Ein Jahr Ampel-Koalition: Fortschrittsversprechen muss in der Industriepolitik ankommen

Ullrich Krauss (Bild: Spectaris)

Der Industrieverband Spectaris hat eine durchwachsene Bilanz zum ersten Jahr der Legislaturperiode der Koalitionsregierung gezogen. Baustellen wie Bürokratieabbau und Forschungsförderung blieben bislang auf der Strecke.

„Mehr Fortschritt wagen“ wollte die Ampelkoalition mit der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags am 7. Dezember 2021. Der deutsche Industrieverband SPECTARIS zog zum Jahrestag eine Zwischenbilanz und stellte den Koalitionären ein durchwachsenes Zeugnis aus.

Die Auswirkungen des Ukraine-Krieges überschatten das erste Regierungsjahr auch weiterhin und die Bevölkerung sowie die deutsche Hightech-Industrie blicken angesichts drastischer Preissteigerungen für Energie mit Sorge auf den Winter. Umso mehr sieht der Industrieverband jetzt industriepolitisches Engagement gefragt: „Trotz ihres wichtigen und größtenteils effektiven Krisenmanagements muss die Bundesregierung den Fokus jetzt auch auf wegweisende industriepolitische Entscheidungen richten, um ihr Versprechen des ‚Fortschritts‘ einzulösen. Ein Doppelwumms zur Entbürokratisierung und Forschungsförderung ist gefragt,“ betonte der Spectaris-Vorsitzende Ullrich Krauss.

Der Blick zurück verdeutliche dem Verband zufolge, dass ein uraltes Problem deutscher Industriepolitik noch immer hartnäckig bestehen bleibt: die immense Bürokratie. So stiegen die Bearbeitungszeiten beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) für genehmigungspflichtige Ausfuhren, Auskünfte zur Güterliste oder Empfängeranfragen immer weiter. Und das, obwohl die große Exportstärke deutscher Hightech-Industrien doch einen möglichst barrierefreien Zugang zu Auslandsmärkten voraussetze. Zwar gelobe das zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz Besserung durch personelle Aufstockung in den beteiligten Referaten, jedoch fehle es an einem belastbaren Zeitplan für die Umsetzung. „Die bürokratischen Hürden und der damit verbundene Antragsstau rauben den Unternehmen kostbare Zeit und vereiteln immense Exportchancen,“ verdeutlichte Krauss.

Positiv hat der Industrieverband dagegen die in diesem Jahr beschlossene Fachkräftestrategie der Bundesregierung bewertet. Dem Fachkräftemangel lässt sich entgegensteuern mit einem – vom Verband schon lange geforderten – vereinfachten und beschleunigten Einstieg von qualifizierten Fachkräften aus dem außereuropäischen Ausland in den deutschen Arbeitsmarkt, ist man überzeugt.

Der Industrieverband drängt zudem darauf, sich gegenüber China als wichtigsten Handelspartner Deutschlands klar zu positionieren. Die Ampelkoalition habe mit dem Entwurfspapier für eine nationale China-Strategie verdeutlicht, dass sie Deutschlands Abhängigkeit von China zügig und mit für die deutsche Industrie vertretbaren Kosten verringern will. So sehe die Strategie vor, Investitionsgarantien künftig bei drei Milliarden Euro pro Unternehmen pro Land zu deckeln. Investitionsgarantien sollen zudem einer vertieften Prüfung unterzogen werden – von Umweltkriterien bis hin zu Sozialstandards.

Kritisch sieht Spectaris jedoch die innovationspolitischen Entscheidungen der Ampelregierung für den Bundeshaushalt 2023: „Budgetkürzungen für das Forschungsförderprogramm der industriellen Gemeinschaftsforschung und massive Kürzungen in den für die Außenwirtschaftsförderung wichtigen Auslandsmesse- als auch Markterschließungsprogrammen lassen eine zukunftsorientierte Industriepolitik vermissen“, so Krauss. Dem Leitgedanken des Koalitionsvertrags zu „Mehr Fortschritt wagen“ werde man damit nicht gerecht.