DOG 2024: Kumulativer „Quantensprung“ in der Weiterentwicklung der Katarakt-OP10. Oktober 2024 DOG-Präsident Gerd U. Auffarth informierte über wichtige Weiterentwicklungen in verschiedenen Bereichen der Katarakt-Operation. Foto: Kaulard/Biermann Medizin Die Kataraktoperation ist hierzulande der häufigste medizinische Eingriff am Menschen. Der Ersatz der getrübten Linse durch eine Kunstlinse ist ein seit Langem bewährtes Verfahren. Aber dennoch, so berichtete DOG-Präsident Prof. Gerd U. Auffarth während der DOG-Pressekonferenz, gibt es zahlreiche Neuerungen, die insgesamt betrachtet einen „Quantensprung“ darstellen. Diese Kumulation von Neuerungen in Diagnostik, Gerätetechnik und Linsenentwicklung – teils auch getrieben von Künstlicher Intelligenz (KI) – habe in den letzten Jahren zu deutlichen Verbesserungen und so auch zu mehr Sicherheit geführt, erläuterte Auffarth, Direktor der Universitätsaugenklinik Heidelberg. Heute könnten Fälle operiert werden, die früher noch als Ausschluss gegolten hätten.Verbesserte Diagnostik etwa hilft, problematische Patientinnen und Patienten früh herauszufiltern, um sie zu Katarakteingriffen besser zu beraten. So können moderne Bildanalyseverfahren wie OCT-Technologie und Scheimpflugbildgebung mittlerweile subtile Veränderungen wie Wölbungsanomalien der Hornhaut, Veränderungen des Sehnervs oder der Makula entdecken, bevor sie in Erscheinung treten – auch dank KI-Algorithmen. „Für all diese Patienten sind beispielweise Trifokallinsen nicht gut geeignet“, betonte Auffarth. „In solchen Fällen kommen eher die Standard-Monofokallinsen infrage, in Ausnahmefällen aber auch Monofokal-plus- und Tiefenschärfenlinsen.“Tiefenschärfenlinsen machen Trifokallinsen KonkurrenzAuch die Intraokularlinsen (IOL) selbst haben sich stark weiterentwickelt. Neue Herstellungsverfahren – teilweise auch auf KI-Algorithmen basierend – konnten den Lichtverlust bei Trifokallinsen von bis zu 20 Prozent auf unter zehn Prozent senken. „Trotz allem sind die trifokalen Linsen nicht frei von Licht-Nebenwirkungen, weshalb sie nicht mehr unangefochten auf Platz eins stehen“, so Auffarth. So seien seit einiger Zeit Tiefenschärfenlinsen auf dem Vormarsch: Nach einer Umfrage der European Society for Cataract and Refractive Surgeons (ESCRS) aus dem Jahr 2023 seien fast genauso viele Tiefenschärfenlinsen wie Trifokallinsen implantiert worden.Um das Ziel der Brillenunabhängigkeit zu erreichen, können beide Optiksysteme aber auch kombiniert werden. „Eine Tiefenschärfenlinse in einem Auge und eine Trifokallinse im anderen kann im Einzelfall eine gute Möglichkeit sein, Nebenwirkungen zu reduzieren“, erklärte Auffarth. „Dies wird oft in Asien angewandt, wo viele stark kurzsichtig sind.“ Zur Wahl stehe ferner eine moderne Monovisionsstrategie mit Monofokal-plus-Linsen: Ein Auge wird auf 0 dpt eingestellt, das andere leicht kurzsichtig, etwa auf -1 dpt. „Man muss allerdings vorher durch einen Kontaktlinsenversuch testen, ob der Patient dies verträgt“, betonte Auffarth. Eine weitere Alternative stelle das Verfahren „Blended Vision“ dar. „Dabei setzen wir Tiefenschärfenlinsen so ein, dass eine Linse die Ferne bedient, die andere die Nähe und beide zusammen den Intermediärbereich“, erläuterte der DOG-Präsident. „Um die richtige Strategie zu finden, muss ausreichend Zeit investiert werden.“Künstliche Intelligenz errechnet LinsenstärkenNach Diagnostik, ausführlicher Beratung und anschließender Wahl des Implantates steht die individuelle Berechnung der IOL-Stärke an. „Auch auf diesem Gebiet gibt es große Fortschritte, seit moderne mathematische Formeln und neuerdings sogar KI-basierte Linsenberechnungsformeln zum Einsatz kommen“, berichtete Auffarth. „Durch KI ist die Genauigkeit einer Berechnung des postoperativen Ergebnisses im Bereich von 0,25 dpt möglich – das bedeutet de facto Brillenunabhängigkeit.“ Hornhautverkrümmungen und unterschiedliche Hornhautparameter könnten dabei präzise erfasst und in den Implantaten berücksichtigt werden. Fast schon seien personalisierte Lösungen möglich, und das für jedes Auge.Intelligente Pumpsysteme, regulierter Augendruck und 3-D-BrillenAuch der Eingriff erfolgt immer schonender, immer präziser. Neuartige OP-Mikroskope werden mit 3-D-Brillen und einem großen Bildschirm genutzt. Der Operateur muss nicht mehr durch Okulare schauen, sondern kann frei im Raum das OP-Feld sehen. „Bildqualität und Plastizität sind beeindruckend“, sagte Auffarth. „Mir persönlich gefällt das sehr gute und auch andere Ärzte, Assistenten im OP-Saal, können die OP mitverfolgen.Intelligente Pumpsysteme, so Auffarth weiter, könnten heute die Druckverhältnisse während der Operation messen, um die Flüssigkeitsmenge im Auge zu regulieren. Auch der Augendruck, der bei der Katarakt-OP aufgebaut werde, könne inzwischen so weit heruntergesetzt werden, dass Schäden der Hornhaut und Entzündungsreaktionen minimiert würden. „Insgesamt stehen uns mit erweiterter Diagnostik, Risikominderung des Eingriffes und personalisierten Implantatlösungen heutzutage ganz neue Möglichkeiten beim Katarakt-Eingriff und in der Linsenchirurgie zur Verfügung“, resümierte Auffarth. „Das ist eine Erfolgsgeschichte, die permanent fortgeschrieben wird.“Abschließend machte der DOG-Präsident noch darauf aufmerksam, dass auch die Woche des Sehens, die noch zum 15. Oktober deutschlandweit unter dem Motto „Klar sehen“ stattfinde, über die neuen Behandlungsoptionen der Katarakt informiert. Weitere Informationen, auch zu den Veranstaltungen der Woche des Sehens, unter woche-des-sehens.de (dk)
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