DNA-Schäden entstehen auf dem Weg der Spermien nach außen

Beim EAU-Kongress in Barcelona (im Bild das Wahrzeichen der Stadt, die Kirche Sagrada Familia) wurden spannende neue Erkenntnisse zur Andrologie vorgestellt. Foto: Schmitz

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Spermien-DNA aus den Hoden vieler unfruchtbarer Männer genauso gut ist wie die von ejakulierten Spermien fruchtbarer Männer. Dies eröffnet die Möglichkeit, Sperma zu verwenden, das direkt aus den Hoden dieser Männer entnommen wurde, um ihre Unfruchtbarkeit zu überwinden.

Die Studie (1), die auf dem Kongress der European Association of Urology (EAU) im März in Barcelona vorgestellt wurde, zeigt, dass auf dem Weg von den Hoden bis zur Ejakulation die Spermien-DNA großen Schaden erleiden kann, wovon ein Teil auf oxidativen Stress zurückzuführen ist.

Die Wissenschaftler aus Großbritannien erklärten auf dem Kongress, wie sie Spermaproben von 59 unfruchtbaren Männern aus den Hoden entnommen und mit ejakulierten Spermaproben derselben Männer abgeglichen haben. Eine frühere intrazytoplasmatische Injektion von Spermien dieser Männer in die Eizelle hatte nicht zu einer Schwangerschaft ihrer Partnerin geführt. Die Wissenschaftler untersuchten das testikuläre und das ejakulierte Sperma auf DNA-Einzel- und Doppelstrangbrüche im Sperma. Eine Gruppe von 76 fruchtbaren Freiwilligen gab zum Vergleich auch ejakuliertes Sperma. Die Gruppe bestimmte die DNA-Schäden mit dem Comet-Assay (ExamenLab Ltd, Belfast, GB), mit dem Doppel- und Einzelstrangbrüche getrennt gemessen werden können.

Jonathan Ramsay vom Imperial College, London, Senior-Autor der Studie, erklärt die Details: „Als wir ejakulierte Spermien betrachteten, stellten wir fest, dass das Ausmaß der Schädigung der Spermien-DNA bei unfruchtbaren Männern viel höher war als bei fruchtbaren Männern, mit ungefähr 15 Prozent bei fruchtbaren Männern, aber 40 Prozent bei unfruchtbaren Männern. Es war keine Überraschung, größere DNA-Schäden in Ejakulaten von unfruchtbaren Männern zu sehen. Was wir nicht erwartet hatten, war die Konsistenz dieser Ergebnisse, als wir das Sperma betrachteten, das direkt aus den Hoden von unfruchtbaren Männern entnommen wurde. Wir stellten fest, dass es von ähnlicher Qualität war wie das von ejakuliertem, fruchtbarem Sperma.“

Schäden durch oxidativen Stress

Wie Ramsay weiter betont, kann eine ungesunde Lebensweise mit verantwortlich für die Effekte sein: „Der Großteil der DNA-Schäden, die beim Übergang von den Hoden zum Ejakulat verursacht werden, wird durch oxidativen Stress verursacht, der DNA-Einzelstrangbrüche, aber keine Doppelstrangbrüche verursacht. Dies tritt auf, wenn das Sperma schlechten Lebensgewohnheiten ausgesetzt ist, zum Beispiel schlechter Ernährung, den ganzen Tag am Laptop zu sitzen oder zu rauchen. Krankheiten wie Morbus Crohn und Typ-2-Diabetes verursachen ebenfalls oxidativen Stress.“

Prof. Sheena Lewis, emeritierte Professorin an der Queens University in Belfast und Gründerin von ExamenLab kommentiert: „Dies eröffnet die Möglichkeit, Spermien direkt aus den Hoden von Männern zu entnehmen, die eine stark fragmentierte ejakulierte DNA und fehlgeschlagene Behandlungszyklen haben, und zu versuchen, mit diesen Hodenspermien eine Fruchtbarkeit zu erreichen.“ Sie schränkt jedoch ein: „Wir können noch nicht nachweisen, dass (…) die direkte Verwendung von testikulärem Sperma die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft erhöht, aber die Arbeit weist mit Sicherheit in diese Richtung.“

Prof. Maarten Albersen von der Universität Leuven, Belgien, Mitglied des EAU Scientific Congress Office, sagte dazu: „Da angenommen wird, dass die DNA-Integrität eine Rolle bei der Befruchtungsrate bei der assistierten Reproduktion spielt, können diese Ergebnisse bei der Entscheidung helfen, ob eine Hodenbiopsie oder eine Aspiration von Hodenspermien durchgeführt werden soll oder nicht, anstatt ejakulierte Spermien zu verwenden, um die Erfolgsraten der assistierten Befruchtung bei unfruchtbare Männer mit Anzeichen von DNA-Schäden zu verbessern. Verbesserte Befruchtungs- und Entbindungsraten müssten jedoch bestätigt werden, bevor diese alternative Strategie angewendet werden kann.“

Literatur:
1. Vyas L, Lewis S, Tharakan T, Jayasena C, Minhas S, Ramsay J. ­Evidence that ­testicular sperm in infertile men has improved DNA integrity ­compared to ejaculated sperm.
EAU 2019, Abstract No. 247.
https://resource-centre.uroweb.org/

(EAU/ms)