Ein interprofessioneller Blick auf den Notarztdienst

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Was der „Telenotarzt“ bringt, worauf es bei der Luftrettung ankommt oder welche grundlegenden und besonderen Kompetenzen ein Notarzt braucht – diese Fragen standen im Mittelpunkt der interprofessionellen DKOU-Session zum Notarztdienst.

„Kompetenzen bekommt man nicht einmal für sein Leben lang – wir brauchen die Fortbildung“, betonte Dr. Ulf Harding, Facharzt für Anästhesiologie und Notfallmedizin am Klinikum Wolfsburg. Er konstatierte, dass die ärztliche Mitwirkung nirgendwo sonst so stark in Frage gestellt werde, wie im Rettungsdienst. Harding sprach sich für ein gestuftes Notarztsystem aus, wie es in Berlin bereits existiert.

Von grundlegend bis extrem selten – welche Skills werden gebraucht?

Für PD Dr. Julian Friebel, Berlin, ist dieses System noch nicht der Weisheit letzter Schluss. Er gab einen Eindruck davon, wie häufig der Notarzt überhaupt benötigt wird, nämlich zunehmend seltener. Friebel zufolge werden die Notfallsanitäter immer besser und führen inzwischen zu Einsätzen, zu denen früher ein Arzt gefahren wäre. Benötigt werde der Notarzt vor allem für Situationen, die mit der Atemwegssicherung zu tun hätten. Sicher beherrschen sollte ein Notarzt daher prähospitales Notfallatemwegsmanagement sowie invasive und nichtinvasive Notfallbeatmungsformen, aber auch „Advanced Cardiac Life Support“ – also bei Neugeborenen, Kindern oder Erwachsenen mit besonderen Anforderungen. Daneben sollten Differenzialdiagnostik, Blutgasanalysen, prähospitale Notfallsonografie, Geburtskomplikationen und Kindernotfälle zum Repertoire gehören.

PD Dr. Peter Hilbert-Carius widmete sich den „Kolibris, also Maßnahmen, die wir extremselten durchführen.“ Aber sind die Durchführung einer Notfallthorakotomie (Clamshell) oder einer REBOA („Resuscitative Endovascular Balloon Occlusion of the Aorta“) wichtige Skills für den Notarzt? Hilbert-Carius zufolge erfordern beide Eingriffe einen hohen Trainingsaufwand, müssen aber extrem selten durchgeführt werden. Das gilt auch für die prähospitale Blutgabe. Diese sei logistisch schwierig, aber machbar. Hilbert-Carius betonte, dass das richtige Verfahren beim richtigen Patienten mit der richtigen Indikation Leben retten kann. Realisierbar sei das aber eher für spezielle „Critical Care Teams“, so sein Fazit.

Großes Potenzial der Telemedizin, auch mit Blick auf Fortbildung

Wo keine ärztlich-handwerklichen Skills erforderlich sind, kann Telemedizin zum Einsatz kommen. Angesichts steigender Einsatzzahlen für den Rettungsdienst und knapper werdenden Personalressourcen könne Telemedizin helfen, Ressourcen zielgerichtet und sinnvoll zu verteilen, erklärte Dr. Florian Reifferscheid, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften Notärzte Deutschland e.V. (Berlin). „Hier gibt es erfreulicherweise Aktivitäten im gesamten Bundesgebiet“, so Reifferscheid. Telenotfallmedizin sei in fast allen Bundesländern zumindest geplant, Vorreiter der Entwicklung ist Nordrhein-Westfalen.

Dabei muss der Einsatz der Telenotfallmedizin nicht nur auf die Arbeit am Patienten beschränkt bleiben: Gerade mit Blick auf Teaching und Supervision aller am Rettungsdienst Beteiligten sieht Reifferscheid großes Potenzial, der hervorhob: „Begleitung und Supervision sind wichtige Instrumente, um die Qualität zu verbessern.“ Reifferscheid sieht die Telenotfallmedizin als Ergänzung – nicht als Ersatz. Sie biete die Möglichkeit, Telefachärzte für spezielle Fragen, beispielsweise in der Neonatologie, Pädiatrie, Geburtshilfe oder weiteren Fachgebieten, hinzuzuziehen.

Luftrettung ausbauen

Letzten Endes muss im Notfall aber der Arzt zum Patienten oder dieser in die geeignete Klinik, die gerade in Flächenländern nicht immer schnell zu erreichen ist – die Luftrettung kann diese Lücke schließen. Wie Holger Harbs (Kiel) ausführte, liegt die Stärke er Luftrettung mit Blick auf die Prähospitalzeit nicht nur in der schnellen Arztzubringung, sondern auch in einem zielgerichteten und zügigen Transport in ein geeignetes Zentrum.

Im Hinblick auf die bestmögliche Versorgung des Patienten empfahl Harbs – bei entsprechender Tracerdiagnose – den Hubschrauber parallel zum bodengebundenen Rettungsdienst zu alarmieren. Harbs forderte für die Zukunft einen Ausbau der Luftrettung, insbesondere der nächtlichen Luftrettung. Sinnvoll sei auch der Einsatz entsprechender Instrumente, um unabhängiger von Wetterbedingungen zu werden. Außerdem mahnte Harbs an, im Zuge der Krankenhausplanung die Luftrettung mitzudenken durch 24/7 erreichbare Landestellen an Kliniken und dezentrale Anlaufstellen. (ja)