, berichtete Schmitz. Diese Erkenntnis habe sich in einem 10-Jahres-Follow-Up noch einmal erhärtet: Die Studiendaten haben gezeigt, dass die Mortalitätsraten beim chirurgischen Eingriff deutlich geringer sind als bei einer rein konservativen Therapie. „Trotzdem werden aktuell nur ca. zehn Prozent dieser Patientengruppe am Ende tatsächlich operiert“, hob Schmitz hervor. Und das aus gutem Grund: In der klinischen Praxis sei ein Eingriff aufgrund der Begleiterkrankungen, des gesundheitlichen Allgemeinzustands und des hohen Alters der Betroffenen allzu oft zu riskant. Für diese Patientinnen und Patienten kann die Perkutane Koronarintervention (PCI) eine alternative Behandlungsoption darstellen, wie Schmitz in seinem Vortrag herausstellte. Eine dringend benötigte randomisierte Studie, die die Erfolgschancen von PCI, CABG und der medikamentösen Therapie bei HFrEF direkt vergleicht, fehle jedoch bislang, kommentierte Schmitz. Wichtig: Komplettrevaskularisation anstreben! Es gebe zwar Daten, die zeigen, dass die PCI einem Bypass bei Mehrgefäßerkrankung und schwerer HFrEF im Hinblick auf die Mortalität nicht unterlegen ist, allerdings seien das nur Registerdaten. „Nach einer Bypass-OP ist die Schlaganfallrate bei Patient:innen bedingt durch die Technik höher als bei einer PCI, allerdings ist die Wahrscheinlichkeit für eine Re-Intervention in der PCI-Gruppe höher“, fasste der Essener Kardiologe die jeweiligen Vor- und Nachteile der beiden Behandlungsmöglichkeiten zusammen. Wichtig sei jedoch, dass man bei dieser Patientengruppe eine Komplettrevaskulrisierung von allen funktionell relevanten Gefäßen anstrebe, nur dann zeige sich kein Unterschied für die Myokardinfarktrate im weiteren Verlauf. Diesen Zusammenhang hat unter anderem die SYNTAX-extended-Studie gefestigt, in der mit einer Komplettrevaskularisation deutlich bessere Ergebnisse erzielt werden konnten als nur mit der Behandlung der culprit lesion, also der Behandlung von nur einer einzigen hochgradigen Stenose. Hierbei konnte eine reduzierte Ereignisrate und auch eine verbesserte Herzfunktion erreicht werden. Weiterhin zeigte sich in einer Subgruppenanalyse des ISCHEMIA-Trial, dass Patientengruppen mit HFrEF symptomatisch besser von einer optimalen Behandlung mit PCI und Medikamenten profitieren als von einer rein medikamentösen Therapie. „Ziel muss es sein, diese Patienten komplett zu revaskulisieren“, so das Fazit von Schmitz. Wichtig dabei sei auch die Revaskularisation von chronischen Gefäßverschlüssen (CTOs). Dies sei jedoch nur von Nöten, wenn eine Restvitalität im Gewebe nachweisbar ist. Daher plädiert Schmitz auch weiterhin für einen Nachweis der Vitalität vor einer Revaskularisation. Laut dem Experten ist es mit den modernen Techniken heutzutage möglich, fast 90 Prozent der CTOs wieder zu eröffnen, wodurch nicht nur die Rate schwerer kardialer und zerebrovaskulärer Komplikationen absinke, sondern auch die Symptomatik und die EF. Intravaskuläre Bildgebung entscheidend Eine andere zuletzt publizierte Studie (REVIVED-BCIS 2) zum Vergleich einer medikamentösen Therapie versus PCI plus medikamentöse Therapie zeigte nach 41 Monaten keinen signifikanten Unterschied zwischen den Behandlungsarmen. Allerdings war mindestens im ersten Jahr in der PCI-Gruppe eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität zu verzeichnen, die im weiteren Verlauf jedoch nicht mehr nachweisbar war. Dass bei Studien dieser Art mit Blick auf die Mortalität kein gravierender Vorteil der PCI gezeigt werden kann, führt Schmitz im Wesentlichen darauf zurück, dass es sich meist um ein schwerkrankes Patientenkollektiv mit diversen Komorbiditäten handelt, die schlussendlich an ihren sonstigen Erkrankungen versterben. Dennoch sieht der Interventionalist einen Vorteil in der PCI: „Entscheidend ist, die Patienten profitieren symptomatisch davon. Das heißt, wir schenken den Patienten in ihrem relativ begrenzten Lebenshorizont noch eine gute Zeit.“ Für ein optimales Ergebnis der PCI müsse nach den aktuellen Standards vorgegangen werden, betonte Schmitz. Neben der physiologisch geführten PCI (bspw. mittels fraktioneller Flussreserve), über welche die funktionelle Relevanz der zu behandelnden Stenose beurteilt wird, hob der Experte die intravaskuläre Bildgebung hervor. „In den letzten Jahren haben wir festgestellt, dass wir es häufig mit komplexen Läsionen zu tun haben, z. B. Bifurkationsstenosen und Hauptstammstenosen, wo mehrere Areale zusammentreffen. Bildgebende Verfahren sind hier von größter Wichtigkeit, um die Intervention zielgenau durchzuführen und optimale Ergebnisse zu erzielen.“ Evidenz in der Pipeline In diesem Zusammenhang wies Schmitz auch auf die ILUMIEN-4-Studie hin, deren finale Ergebnisse er auf dem kommenden Kongress der European Society of Cardiology in Amsterdam erwartet. „Hier wird beleuchtet werden, wie wichtig die intravaskuläre Bildgebung bei Patient:innen mit so komplexen Erkrankungen ist.“ Insbesondere werde hierbei auf die optische Kohärenztomographie (OCT) eingegangen. Desweiteren blickt Schmitz den Studienergebnissen zur sogenannten Protected PCI entgegen. Dabei handelt es sich um mechanische Systeme, die den Herzkreislauf temporär während komplexer Eingriffe unterstützen, wie Extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) oder Impella®. Über diese soll bei Patientinnen und Patienten mit schlechter Herzleistung im Rahmen eines interventionellen Eingriffs an den Herzkranzgefäßen eine akute Verschlechterung der Herzleistung und Dekompensation verhindert werden, die im schlimmsten Fall fatale Folgen haben kann. Hierzu gibt es bislang noch keine ausreichenden Daten. Die PROTECT-4-Studie soll das ändern. Aktuell werden Studienteilnehmer eingeschlossen. (ah)
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