DMKG fordert bessere Versorgung von Migränepatientinnen in Schwangerschaft und Stillzeit

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Dr. Wolfgang Paulus von der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V. (DMKG) fordert mehr staatliche Unterstützung für die Beratung und Risikobewertung zur Arzneimitteltherapie in der Schwangerschaft.

Migräne tritt bei Frauen dreimal so häufig auf wie bei Männern, mit höchster Prävalenz im gebärfähigen Alter [1], berichtet die DMKG. Diese Tatsache stellt das deutsche Gesundheitssystem vor erhebliche Herausforderungen: Schwangere Frauen sind weitgehend von systematischen Arzneimittelstudien ausgeschlossen, sodass für viele der üblichen Medikamente Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit während der Schwangerschaft und Stillzeit fehlen, heißt es weiter.

„Das macht die medikamentöse Behandlung in dieser sensiblen Lebensphase zu einem ethisch und rechtlich komplexen Unterfangen und schafft große Unsicherheit, sowohl bei Ärztinnen und Ärzten als auch bei den werdenden Müttern“, betont Paulus. Bei mehr als 700.000 Schwangerschaften pro Jahr in Deutschland stehen schätzungsweise circa 150.000 Schwangere vor diesem Problem“, so Paulus.

Ein aktuelles Beispiel für die Verunsicherung ist laut DMKG die jahrelange Diskussion über die Anwendung von Paracetamol – weltweit eines der am häufigsten verwendeten und als sicher geltenden Medikamente zur Akutbehandlung während einer Schwangerschaft. In den vergangenen Jahren wurde in mehreren statistischen Auswertungen wiederholt der Verdacht auf einen Zusammenhang mit unterschiedlichen Komplikationen bei den Nachkommen geäußert, wie z. B. Asthma bronchiale, Verhaltensstörungen wie ADHS oder Autismus oder Hodenhochstand. Erst 2024 gab eine große schwedische Studie an fast 2,5 Millionen Kindern Entwarnung: Der Verdacht bestätigte sich nicht [2]. „Für die Akutbehandlung von Kopfschmerzen wird Paracetamol somit weiterhin als sicherstes Analgetikum in der Schwangerschaft betrachtet“, erklärt Paulus.

Eingeschränkte medikamentöse Akuttherapie

Ein Schwerpunkt der Migränebehandlung liegt auf nicht medikamentösen Maßnahmen. Diese Ansätze sind zwar hilfreich, reichen aber nicht immer aus, um die Migräneattacken zu kontrollieren, die gerade in der Schwangerschaft besonders schwächen und ein Risikofaktor für Komplikationen sein können, heißt es in der Pressemitteilung. „Die Auswahl an Medikamenten, die in der Schwangerschaft zur Migränebehandlung eingesetzt werden dürfen, ist sehr begrenzt“, so Paulus. „Manche bieten eine gewisse Sicherheit, doch bei anderen gibt es erhebliche Bedenken“, ergänzt er. So gelte beispielsweise der kurzfristige Einsatz von nicht steroidalen Antiphlogistika (NSAID) wie Ibuprofen für die Akutbehandlung vor dem letzten Schwangerschaftsdrittel als unbedenklich. Auch bei Triptanen, insbesondere Sumatriptan, könne man inzwischen aufgrund einer umfangreichen Datenbasis von ausreichender Sicherheit ausgehen. Für monoklonale Antikörper aus der Gruppe der CGRP-Antagonisten, wie Erenumab, seien die Daten dagegen noch nicht ausreichend, um eine Empfehlung auszusprechen, heißt es weiter.

Hinweise auf Entwicklungsstörungen durch Topiramat

Zur Migräneprophylaxe gelten Betablocker wie Metoprolol und Amitriptylin als relativ sicher. Bei Topiramat weisen die Auswertungen dagegen auf ein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen und neurologische Entwicklungsstörungen der intrauterin exponierten Kinder hin [3]. Topiramat ist aufgrund seiner guten Wirksamkeit seit vielen Jahren in der Migräneprophylaxe etabliert. „Die Datenlage ist zwar international sehr widersprüchlich, dennoch ist das Präparat in der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter nun kontraindiziert“, sagt Paulus.

Viele Fragen offen: Versorgungslücke schließen durch mehr Evidenz

Die medikamentöse Behandlung von Migräne in der Schwangerschaft erfordert von Ärzten eine individuelle Abwägung zwischen den Risiken und dem Nutzen der verschiedenen Therapieoptionen. Mangels randomisierter klinischer Studien mit Schwangeren sind sie dabei auf Beobachtungsstudien mit sehr inhomogenen Expositionsdaten angewiesen. Diese führen bei denselben Fragestellungen oft zu unterschiedlichen Ergebnissen, selbst bei hohen Fallzahlen, so das DMKG.

„Das deutsche Gesundheitswesen bietet bezüglich der Arzneimitteltherapie-Sicherheit in Schwangerschaft und Stillzeit leider wenig Unterstützung“, kritisiert Paulus. In Deutschland kümmern sich hauptsächlich zwei Institutionen um die Beratung und Risikobewertung: EMBRYOTOX an der Charité Berlin und REPROTOX am Universitätsklinikum Ulm. „Beide Einrichtungen sind jedoch chronisch unterfinanziert. In Ulm sind wir seit über 35 Jahren als Drittmittelprojekt auf Zuschüsse und Spenden angewiesen, staatliche Unterstützung fehlt komplett“, sagt Paulus. Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft fordert daher, die bestehenden Institutionen finanziell zu stärken, um so deren Beratungs- und Forschungsaktivitäten zu intensivieren und somit eine bessere Versorgung der betroffenen Frauen zu gewährleiten.

Paulus verweist außerdem auf das Vorbild der skandinavischen Länder, wo schon seit mehr als 20 Jahren nationale Register wertvolle Daten zur Sicherheit von Medikamenten in der Schwangerschaft liefern und so die Grundlage für fundierte Therapieentscheidungen schaffen. „Nur durch eine gezielte Förderung der Forschung und eine verbesserte Datenlage können wir die Gesundheit sowohl der Mutter als auch der nächsten Generation effektiv schützen“, so Paulus.