DOG 2021: Bach, Chee und Bornfeld mit Ehren-Lectures ausgezeichnet

Prof. Michael Bach (l.), Prof. Soon-Phaik Chee und Prof. Norbert Bornfeld. Fotos: Bernhard Reisen-Veith / Singapore National Eye Centre / Bornfeld

Die Ehren-Vorlesungen „Elfriede-Aulhorn“-, „Aurel-von-Szily“- und „Custodis-Lecture“ hielten anlässlich der DOG 2021 Prof. Michael Bach (Freiburg), Prof. Soon-Phaik Chee (Singapur) und Prof. Norbert Bornfeld (Essen).

Prof. Bornfeld gab seinen Kolleginnen und Kollegen in der Custodis-Lecture während des Symposiums der Retinologischen Gesellschaft (RG) einen Überblick über „7 Dinge, die heute jeder Augenarzt über Melanome wissen sollte“. Diesem Titel folgend führte Bornfeld seine Lecture an sieben Thesen entlang, anhand derer er – angereichert durch eine Vielzahl klinischer Beispiele – das aktuelle Wissen über maligne Melanome der Uvea beschrieb. Seine Thesen lauteten:

1. Aderhautnaevi sind häufig.
2. Maligne Melanome der Uvea sind selten.
3. Benigne Aderhautnaevi und maligne Melanome der Uvea lassen sich nicht sicher voneinander abgrenzen.
4. Im Unterschied zu anderen soliden Tumoren haben maligne Melanome der Uvea entweder ein sehr hohes oder ein sehr niedriges Metastasenrisiko.
5. Eine klinische Unterscheidung zwischen beiden Tumorarten ist nicht möglich.
6. Das tumorbezogene Überleben in den letzten 130 Jahren hat sich nicht geändert.
7. Die frühzeitige Detektion von Hochrisiko-Tumoren könnte ein Weg sein, das tumorbezogene Überleben zu verbessern.

Ein Schwerpunkt seiner Custodis-Lecture befasste sich mit den Möglichkeiten der Molekulargenetik, über die Bildgebung hinaus und auch jenseits der Risikofaktoren Alter (> 60 Jahre) und Tumordicke (> 2,25 mm) ein erhöhtes Metastasenrisiko zu erkennen. Hier richtete er den Blick insbesondere auf die frühzeitige Detektion des Merkmals Monosomie 3. Dieses zu erkennen, so Bornfeld, könnte hilfreich sein, einen Fortschritt hinsichtlich des Gesamtüberlebens zu erreichen, das auch durch die modernen Therapiearten nicht habe gesteigert werden können. Die molekulargenetische Typisierung erfordere die Gewinnung von Tumorgewebe durch eine intraokulare (transretinale) Biopsie, von der nach heutigem Stand nicht die Gefahr eines erhöhten Metastasenrisikos ausgehe.
Als Fazit fasste Bornfeld zusammen, dass melanozytäre Aderhauttumoren mit einem Basisdurchmesser von unter drei Millimetern nicht metastasieren. Entscheidende Risikofaktoren für Metastasen sind das Alter und die Tumorgröße. Die multimodale Bildgebung kann Risikofaktoren für das Tumorwachstum, nicht jedoch für das Metastasenrisiko detektieren. Um melanozytäre Hochrisiko-Tumoren der Aderhaut zu identifizieren, sind die transretinale Biopsie und das genetische Profiling besser geeignet als klinische und histopathologische Befunde allein.

Die Ehrenurkunde zur Custodis-Lecture überreichte virtuell der neue RG-Präsident Prof. Nicolas Feltgen (Göttingen). Bornfeld, so der Laudator, habe in Deutschland die Tumordiagnostik und -behandlung „auf ein neues Niveau gehoben“, darüber hinaus aber auch auf den Gebieten der Diabetischen Retinopathie und rhegmatogenen Netzhautablösung zu entscheidenden Fortschritten beigetragen. Er, Feltgen, schätze an Bornfeld vor allem dessen „Schärfe in Wort und Geist“ sowie den besonderen Humor, und er sei dankbar für die jahrelange Zusammenarbeit mit ihm. Dann legte Feltgen die Urkunde „aufs Fax“ und stellte sie so dem Geehrten symbolisch zu.

Aurel-von-Szily-Ehrenvorlesung
Mit der diesjährigen Aurel-von-Szily-Medaille und -Ehenvorlesung wurde Prof. Chee aus Singapur im Rahmen des Symposiums der Sektion DOG-Uveitis ausgezeichnet. Laudator war Prof. Uwe Pleyer (Charité, Berlin). Die Ehrung wurde nunmehr zum zehnten Mal verliehen. Die Lecture der Preisträgerin befasste sich mit dem Ergebnis von Kataraktoperationen bei Uveitis.

Das visuelle Ergebnis der Kataraktchirurgie bei Uveitis, so zeigte Chee auf, sei sowohl abhängig von der Diagnose und prophylaktischen Maßnahmen als auch vom perioperativen Management und der Operationstechnik. Wichtig bei der Planung einer Kataraktoperation sei daher die sorgfältige präoperative Beurteilung von Komorbiditäten, die das funktionelle Ergebnis einschränken könnten, sowie der Risikofaktoren für die Entwicklung von intra- und postoperativen Komplikationen.
Entscheidend für das Ergebnis sei außerdem, dass die intraokulare Entzündung für einen Zeitraum von mindestens drei Monaten vor dem Eingriff gut kontrolliert werde, da nur so das Risiko eines postoperativen Rezidivs vermindert werden könne. Bei Patienten, bei denen das Risiko einer Exazerbation der postoperativen Entzündung respektive eines Makulaödems bestehe, könne eine entzündungshemmende Prophylaxe vorteilhaft sein.
In zahlreichen Videos demonstrierte Chee die chirurgische Behandlung von Synechien und Pupillarmembranen. Ebenso zeigte sie Techniken zur Pupillenerweiterung mit und ohne Einsatz entsprechender Hilfsmittel sowie wichtige chirurgische Manöver zur Vermeidung postoperativer Komplikationen.

In Anerkennung ihrer Leistungen auf dem Gebiet der Uveitis insgesamt sowie ihrer exzellenten Lecture im Besonderen ließ Pleyer Chee die Medaille symbolisch auf dem Luftweg zukommen – nicht per Spacex-Rakete, wie zunächst überlegt, erklärte Pleyer schmunzelnd, sondern „völlig CO2-frei“ per Heißluftballon. Und in Windeseile landete dieser Ballon, bestückt mit einem kleinen Paket, das die Medaille enthielt, in Singapur punktgenau auf dem Schreibtisch der Preisträgerin… diese brauchte das Päckchen dann nur noch zu öffnen, um die Aurel-von-Szily-Medaille entgegenzunehmen.

Soon-Phaik Chee ist „Distinguished Professor of Clinical Education in Ophthalmology“ an der Duke National University of Singapore Medical School und Professorin an der National University of Singapore. Zudem ist sie Leitende Ärztin des Ocular Inflammation and Immunology Service und des Cataract and Comprehensive Ophthalmology Service am Singapore National Eye Centre (SNEC). Chee leitet darüber hinaus das Katarakt-Forschungsteam am Singapore Eye Research Institute. Zu ihren Schwerpunkten auf dem Gebiet der Kataraktforschung zählt die Behandlung komplizierter Katarakte, wozu sie bereits mehrere chirurgische Spezial-Instrumente entwickelt hat.
Chee ist seit 2013 Präsidentin der Asia-Pacific Intraocular Inflammation Study Group (APIISG). Außerdem ist sie Mitglied der International Uveitis Study Group und des internationalen Boards der International Ocular Inflammation Society (IOIS).

Elfriede-Aulhorn-Vorlesung
Mit der Elfriede-Aulhorn-Vorlesung wurde in diesem Jahr der Sehforscher Prof. Michael Bach ausgezeichnet, der bis zu seiner Emeritierung an der Universitäts-Augenklinik Freiburg tätig war. Sein Vortragsthema lautete „Kontrastsehen – eine unterschätzte Sehqualität“.

In der Ehren-Vorlesung ging er darauf ein, welche Bedeutung im Kontrastsehen liegt und warum dies eine häufig unterschätzte Sehqualität ist. Der Experte für Funktionelle Sehforschung/Elektrophysiologie zeigte auf, dass trotz noch praktisch normaler Sehschärfe das Kontrastsehen so gestört sein kann, dass die Aktivität im Alltag erheblich beeinträchtigt ist. Viele Patienten würden die entsprechende Sehstörung jedoch so diffus beschrieben, dass sie für den Augenarzt nicht leicht einzuordnen sei. Nur spezifische Kontrasttests könnten hier Klarheit schaffen. Verlässliche Tests, so Bach, gebe es für das Tagessehen und – insbesondere relevant bei der Fahreignungsbeurteilung – für das Dämmerungssehen. Schon Elfriede Aulhorn, die Namensgeberin der Ehren-Vorlesung, hätte hierzu wegweisende Untersuchungen gemacht.

Bach habilitierte sich auf dem Gebiet der Neurobiophysik und beschäftigt sich intensiv mit optischen Täuschungen. Im Jahr 2018 ist er von der DOG für seine wissenschaftlichen Leistungen bereits mit dem Von-Graefe-Preis ausgezeichnet worden. (dk)