DOG: Als die OCT-Bilder Laufen lernten – Vom Diagnostikinstrument zum Kontroll-Tool in Echtzeit

Prof. Lars-Olof Hattenbach (l.) und Prof. Claus Cursiefen. Fotos: Hattenbach / MedizinFotoKoeln

Von der Momentaufnahme zum Film: Das bildgebende Verfahren Optische Kohärenztomographie (OCT) „hat Laufen gelernt“ und kann jetzt feinste Gewebestrukturen auch während eines Eingriffes wie ein Live-Video in Echtzeit abbilden. Inwiefern dies Operationen an Hornhaut und Netzhaut verbessert, wurde während der Kongress-Pressekonferenz der “DOG 2020 online” erläutert.

Die OCT nutzt die Tatsache, dass Lichtstrahlen einige Millimeter in das Gewebe eindringen, bevor sie reflektiert werden. Ähnlich wie bei einer Ultraschalluntersuchung wird sichtbar, was sich unter der Oberfläche verbirgt. Die Eindringtiefe ist zwar auf wenige Millimeter beschränkt, die Auflösung jedoch so hoch, dass mit der OCT mikroskopische Aufnahmen etwa der Hornhaut oder der Netzhaut möglich werden. Augenärzte nutzen die OCT daher seit längerem als bildgebendes Verfahren zur Diagnose von Netzhauterkrankungen wie der altersabhängigen Makuladegeneration.

Auflösung bis auf Zell-Größe
An einigen Kliniken wird das Verfahren nun seit kurzem als spezielles Mikroskop, das mit einer OCT-Funktion ausgestattet ist, auch bei Operationen eingesetzt. „Diese Systeme ermöglichen mit leistungsstarken Prozessoren eine hochauflösende intraoperative Darstellung des OCT-Bildes in Echtzeit und damit gewissermaßen ein Live-Video“, erklärte Prof. Lars-Olof Hattenbach, Direktor der Augenklinik des Klinikums Ludwigshafen. „Wir können dadurch mit einer bisher nicht gekannten Präzision operieren“, ergänzte Prof. Claus Cursiefen, Direktor des Zentrums für Augenheilkunde an der Uniklinik Köln, und verdeutlichte: „Die intraoperative OCT erlaubt eine Gewebedarstellung mit einer Auflösung von bis zu wenigen Mikrometern.“ Zum Vergleich: Eine pflanzliche oder tierische Zelle ist etwa zehn bis 50 Mikrometer groß.

Untersuchung und Operation – kombinierter Einsatz bei Kindern
OCT-Aufnahmen sind auch aus der Kinderaugenheilkunde nicht mehr wegzudenken. Neugeborene, Säuglinge oder Kleinkinder müssen jedoch wegen fehlender Kooperation in Narkose untersucht werden. „Deshalb ist es hilfreich, die OCT-Technik im OP-Mikroskop jetzt auch im OP-Saal verfügbar zu haben“, betonte Cursiefen. „So lassen sich mit der OCT Operationen bei Kindern besser planen, wobei der Eingriff gleich im Anschluss an die Untersuchung, für die eine Narkose nötig ist, erfolgen kann.“

Transplantation von Teilschichten der Hornhaut
Wichtiges Einsatzgebiet bei Erwachsenen ist die Hornhautchirurgie. Bei einer Hornhauttrübung wurde noch vor einigen Jahren die gesamte „Windschutzscheibe“ des Auges ausgetauscht. „Mit der OCT können wir jetzt beurteilen, welche Teilschichten der Hornhaut wirklich geschädigt sind, und diese Lamellen dann gezielt ersetzen“, erläuterte Cursiefen. Dank der intraoperativen OCT habe sich die minimalinvasive lamelläre Transplantationschirurgie in den vergangenen Jahren auch in schwierigen Fällen zu einem Standard entwickeln können.

Verletzungen vermeiden
Ein anderes Einsatzgebiet sind Erkrankungen der Netzhaut. Bei der epiretinalen Gliose etwa lagern sich Zellen auf der Netzhautoberfläche ab, die eine feste Membran bilden. Die Zellschicht verformt die Netzhaut und verzerrt damit auch die Bilder, die an das Gehirn übermittelt werden. Die Behandlung besteht in der Entfernung der Membran, dem Peeling. „Mit der OCT erkennen wir während der Operation besser, wo die Membran endet und die Netzhaut beginnt“, erklärte Hattenbach. „Damit vermeiden wir Verletzungen von gesundem Gewebe.“

Reparatur winziger Löcher an der Stelle des schärfsten Sehens
Auch wenn der Glaskörper entfernt werden muss, hilft die OCT. Durch altersbedingte Veränderungen löst sich der Glaskörper im Laufe des Lebens meist von der Netzhautoberfläche ab, wobei in der Makula ein Loch entstehen kann. Die dadurch bedingte Sehverschlechterung macht dann eine Vitrektomie notwendig – die Entfernung des Glaskörpers.
Dabei wird auch die mit nur wenigen Mikrometern extrem dünne „Membrana limitans interna“ (ILM) entfernt, die die Grenze zu der empfindlichen Netzhaut markiert, die der Augenchirurg bei der Operation schonen muss. „Die Echtzeit-OCT zeigt dem Arzt live, wo diese Grenze liegt und ob die ILM vollständig entfernt wurde“, so Hattenbach. Bei ausgeprägten Befunden könne sogar ein winziges Stück der ILM dazu verwendet werden, das Loch in der Makula zu stopfen. Das Live-OCT ermögliche es erstmals, diesen Operationsschritt mikrometergenau zu kontrollieren. Hattenbach: „Mit herkömmlichen Operationsmikroskopen können wir die extrem feinen Flicken, die wir aus der ILM entnehmen, kaum exakt über dem Loch in der Netzhaut anbringen.“

Vom Diagnostikinstrument zum Kontroll-Tool
Insgesamt hat die intraoperative OCT damit Operationen an Vorder- und Hinterabschnitt des Auges vorangebracht. „Die OCT hat sich von einem reinen Diagnostikinstrument zu einem intraoperativen Kontroll-Tool entwickelt, das bessere und schonendere Augenoperationen ermöglicht, und das ist rein technisch gesehen vermutlich erst der Anfang“, bilanzierte DOG-Präsident Prof. Hans Hoerauf.