DKG-Vorstandsvorsitzender Gaß zur Lage der Kliniken: „Die Baustellen sind gewaltig“17. Januar 2023 Foto: HNFOTO/stock.adobe.com Eine umfassende Reform mit nachhaltigen Verbesserungen bei den Rahmenbedingungen für die Krankenhäuser forderte Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) auf einer Pressekonferenz am 17. Januar. Dass es Reformbedarf gibt, steht für Gaß zweifelsfrei fest: „So geht es nicht weiter – und die Baustellen sind gewaltig.“ Die meisten Probleme sind nicht neu: So geht die DKG davon aus, dass das Personal weiterhin knapp bleibt – auch wenn es einen „positiven Trend“ bei der Zahl der Auszubildenden in der Pflege gebe. Die Notfallversorgung bleibe ein „ungelöstes Problem“, genauso wie zu viel Regulierung und Bürokratie oder Lieferengpässe bei wichtigen Medikamenten. Beim Thema Digitalisierung stehe „der große Wurf“ noch aus so Gaß, der diesbezüglich hoffungsvoll auf das im für 2023 angekündigte Gesundheitsdatennutzungsgesetz setzt. Steigende Energiekosten und Inflation machen den Kliniken zu schaffen und wenn man „bei einzelnen Themen den Rückhalt der Politik gespürt“ habe, reichen die Finanzhilfen aus Sicht der DKG nicht aus: Der Verband rechnet nicht damit, dass alle zugesagten Gelder auch bei den Krankenhäusern ankommen. Für das zweite Halbjahr 2023 rechnet der Verband mit einer „Insolvenzwelle“: Nach Einschätzung der DKG droht 20 Prozent der Kliniken eine Insolvenz. Dass nicht jede Klinik gerettet werden kann, ist sich Gaß bewusst, das sei nicht der Anspruch. „Aber wir wollen, dass das Gesamtsystem fair refinanziert wird.“ Gaß: „Wir sind bereit, aktiv mitzuwirken“ „Wir wollen auch Reformen“, so Gaß, der mit Blick auf die im Dezember von der Regierungskommission vorgelegten Vorschläge zu einer Krankenreform betonte: „Wir sind bereit aktiv mitzuwirken – wir wissen, dass es einen Strukturwandel braucht.“ Weiter sagte er: „Wir begrüßen, dass die Bund-Länder-Arbeitsgruppe einen gemeinsamen Entwurf für die große Reform erarbeiten will.“ Eine Reform müsse sich aber schlussendlich an dem Ziel messen lassen, die Gesundheitsversorgung zu verbessern. Ziel müsse es sein, eine gute und ausgewogene Balance zwischen Zentralisierung und Wohnortnähe bei den Krankenhausstandorten zu schaffen und mehr Zeit für Patientinnen und Patienten zu gewinnen. Nötig sind dafür aus Sicht der DKG konsequente Deregulierung und Entbürokratisierung. Die ambulanten Fähigkeiten der Kliniken müssten genutzt werden, um den Patienten auch über die stationäre Versorgung hinaus neue klinisch-ambulante Versorgungsangebote unterbreiten zu können. Für all das brauche es eine moderne bauliche und medizinische Infrastruktur, so Gaß weiter und forderte eine faire Refinanzierung der Kosten. Dazu brauche es keine befristeten Hilfspakete, sondern dauerhafte angemessene Regelungen. „Wir wissen auch, dass in diesem Reformprozess stationäre Kapazitäten und Standorte durch Fusionen, Umwandlung und mehr ambulante Versorgung am Krankenhaus schrittweise reduziert werden. Dieser Herausforderung stellen wir uns“, so Gaß. Am Vorschlag der Regierungskommission bemängelte Gaß die fehlende Analyse der Auswirkungen und kündigte für Anfang Februar eine datengestützte Auswirkungsanalyse zu den Ideen der Regierungskommission an, die gemeinsam mit dem Forschungsinstitut hbc erstellt werde. Reformprozess durch „maximale Intransparenz“ erschwert Aus Sicht der DKG hat sich Minister Lauterbach mit seinen plakativen Aussagen zur angekündigten Reform keinen Gefallen getan und einen konsensorientierten Reformprozess damit deutlich erschwert. „Ökonomischen Druck zu reduzieren, ohne die offensichtlichen Finanzierungsdefizite zu beseitigen, einen revolutionären Strukturwandel anzukündigen ohne ein Wort über die dafür notwendigen Investitionen zu verlieren und seine unreflektierten Aussagen über billige Medizin im Krankenhaus, haben der Sache mehr geschadet als genützt“, so Gaß, der Lauterbach „maximale Intransparenz“ vorwarf. Es gebe noch viel Fragen, die öffentlich diskutiert werden sollten und nicht „hinter verschlossenen Türen“. Der Vorstandsvorsitzende der DKG vermisst bei der Politik den Wunsch nach Zusammenarbeit mit den Akteuren und kritisierte „Ignoranz“ im Umgang mit den Ländern, die auch keine Vorabinformationen erhalten hätten – dabei greife die Regierungskommission in deren Planungshoheit ein. DKG kündigt eigene Reformvorschläge an Die DKG wird der Bund-Länder-Arbeitsgruppe als Antwort auf die Ideen der Regierungskommission in der ersten Februarhälfte konkrete Vorschläge unterbreiten. „Wir favorisieren ein bundesweites Stufenkonzept mit grundsätzlicher Zuordnung von Leistungsgruppen als sinnvollen Ansatz für eine Landeskrankenhausplanung nach gemeinsamen, bundesweiten Maßstäben. Zentral, um ökonomischen Druck zu minimieren, ist eine differenzierte fallzahlunabhängige Vorhaltefinanzierung. Zu den Finanzierungsfragen gehört aber zuvorderst das Ende der strukturellen Unterfinanzierung. Um die Kliniken endlich für klinisch-ambulante Leistungen zu öffnen, plädieren wir für eine Finanzierung dieser Leistungen über Hybrid-DRGs. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe muss sich auch den Investitionsfragen stellen. Die seit Jahrzehnten herrschende Unterfinanzierung in diesem Bereich muss enden. Wir fordern deshalb einen Investitionsfonds, aus dem zunächst der politisch gewollte Strukturwandel und darüber hinaus die Modernisierung und CO2-Neutralität der Krankenhäuser finanziert wird. Zudem werden wir konkrete Vorschläge zur Deregulierung und Entbürokratisierung einbringen“, erklärte DKG-Vorstand Gaß. Insolvenzwelle bei Kliniken befürchtet Vor allem aber hat die Kombination aus Inflation und durch Corona stark gesunkene Fallzahlen den Krankenhäusern zu schaffen gemacht. Die Bundesregierung hat hier bereits Schritte eingeleitet, die wir aus Sicht der Krankenhäuser begrüßen: Die Energiepreisbremse und der Härtefallfonds federn die teils extremen Energiepreissteigerungen für die Großverbraucher Krankenhäuser ab, die Kinder- und Jugendmedizin wird zusammen mit der Geburtshilfe in dreistelliger Millionenhöhe unterstützt, wobei das Geld dafür zunächst durch Kürzungen bei allen Krankenhäusern eingesammelt wurde. Der erhöhte Pflegeentgeltwert unterstützt bei der Liquiditätsausstattung. Dennoch reicht dies nicht aus, um das hohe strukturelle Defizit der Krankenhäuser auszugleichen. Die Energiepreisbremse deckt lediglich die gestiegenen Energiepreise bei Strom, Gas und Fernwärme ab, mit den sonstigen gestiegenen Kosten bleiben die Krankenhäuser weitgehend allein. Die Mittel, die in die Kinder- und Jugendversorgung fließen, werden den Krankenhäusern an anderer Stelle über die Fallpauschalen wieder genommen. Bloße Umverteilung wird den Krankenhäusern als Ganzes nicht grundsätzlich helfen. Die breit angekündigte Entökonomisierung wird nur Wirklichkeit, wenn insgesamt mehr Mittel in das System fließen. Um das Ausmaß einer Krankenhaus-Insolvenzwelle für 2023 zu begrenzen, sind einige kurzfristige Reformen nötig: Die Kliniken benötigen einen vollständigen Inflationsausgleich, der sämtliche Kostensteigerungen umfasst. Sie müssen zudem von dem durch die gesunkenen Fallzahlen verschärften strukturellen Defizit von insgesamt 15 Milliarden Euro befreit werden. Vor allem aber benötigen die Krankenhäuser kurz- und mittelfristig mehr Investitionen. Seit Jahrzehnten kommen die Länder nun nicht ansatzweise mehr ihrer Pflicht nach, die Investitionskosten der Kliniken zu finanzieren, so die DKG. Handlungsbedarf bestehe vor allem bei der energetischen Sanierung der Krankenhäuser. (ja/DKG)
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