DIVI-Studie: Überraschende Ergebnisse über Patienteneinweisungen und Ressourcen in Zentralen Notaufnahmen

Federführend bei der aktuellen Studie: André Gries, Leiter der ZNA am Universitätsklinikum Leipzig. Foto: © Stefan Straube

Laut einer Studie der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) im „Deutschen Ärzteblatt“ werden rund 60 Prozent der Patienten, die von einem Arzt an die Zentrale Notaufnahme verwiesen werden, nach einer Untersuchung dort wieder nach Hause geschickt.

„Die Zentralen Notaufnahmen (ZNA) in deutschen Kliniken sind überlastet, weil viele Patientinnen und Patienten dort fehl am Platz sind – sie könnten genauso gut ambulant und mit weniger Kostenaufwand versorgt werden.“ Unter Berufung auch ihre aktuelle Studie weist die DIVI diese weit verbreitete Meinung als „eindeutig falsch“ zurück. In der Studie wertete das Team von Prof. André Gries, Leiter der ZNA am Universitätsklinikum Leipzig und Sektionssprecher Klinische Akut- und Notfallmedizin der DIVI, Daten von mehr als 34.000 Patienten aus, die vor der Pandemie, im Jahr 2019, in der ZNA des Universitätsklinikums Leipzig behandelt wurden.

Zentrale Fragen der Studie waren: Welche Patienten kommen über welche Einweisungsarten in die ZNA? Welche Ressourcen sind für ihre Behandlung erforderlich? Und wie groß ist der Anteil der Patienten, die nach der ZNA auch stationär weiterbehandelt werden müssen?

Die Datenauswertung zeigt: Von den rund 34.000 untersuchten Patientenfällen wurden 47,7 Prozent durch einen Rettungs- und Notarztdienst sowie 7,6 Prozent durch einen Arzt eingewiesen, 44,7 Prozent kamen aus eigener Kraft. „Interessant ist zum Beispiel, dass 16 Prozent der Selbsteinweiser auch stationär aufgenommen werden mussten, während die stationäre Aufnahmerate bei durch Ärzte zugewiesene Patienten bei nur rund 40 Prozent liegt“, erläutert Gries. Also wurden rund 60 Prozent der eingewiesenen Patienten nach einer Untersuchung in der Notaufnahme wieder nach Hause geschickt.

Einen Grund dafür sehen die Verantwortlichen der DIVI in den häufig fehlenden Ausstattungen in den Praxen, wenn zum Beispiel Röntgen- oder Ultraschall-Untersuchungen nicht durchgeführt werden könnten. „Die Einweisung in die ZNA dient dann meist der Ausschlussdiagnostik und hat nicht das Ziel der stationären Aufnahme“, weiß Studienleiter Gries aus der Fülle der Datensätze. Selbst durch den Notarzt eingewiesene Patienten konnten in fast 30 Prozent der Fälle die ZNA nach einer Abklärung durch das Team vor Ort wieder verlassen.

Bessere Patientensteuerung und Ausstattung in der Notfallversorgung „zwingend nötig“

„Die Notaufnahmen in ganz Deutschland brauchen dringend Entlastung“, erklärt die Fachgesellschaft auf Basis der Studienergebnisse. Die hohe Zahl der aus der ZNA wieder entlassenen Patienten unterstreiche, dass die Trennung der Patientenversorgung zwischen ambulant und stationär dringend einer Reform bedürfe. Bei alternativen ambulanten Versorgungsangeboten müsse eine gute Steuerung der Patienten zwischen diesen Einrichtungen und den ZNAs erfolgen. Denn bereits im Sommer seien viele Notaufnahmen überlastet gewesen. Für den Herbst und Winter erwartet die DIVI eine weiter steigende Zahl an Patienten.

„Wir müssen also genau definieren, was im niedergelassenen Bereich in puncto Notfallversorgung geleistet und entsprechend vorgehalten werden soll. Parallel müssen wir erfassen, welche Ressourcen wir haben“, sagt Gries. Die Überlastung der ZNAs liegt in seinen Augen vor allem an der räumlichen und personellen Ausstattung: „Wir benötigen eine entsprechende Finanzierung bzw. eine Verschiebung der finanziellen Mittel. Wenn wir die Notfallversorgung neu denken und zum Beispiel den Vorschlag des Sachverständigenrats 2018 aufgreifen würden, sogenannte Notfall-Zentren zu entwickeln, dann könnte man die Notaufnahmen auch so ausstatten, dass sie alle akuten Patienten adäquat behandeln können – unabhängig davon, ob sie anschließend wieder nach Hause gehen oder nicht.“