Ein Neuron kann einen Dominoeffekt auslösen7. März 2018 Das “fliegende Genom”: Die genetische Modellfliege Drosophila wurde von Prof. Grunwald Kadows Arbeitsgruppe bezüglich ihres Alterungsprozesses untersucht. (Foto: Ariane Böhm/TUM) Beim Verlust des Geruchssinns mit zunehmendem Alter spielen nicht generelle Degenerationen im Nervensystem die tragende Rolle, sondern entscheidend sind lediglich einzelne Nervenzellen oder Klassen von Nerven. Einzelne Nervenzellen oder Neuronenklassen im Gehirn altern scheinbar schneller als andere. So zählt etwa der Verlust des Geruchssinnes zu den ersten klinischen Zeichen für den natürlichen Alterungsprozess. Damit einhergehen kann auch eine neurodegenerative Erkrankung wie Alzheimer oder Morbus Parkinson. „Alter ist der große Risikofaktor, warum Menschen an Alzheimer oder Parkinson erkranken“, sagt Prof. Ilona Grunwald Kadow von der Professur für Neuronale Kontrolle des Metabolismus an der Technischen Universität München (TUM) – „nur ein kleiner Anteil erkrankt daran aufgrund bekannter genetischer Gründe.“ Die Frage sei jedoch, warum altern manche Neuronen schneller als andere? Wieso sind manche empfindlicher? Und ist die Schädigung bestimmter Neuronentypen der Grund, warum ganze Nervennetzwerke nicht mehr richtig funktionieren? Licht ins Dunkel wirft eine Studie unter der Leitung von Prof. Grunwald Kadow (TUM) in Zusammenarbeit mit den Arbeitsgruppen von Prof. Julien Gagneur (TUM), Prof. Stephan Sigrist (Freie Univ. Berlin) und Prof. Nicolas Gompel (LMU), bei der anhand von Nervenzellen am genetischen Modellorganismus der Fruchtfliege belegt wird, wie das Geruchsvermögen der Tiere altert und wie sehr das dem Alterungsprozess im menschlichen olfaktorischen System ähnelt. Dabei identifizierten die Wissenschaftler mehrere Schlüsselgene und Mechanismen, die zur Alterung beitragen – so verliert etwa auch die Fruchtfliege mit zunehmendem Alter ihre Riechkraft. Welche Neuronen sind betroffen? Im nächsten Schritt überprüften die Wissenschaftler, ob alle oder nur spezielle Neuronen des olfaktorischen Kreislaufs betroffen sind. Erste Hinweise darauf, welche Neuronen empfindlicher sind als andere, kann das Team in seiner Studie liefern. Das Team stellte außerdem fest, dass oxidativer Stress einzelne Nervenzellgruppen verändert, wodurch nach und nach die Funktionsfähigkeit des gesamten neuronalen Netzwerkes zusammenbricht. Denn oxidativer Stress sorgt im Körper für zu viele reaktive Sauerstoffverbindungen, die vorübergehende oder bleibende Schäden und ein beschleunigtes Altern auslösen können. Wenn die Bildung dieser reaktiven Sauerstoffverbindungen in nur diesem Neuronentyp verhindert wird, hält dies den Verlust des Geruchssinns komplett auf: Alte Fliegen riechen wieder wie ihre jungen Artgenossen. Dies deutet darauf hin, dass altersbedingte Degenerationen signifikant verzögert werden könnten, indem oxidative Schäden in nur einem oder wenigen Neuronentypen unterbunden werden. Doch was kann oxidativen Stress in seiner Wirkung verringern? Ein Versuch mit einem Antioxidans in Form einer mehrwöchigen Resveratrol-Gabe bei jüngeren Fliegen zeigte, dass es oxidativem Stress entgegenzuwirken scheint, der sich während des Alterns aufbaut. So könnte der Schutz der besonders empfindlichen Neurone zumindest teilweise dazu beitragen, die Funktion eines mit ihnen verbundenen Nervennetzwerks bei älteren Menschen aufrechtzuerhalten und damit das mit dem Altern zusammenhängende Auftreten von neurodegenerativen Erkrankungen zu verlangsamen. Ein weiterer möglicher Faktor, der am Alterungsprozess mitspielt: das Darmmikrobiom. Es könnte in das Fortschreiten der Parkinson-Krankheit verwickelt sein. Das Team um Kadow hat daher ebenfalls die Mikrobiota-Wirkung auf die olfaktorische Alterung bei Fruchtfliegen getestet mit dem Ergebnis, dass bestimmte Mikrobiota einen positiven Effekt haben. Sie können die mit dem Altern verbundene olfaktorische Neurodegeneration verlangsamen. Diese Erkenntnisse und weitere laufende Versuche am Fruchtfliegenmodell können laut Kadow den Weg ebnen zu gezielteren und neuen Behandlungs- und Therapiewegen, bei denen unter anderem Medikamenten- oder Mikrobiota-Gaben miteinander kombiniert würden. Originalpublikation: Hussain A et al.: eLife 1/2018.
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