EASD 2025: Typ-2-Diabetes als beschleunigendes Element bei Entwicklung und Verlauf chronischer Erkrankungen

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Eine Auswertung von Daten aus der UK Biobank, bei der Menschen mit und ohne Typ-2-Diabetes einander gegenübergestellt wurden, zeigt Unterschiede bei der Entstehung und weiteren Entwicklung chronischer Erkrankungen auf.

Die neuen Forschungsergebnisse wurden gerade auf der Jahrestagung der European Association for the Study of Diabetes (EASD) in Wien (Österreich) vorgestellt. „Beunruhigenderweise entwickelte sich bei Menschen mit Typ-2-Diabetes im Vergleich zu solchen ohne diese Erkrankung rasch eine weitere Krankheit“, erklärte Hauptautor Dr. Jie Zhang vom Steno Diabetes Center Aarhus in Dänemark. Diese Beschleunigung sei in allen Altersgruppen zu beobachten gewesen, betonte der Wissenschaftler – wobei das Muster bei Erwachsenen mittleren Alters aber stärker ausgeprägt war.

Typ-2-Diabetes weiterhin auf dem Vormarsch

„Unsere Ergebnisse unterstreichen, dass Typ-2-Diabetes ein Schlüsselfaktor für Multimorbidität und die Notwendigkeit stadienspezifischer Behandlungsstrategien ist“, ergänzte der Wissenschaftler. Diese Strategien müssten auf die verschiedenen Phasen der Entwicklung chronischer Erkrankungen zugeschnitten sein.

Prognosen zufolge wird sich Typ-2-Diabetes zur weltweit größten epidemischen Erkrankung entwickeln: Man geht davon aus, dass bis zum Jahr 2050 etwa 1,3 Milliarden Menschen davon betroffen sein werden. Bekanntermaßen tritt Typ-2-Diabetes häufig zusammen mit anderen chronischen Erkrankungen wie Hypertonie, Herzinsuffizienz, chronischer Nierenerkrankung und Depression auf und trägt erheblich zur globalen Multimorbiditätslast bei. Bislang weiß man allerdings noch nicht genug darüber, wie rasch bei Patienten mit Typ-2-Diabetes weitere chronische Erkrankungen auftreten. Auch inwieweit die Progressionsrate je nach Alter variiert, ist noch nicht ausreichend erforscht.

Untersuchung von Verläufen anhand von Personen aus der UK Biobank

Daher untersuchte die dänische Arbeitsgruppe, welchen Einfluss ein Typ-2-Diabetes auf die Rate der Entwicklung chronischer Erkrankungen bei 502.368 Personen aus der UK Biobank hatte. Das Durchschnittsalter der Probanden zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Analyse betrug 58 Jahre. Bei rund 46 Prozent handelte es sich um Männer. Die Forschenden griffen auf die Patientenakten zu, um über einen Zeitraum von durchschnittlich 15 Jahren hinweg zu beobachten, wie sich die Gesundheit der Untersuchten entwickelte. In diesem Zeitraum wurde bei 47.725 (9,5%) Teilnehmern ein Typ-2-Diabetes diagnostiziert und ermittelt, wie viele weitere Erkrankungen bei den Patienten in der Folge auftraten. Berücksichtigt wurden dabei 80 chronische Langzeiterkrankungen.

Um zu berechnen, wie schnell sich diese Erkrankungen entwickelten, verwendeten die Forscher Multistate-Modelle, um die Übergangsraten zwischen Gruppen mit gleichwertiger Gesamtmorbidität einander gegenüberzustellen. So ermittelten sie beispielsweise, wie lange es dauerte, bis jemand mit Diagnose Typ-2-Diabetes und einem weiteren chronischen Leiden eine dritte Erkrankung entwickelte. Dies verglichen sie mit der Zeit, die verging, bis bei jemandem mit zwei chronischen Erkrankungen (ohne Typ-2-Diabetes) eine weitere Erkrankung auftrat. Dieser Ansatz isoliert die Rolle von Typ-2-Diabetes, indem sichergestellt werde, dass beide Gruppen (mit und ohne Diabetes) mit der gleichen Gesamtzahl chronischer Erkrankungen starten.

Risiko für weitere Erkrankung bei Typ-2-Diabetes um 60 Prozent erhöht

Personen mit Typ-2-Diabetes zeigten durchweg höhere Übergangsraten (raschere Progression) zwischen mehreren Krankheitsstadien. Beispielsweise entwickelten Personen mit zwei chronischen Erkrankungen (eine davon Typ-2-Diabetes) mit einer Rate von 5,7 Prozent pro Jahr ein drittes Leiden, verglichen mit 3,5 Prozent pro Jahr bei Personen mit zwei Erkrankungen ohne Typ-2-Diabetes. Dies entspricht einem um 60 Prozent höheren Risiko für die Diagnose einer neuen Erkrankung bei Menschen mit im Vergleich zu Personen ohne Typ-2-Diabetes.

Die Analyse der Unterschiede im Risiko einer Multimorbiditätsprogression in verschiedenen Altersstufen unter Berücksichtigung von Geschlecht, Bildung und Body-Mass-Index (BMI) ergab Folgendes: Probanden mit Typ-2-Diabetes in den jüngeren Altersgruppen (40–55 Jahre) häuften schneller Erkrankungen an als ihre Entsprechungen in den älteren Altersgruppen. „Dieses Ergebnis unterstreicht, wie wichtig eine frühzeitige Intervention in der Lebensmitte ist, um die Progression von Multimorbidität zu bremsen“, erläuterte Dr. Zhang. „Die Gründe, aus denen Personen mit Typ-2-Diabetes in den jüngeren Altersgruppen anscheinend eine raschere Progression erleiden, müssen weiter erforscht werden.“

Typ-2-Diabetes als Faktor in der Krankheitsdynamik

„Die wichtigste Botschaft unserer Ergebnisse ist, dass bei Personen mit derselben Anzahl chronischer Erkrankungen diejenigen mit im Vergleich zu solchen ohne Typ-2-Diabetes rascher eine Progression hin zu einem weiteren Leiden erfahren“ sagte Zhang. „Dies verdeutlicht die Rolle, die Typ-2-Diabetes für die Dynamik spielt: Denn der Zusammenhang zwischen Typ-2-Diabetes und Krankheitsverlauf war in frühen Stadien am stärksten und nahm mit fortschreitender Multimorbidität allmählich ab.“

Die Autoren räumen mehrere Einschränkungen der Aussagekraft ihrer Studie ein. Dazu gehört, dass Risikofaktoren wie sozioökonomischer Status, Rauchen, Ernährung und klinische Werte nur zu Beginn der Studie erhoben wurden – Veränderungen während der Nachbeobachtung wurden somit nicht berücksichtigt. Die Wissenschaftler weisen außerdem darauf hin, dass ein Detektionsbias die Ergebnisse beeinflusst haben könnte, da Personen mit Typ-2-Diabetes häufiger medizinisch überwacht werden. Es ist daher möglich, dass weitere chronische Erkrankungen früher erkannt werden. Da es sich zudem um eine deskriptive Studie handelt, war die Ermittlung kausaler Zusammenhänge nicht möglich. In zukünftigen Studien sollten die Mechanismen erforscht werden, die den aktuellen Beobachtungen zugrunde liegen, meinen die Autoren.

Einen weiteren wichtigen Punkt in Bezug auf die Einschränkung der Studie sehen die Forschenden zudem in der untersuchten Kohorte: Bekanntermaßen seien die Personen in der UK Biobank gesünder und von höherem Bildungsstand als die Allgemeinbevölkerung, sodass die Ergebnisse möglicherweise nicht auf Personen aus anderen Bevölkerungsgruppen übertragbar seien.

(ac)