Interview zur transienten myokardialen Verdickung bei der Katze

Dr. Jan-Gerd Kresken Foto: Tierklinik am Kaiserberg

In einem Interview äußert sich der Veterinärkardiologe Dr. Jan-Gerd Kresken von der Tierklinik am Kaiserberg über Symptome, Diagnostik und Therapie der transienten myokardialen Verdickung bei der Katze, sowie den vermuteten Auslöser des Phänomens.

In der Katzenmedizin wurde 2018 offiziell der Begriff „transiente myokardiale Verdickung“ (transient myocardial thickening, TMT) eingeführt.

Die TMT, die bei betroffenen Tieren klinisch i. d. R. durch eine erhöhte Atemfrequenz aufgrund eines Lungenödems in Erscheinung tritt, stellt eine wichtige Differenzialdiagnose zur Hypertrophen Kardiomyopathie (HCM) bei der Katze dar. Bei der TMT kann sich das Herz im Unterschied zur HCM jedoch wieder erholen, was in Bezug auf die Überlebensprognose des Tieres von großer Wichtigkeit ist.

Es wird vermutet, dass einer TMT in den meisten Fällen ein auslösendes Ereignis wie etwa eine Narkose vorausgeht.

Veterinärkardiologe Dr. Jan Gerd Kresken und Kollegen haben sich zum Ziel gesetzt, die Ursachen der TMT zu erforschen. Kresken ist Fachtierarzt für Kleintiere und führt die Zusatzbezeichnungen Kardiologie, Röntgenologie und Sonographie. Er hat in Hannover und Sydney, Australien, Tiermedizin studiert und an der LMU München promoviert. Seit 1992 ist er in der Tierklinik am Kaiserberg in Duisburg tätig. Kresken ist ein häufig angefragter Referent auf tierärztlichen Kongressen und einer der Wegbereiter der Tierkardiologie im deutschsprachigen Raum.

Herr Dr. Kresken, in Bielefeld haben Sie den Fall einer BKH vorgestellt, die 3 Tage nach Kastration im Notdienst vorgestellt wurde. Was war der Vorstellungsgrund?

Kresken: Die 7 Monate alte Katze wurde im Notdienst vorgestellt, weil sie 2 Tage nach der Kastration beim Haustierarzt zunehmende Atemnot bekam.

Welche Symptome resp. welche anamnestischen Hinweise sollten den Verdacht auf eine mögliche TMT erwecken?

Kresken: Die erstbeschreibenden Autoren der transienten Myokardverdickung fanden es auffällig, dass anamnestisch der Atemnot bei fast allen Patienten ein sogenanntes „antecedent event“, ein vorhergehendes Ereignis stattgefunden hat. Vorberichtlich waren das z. B. Anästhesien für eine Operation oder Traumata.

Welche Veränderungen am Herzen sind bei an einer TMT leidenden Katzen nachweisbar?

Kresken: Die Patienten weisen im Herzultraschall eine moderate, aber auffällige Verdickung der Myokardwände des linken Ventrikels auf. Diese sind als Hypertrophie anzusprechen. Zudem war der linke Vorhof bei den Patienten mehr oder weniger stark vergrößert. Bei der Röntgenuntersuchung des Thorax waren Anzeichen auf ein Linksherzversagen, wie Lungenödem, Perikard- und/oder Pleuraerguss sichtbar.

Wie kann der Kliniker eine TMT von der Hypertrophen Kardiomyopathie der Katze abgrenzen?

Kresken: Die Abgrenzung ist aus klinischer Sicht nicht zu treffen. Die klinischen Symptome sind identisch. Hinweise können Alter und Rasse der Katzen geben. Die TMT Katzen waren deutlich jünger als die HCM-Katzen. Die Echokardiographie ist das Mittel der Wahl für die Diagnose des Linksherzversagens als Ursache der Atemnot. Die Unterscheidung der Ätiologie, also ob eine TMT oder eine HCM vorliegt, ist etwas schwierig. Die Wandstärken bei den HCM-Katzen sind dicker als die der TMT-Katzen. Wichtiger und hilfreich dabei sind der, je nach Ursache, unterschiedliche Verlauf und die Kontrolle der Untersuchungsparameter. Während sich bei Katzen mit TMT die Wanddicken zurückbilden und die Vorkammergrößen wieder normalisieren, bleibt die Wanddicke bei HCM-Katzen gleich, oder nimmt im weiteren Verlauf weiter zu.

Welche Rolle spielt das Troponin I (initial und im Verlauf) hierbei?

Kresken: Bei den wenigen Katzen, die in der Literatur beschrieben wurden, und bei unseren eigenen Patienten, die wir auf Troponin l getestet haben, war der Wert deutlich erhöht. Allerdings ist das von Katzen mit HCM ebenfalls zu erwarten. Daher ist der Labortest gut, um eine kardiale Ursache der Atemnot zu beweisen, aber weniger geeignet, TMT und HCM zu differenzieren.

Die Prognose bei Katzen mit kongestivem Herzversagen (congestive heart failure, CHF), die mit einer TMT assoziiert ist, ist deutlich besser als bei HCM, wie eine Studie (Novo Matos J et al. 2018) zeigen konnte. Wie sollte therapeutisch bei TMT vorgegangen werden? (hierzu auch: Pouzot-Nevoret C et al. 2023) Gibt es Unterschiede zur Therapie bei der HCM?

Kresken: Das Hauptaugenmerk bei der Therapie liegt beim Management der Stauungserscheinungen, also der adäquaten Diurese.

Italienische Kollegen haben im Jahr 2023 eine Studie vorgelegt, in der sie in der Studienpopulation in einigen Fällen ein vorhergehendes Ereignis identifizieren konnten, in einigen Fällen aber auch Infektionserreger durch Labortests (z. B. Serologie, PCR) nachgewiesen haben (Romito G et al. 2023). Was ist zu Infektionserkrankungen zu bemerken?

Kresken: Diese Berichte sind natürlich sehr interessant, zeigen aber im Hinblick auf eine mögliche Ursache für die TMT keine Konsistenz. Da die Myokarddicke auch abhängig ist vom Flüssigkeitshaushalt des jeweiligen Patienten, gibt es von je her auch sekundäre Gründe für relative Hypertrophien bei Patienten; z. B. mit Fieber, Exsikkose oder Anämie. Wir haben bei unseren Patienten, die ausnahmslos jünger als 13 Monate waren, in den Anamnesen keine Hinweise erhalten, die auf eine der genannten Infektionserkrankungen hingewiesen hätten. Sie waren alle gesund und wurden anästhesiert.

Wenn wir also davon ausgehen, dass der TMT i. d. R. eine Narkose vorausgeht, d. h. die Narkose mutmaßlich der Auslöser ist, was können Praktiker tun, um die Forschung zu unterstützen?

Kresken: Es wäre sicherlich nötig, eine zentrale Dokumentation dieser Fälle einzurichten. Es müssten standardisierte Fragen zur Anamnese erhoben werden, insbesondere bei den Patienten, die narkotisiert wurden, auch eine Dokumentation der verabreichten Anästhetika. Zudem muss die Diagnose durch eine Standard- oder „best of care“-Untersuchung mittels Echokardiographie verifiziert werden. Und im weiteren Verlauf ist eine Echo-Kontrolle der Messwerte des Myokards essenziell, um eine Transienz der Parameter nachzuweisen. Die Bestimmungen von Troponin I und NT-pro-BNP sind in der first opinion practice sehr hilfreich, um eine kardiale Ursache zu bestätigen und daraufhin eine qualifizierte Echokardiographie durchzuführen oder anzuordnen. Ob man in dem Zusammenhang auch Infektionserkrankungen abklären sollte, muss vom Einzelpatienten seinen Symptomen und seiner Krankengeschichte abhängig gemacht werden.

Lieber Herr Dr. Kresken, herzlichen Dank für das Gespräch.

Das Interview, das in Kompakt VetMed 02/2025 erschienen ist, führte Tierärztin Sigrun Grombacher.