Disease-Management-Programme gegen Depression: Welche Komponenten wirken?

Internationale Studien zeigen, dass Hausärzte bei der Behandlung von Depressionen eine zentrale Rolle spielen können. (Foto: © Monkey Business – stock.adobe.com)

Disease-Management-Programme können auch bei Depression helfen. Allerdings ist unklar, welche Maßnahmen in diesem Bündel aus Interventionen die eigentlich wirksamen sind. Ein Team des LMU Klinikums München zeigt nun, dass vor allem zwei Komponenten wichtig sind: die Einbindung von Bezugspersonen und Kurzinterventionen durch den Hausarzt.

Allein in Deutschland leiden neuneinhalb Millionen Menschen an einer Depression, die Hälfte davon über eine lange Zeit. Die Erkrankten erleben oft eine Behandlung mit großen Lücken. Viele Angebote, vom Hausarzt bis zum Psychotherapeuten, werden nicht abgestimmt oder teilweise gar nicht angeboten. Die gerade in der Psychiatrie und in der Allgemeinmedizin gleichermaßen diskutierte Frage ist: Wie können die Patienten in ihrer Krankheit sicher und erfolgreich begleitet werden, sodass möglicherweise besser Linderung erreicht wird?

Eine Möglichkeit sind Disease-Management-Programme (DMP), in denen der Hausarzt eine führende Rolle spielt. Diagnose und Behandlung erfolgen in einem Guss, alle Fachkräfte ziehen mit dem Patienten an einem Strang, alle wichtigen Schritte und Aufgaben erfolgen in einem gut abgestimmten Paket. DMP existieren in Deutschland bereits bei körperlichen Erkrankungen wie für Typ-2-Diabetes oder Asthma.

Für die Depression hat sich ein derart strukturiertes Behandlungsprogramm in Deutschland noch nicht etabliert, obwohl es sich international „in Studien bewährt hat“, erklärte Hannah Schillok von der LMU München. „Die Daten zeigen, dass sich die Symptome deutlich verbessern lassen.“ Schillok ist Wissenschaftlerin im DFG-Graduiertenkolleg „POKAL“ um Prof. Jochen Gensichen am LMU Klinikum München, das in einer Metaanalyse mit individuellen Patientendaten beleuchtet hat, welche der vielen Komponenten, die international solche DMP-Maßnahmen ausmachen, besonders effektiv sind.

Denn derlei Programme bestehen aus vielen unterschiedlichen Komponenten und werden von vielen Akteuren gestaltet, die um den Hausarzt herum mitwirken: medizinische Fachangestellte, supervidierende Psychotherapeuten respektive Psychiater und auch Laien wie Familie und Freunde eines Patienten.

Für die Metaanalyse nahm das Team nahm 35 Studien mit mehr als 20.000 Patienten unter die Lupe, in denen die Wirkung von kooperativer Betreuung – mit unterschiedlichsten Komponenten – und gewöhnlicher Betreuung bei erwachsenen Patienten mit Depressionen in der Primärversorgung verglichen wurde. Dabei analysierten sie, wie das DMP gestaltet war: Wie viele Akteure waren involviert? Welche Aufgaben übernahmen die Akteure? Wurde die Familie mit einbezogen? Wurde für den Patientenkontakt auch Technologie genutzt? Welche psychotherapeutischen Interventionen wurden in der Praxis angewendet?

In der Auswertung stachen schließlich zwei Komponenten hervor. Erstens und für die Experten überraschend: die Einbindung von Freunden und Familie. Das bedeutet: Aufklärung der Menschen, die dem depressiven Patienten nahestehen. Ziel: Sie sollen besser mit ihm umgehen können, ihn außerhalb der Arztpraxis unterstützen und motivieren, weiter am DMP teilzunehmen. „Und das“, erklärt Schillok, „funktioniert oft sehr gut.“

Zweitens: psychologische Kurzinterventionen durch den Hausarzt selbst. Sie dauern in der Regel 20 bis 40 Minuten pro Sitzung. Zuvor wird der Hausarzt von einem Therapeuten angeleitet und bekommt verschiedene Toolkits und Manuals an die Hand und weiß „bei jeder Sitzung ganz genau, welche Übungen und welche Schritte es in der jeweiligen Sitzung zu machen gilt“, erklärte Schillok.

Gegenwärtig laufen auch in Deutschland Bestrebungen, ein neues DMP für Depression auf den Weg zu bringen. „Die Erkenntnisse unserer Studie könnten bei der konkreten Gestaltung des Programms helfen“, ist Schillok überzeugt.