Eichhörnchen passen ihre tageszeitlichen Aktivitäten an Menschen und Tiere an25. November 2024 Eichhörnchen in einem Berliner Garten, aufgenommen von einer Wildtierkamera. Foto: © Leibniz-IZW Forschungen vor und während des CoVid-19-Lockdowns im Jahr 2020 in Berlin zeigen, dass in der Stadt lebende Eichhörnchen geschickte Anpassungstalente sind und ihre tageszeitlichen Aktivitäten äußerst flexibel an der Anwesenheit von Menschen, Hunden, Katzen und Beutegreifern wie Steinmardern ausrichten. Mit Hilfe von Wildtierkameras zeichneten Forscher des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) und Bürgerwissenschaftler in privaten Gärten die Aktivitäten der Nager über längere Zeiträume auf und verglichen diese zwischen den verschiedenen Tages- und Jahreszeiten. Welche räumlichen und zeitlichen Nischen die Eichhörnchen besetzen, dass sie vor allem freilaufende Katzen fürchten und während des Lockdowns aktiver waren als vorher, ist in einem Aufsatz in der Fachzeitschrift „Frontiers in Ecology and Evolution“ beschrieben. Das Eurasische Eichhörnchen (Sciurus vulgaris), gemeinhin als Eichhörnchen bekannt, begegnet im städtischen Raum einer Vielzahl von Herausforderungen. Gleichzeitig bieten Kleingärten, Hinterhöfe und Parkanlagen durchaus geeignete Lebensräume für Wildtiere. Eine wesentliche Überlebens-Strategie der Eichhörnchen besteht darin, ihre Aktivitäten an die Präsenz von Menschen und deren Haustiere sowie an Beutegreifer anzupassen, um Nahrungs-Ressourcen effizient zu nutzen und dabei das eigene Sterblichkeitsrisiko zu minimieren. Insbesondere die ständige Störung durch Haustiere wie freilaufende Katzen zwingt die kleinen Nager, ihren Aktionsradius räumlich und zeitlich deutlich zu beschränken. Sie meiden dabei bestimmte Gebiete gänzlich und sind in anderen Gebieten nur in kurzen Zeiträumen aktiv. Katzen stellen das größte Risiko dar Das Team unter der Leitung von Prof. Stephanie Kramer-Schadt, Leiterin der Leibniz-IZW-Abteilung für Ökologische Dynamik und Professorin an der Technischen Universität Berlin, analysierte Daten von Wildtierkameras des Berliner Citizen-Science-Projekt „Wildtierforscher“, die in den Jahren 2019 und 2020 in vier Erhebungsphasen, darunter Frühling und Herbst vor und während der SARS-CoV-2-Lockdowns, aufgezeichnet wurden. Im Fokus der Untersuchungen standen die saisonalen und tageszeitlichen Aktivitätsmuster von Eichhörnchen in verschiedenen urbanen Kontexten sowie die Reaktionen der Tiere auf die Anwesenheit von Menschen, Katzen, Hunden und Beutegreifern wie Steinmardern. „Unsere Untersuchung zeigt, dass Eichhörnchen in erster Linie ihr Verhalten ändern, um Beutegreifern auszuweichen und nicht den Menschen“, fasst Kramer-Schadt zusammen. „Sie zeigen ein klares Risikoverhaltensmuster und eine Anpassung ihrer zeitlichen Aktivität. Wenn keine Beutegreifer auf den Bildern zu sehen waren, sahen wir einen Anstieg ihrer Aktivität, und die Eichhörnchen nutzten die Zeit, um sich auf dem Boden nach Nahrung umzusehen. Sind jedoch Beutegreifer anwesend, reduzieren sie ihre Aktivität, um das Risiko, selbst gefressen zu werden, zu minimieren.“ Katzen stellten die größte Bedrohung für Eichhörnchen dar, stellten die Forschenden fest und bestätigten damit frühere Untersuchungen, die negative Auswirkungen von Katzen auf Eichhörnchen und andere Wildtiere zeigen. „Im Gegensatz dazu können Eichhörnchen bei Steinmardern – deren Anwesenheit tagsüber selten und vor allem auf die Nacht beschränkt ist – wieder zu ihrem normalen Verhalten zurückkehren, wenn diese nicht mehr präsent sind“, sagt Sinah Drenske, Doktorandin am Leibniz-IZW und Erstautorin des wissenschaftlichen Artikels. „Die ständige Präsenz von Katzen zwingt Eichhörnchen jedoch dazu, permanent wachsam zu sein und sich laufend anzupassen.“ Hunde gelten oft als Stellvertreter für menschliche Aktivitäten, da Menschen mit ihnen spazieren gehen oder sie meist nur in den Garten lassen, wenn jemand zu Hause ist, zumindest in Berlin. „In unseren stündlichen und saisonalen Analysen zeigte sich kein signifikanter Einfluss von Hunden auf das Verhalten von Eichhörnchen“, so Drenske weiter. Dynamischer Balance-Akt zur Risikominimierung Die Ergebnisse verdeutlichen, dass das Leben von Eichhörnchen ein dynamischer Balance-Akt zwischen Nahrungsaufnahme und Risikominimierung ist. „Wir konnten belegen, dass während der Covid-Lockdowns die Aktivität der Eichhörnchen in Gärten zunahm. In dieser Zeit blieben die meisten Menschen zu Hause und einige nutzten die Gelegenheit, ihre Gärten mit lokalen Pflanzenarten oder Vogel- und Eichhörnchenfutterstellen wildtierfreundlicher zu gestalten. Die zusätzlichen Nahrungsquellen könnten Eichhörnchen dazu ermutigt haben, eher Gärten mit Futterstellen aufzusuchen“, sagt Drenske. Diese Beobachtung unterstreiche die Bedeutung von Garten- und Stadtgestaltung für das Wohlergehen urbaner Wildtiere – und das durchaus im positiven Sinne. So biete beispielsweise regelmäßige Anwesenheit von Menschen in städtischen Gärten einen Schutz vor Greifvögeln, die in der Stadt häufig vorkommen und sich von Menschen weitaus stärker fernhalten als Eichhörnchen. Die Arbeit führt Analysen der Aktivität von Wild- und Haustieren auf der Basis von Wildtierkameras in Berlin und Forschungen zu Eichhörnchen in der Stadt fort, die Kramer-Schadt‘s Team bereits zuvor publizierte: Eine 2021 im „Journal of Animal Ecology“ erschienene Forschungsarbeit beleuchtete beispielsweise, wie städtische Füchse, Waschbären, Steinmarder und Hauskatzen miteinander umgehen und wie gut sie mit dem Menschen auskommen. Alle drei Wildtierarten nutzten dieselben Orte – vorrangig in den Nachtstunden und zu unterschiedlichen Zeiten. Während der Lockdowns wurden sie häufiger fotografiert, vor allem nachts. Zudem meiden alle Wildtierarten die Hauskatzen, so das Ergebnis der damaligen Untersuchungen. Mit der aktuellen Analyse kann dieser Befund auf die Eichhörnchen erweitert werden. In einer im Herbst 2022 publizierten Forschungsarbeit untersuchten und modellierten die Forschenden die Lebensräume der Eichhörnchen in Berlin mit Hilfe von Computermodellen und Eichhörnchen-Sichtungen von Bürgerwissenschaftlern. Eichhörnchen gehören zu den in Großstädten am häufigsten gesichteten Wildtieren, die Verteilung ihrer Lebensräume gleicht jedoch eher einem Flickenteppich. Die Modelle führen die Sichtungen mit verschiedenen Umweltparametern zusammen und sind so ein wichtiges Instrument für die Stadtplanung, da sie Gegenden identifizieren, in denen Korridore zur Verbindung fragmentierter Lebensräume fehlen. Die Reaktion von Wildtieren aus allen Teilen der Welt während auf die „ Anthropause” der CoVid-Lockdowns zeichnete der Dokumentarfilm „Plötzlich Stille“ von Susanne Maria Krauß nach. Dr. Julie Louvrier, Wissenschaftlerin in der Leibniz-IZW-Abteilung für Ökologische Dynamik, stellte darin erste Ergebnisse der Covid-Lockdown-Studie mit den Wildtierkameras dar.
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