DKOU 2023: Kliniken sollen klimafreundlicher werden30. Oktober 2023 Diskutierten zum Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz auf dem DKOU: Maximilian Rudert, Dietmar Pennig, Daniel Unger, Bernd Kladny, Annette Eidmann und Christian Kühne (v.l.) (Foto: hr) Ein zentrales Kongressthema in Berlin war eine ökologisch nachhaltigere Patientenversorgung, denn der Gesundheitssektor zählt zu den bedeutendsten CO2-Emittenten. „Alles sprechen über Klimaschutz, aber im Medizinsektor ist das Thema noch nicht richtig angekommen“, eröffnete Kongresspräsident (DGOU, DGOOC) Prof. Maximilian Rudert sein Statement auf der Kongress-Pressekonferenz. „Wäre das Gesundheitswesen ein Land, so wäre es der weltweit fünftgrößte Emittent“, erläuterte er weiter. Das entspreche etwa dem Flug- und Schiffsverkehr zusammengenommen. „Deshalb ist es uns ein Anliegen, darauf aufmerksam zu machen“, so Rudert, Zwar seit bereits 2021 auf dem 125. Deutschen Ärztetag beschlossen worden, dass das deutsche Gesundheitswesen bis 2030 klimaneutral werden soll. Auch der „Klimapakt Gesundheit“ des Bundesgesundheitsministeriums sowie Spitzenorganisationen des Gesundheitswesens hätten im Dezember 2022 eine stärkere Berücksichtigung von Nachhaltigkeit und Klimaschutz beschlossen. Dennoch fehle es laut Rudert bislang an konkreten Maßnahmen und Vorgaben zum Erreichen der Klimaschutzziele, für die man sich auch im Rahmen des Kongresses einsetzen wolle. Studie aus dem König Ludwig Haus: Wieviel CO2 produzieren orthopädische Operationen? Rudert zufolge wird die Klimaschädlichkeit von Narkosegasen, welche ein hundert- bis tausendfach höheres Global Warming Pozential als CO2 aufweisen, bereits vielerorts im OP berücksichtigt. Doch wie die CO2-Bilanz der Operationen selbst aussieht, sei bislang weitgehend unbekannt, so der Ärztliche Direktor der Orthopädischen Klinik König-Ludwig-Haus in Würzburg. „Fast jeder trennt zu Hause seinen Müll, aber der Müll im OP verteilt sich auf wenige Tüten, die dann meist aus hygienischen Gründen ohnehin alle wieder in einer Tonne landen“, berichtete er. Doch der OP-Müll macht Rudert zufolge nur drei Prozent des ökologischen Fußabdruckes einer OP aus, den größten Teil des CO2-Ausstoßes verursachten der OP-Betrieb und die Lieferketten. Er verwies dabei auf die Ergebnisse einer aktuellen Untersuchung aus seinem Haus, die auch in der Kongressausgabe der Orthopädischen-Unfallchirurgischen Nachrichten sowie auf dem Online-Portal der Fachzeitung nachzulesen ist: Demnach geht der größte Anteil mit 47 Prozent auf den laufenden OP-Betrieb zurück. So fallen für eine Hüftprothese 78,9 kg CO2 an. Bei jährlich 233.500 Hüftprothesen in Deutschland entstehen so etwa 18.400 Tonnen CO2 – so viel erzeugen 7.000 Haushalte pro Jahr. „Bei jedem Prothesenwechsel fällt dann die doppelte Menge CO2 am“, so Rudert. Erhebliches Potenzial zur Verbesserung der Bilanz im Gesundheitswesen bietet der Studie zufolge auch eine Dekarbonisierung der Lieferketten: Da die Produktion von Einwegmaterialien wie Abdeckungen, Schutzkleidung und Verpackungen etwa 37 Prozent der Emissionen ausmacht, könnte allein die Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien den CO2-Fußabdruck von Operationen deutlich verringern. „Für ein klimafreundlicheres Gesundheitswesen stehen alle Akteure in der Verantwortung! Neben Politik und Industrie sind es auch Ärztinnen und Ärzte, die gemäß dem Grundsatz ‚keinen Schaden zufügen‘ auch ökologische Auswirkungen ihres Handelns berücksichtigen und entsprechend ressourcenschonend arbeiten müssen“, forderte Rudert. Die Analysen zeigten, dass in den Kliniken neben den Ärzten auch das gesamte medizinische Personal und die Verwaltung in der Verantwortung stünden. „Sie müssen mit ins Boot, wenn es etwa um die Produktauswahl oder den Stromanbieter gehe“, betonte Rudert. „Nachhaltigkeit in O&U – wie sollen wir damit umgehen?“ Auf dem Kongress wurde das Thema „Nachhaltigkeit in O&U – wie sollen wir damit umgehen?“ auch auf einer Hot-Topic-Veranstaltung aufgegriffen. Neben Impulsreferaten aus Industrie und Kliniken diskutierten anschließend die Referentinnen und Referenten mit Rudert sowie den Generalsekretären Prof. Bernd Kladny (DGOU) und Prof. Dietmar Pennig (DGU) über die anstehenden Herausforderungen. Daniel Unger von der Johnson & Johnson Medical GmbH in Norderstedt stellte die Anstrengungen seines Unternehmens im Bereich der Müllreduzierung im Bereich der mehrfach- oder einzelverpackten OP-Instrumente und -implantate vor. Zwar habe man schon ein eigenes besseres System entwickelt, aber „wir brauchen mehr Unterstützung von der Politik, damit Nachhaltigkeit in der Praxis auch umsetzbar wird“, fordert er. Auch der Appell von Dr. Annette Eidmann, die an der Studie im König Ludwig Haus beteiligt war und die Ergebnisse vorstellte, ging an die Politik. Sie forderte von dieser ein, sich beim Klimawandel mehr um die großen eigentlichen Probleme zu kümmern und nicht nur auf kleine Vorzeigeprojekte wie das Verbot von Plastikstrohhalmen oder -tüten zu setzen. Prof. Christian Kühne, Chefarzt der Klinik für Unfall- und Handchirurgie, Zentrum für Alterstraumatologie am Schoen-Klinikum Hamburg Eilbeck, der über das OP-Müllaufkommen in seiner Klinik und den Umgang damit berichtete, konnte sich vorstellen, dass auf jedem Produkt bald eine Banderole mit dem verursachten CO2-Abdruck steht. „Dann kann sich kein Nutzer mehr rauswinden, überall weltweit.“ „Die Transformation braucht Zeit und kostet Geld“, gab Kladny zu bedenken. Man müsse die Menschen auf diesem Weg mitnehmen, sonst erreiche man letztendlich zu wenig, war er überzeugt. Auch Pennig forderte einen „fairen Umgang“ mit den Mitarbeitenden der Industrie und des Gesundheitssystems ein. Der Druck, der auf diesen Personen laste, sei ohnehin schon groß. „Wir sollten diesen Druck senken.“ „Die Krankenhäuser und die Endverbraucher sollten am Ende nicht die Zeche für alles zahlen müssen“, schloss Rudert. (hr)
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