Ein Plädoyer für die sprechende Medizin – DOG-Keynote-Lecture von Ferenc Kuhn20. Oktober 2020 DOG-Keynote-Lecturer Prof. Ferenc Kuhn. Bildquelle: Kuhn/(privat) Ein Plädoyer für die sprechende Medizin war die DOG-Keynote-Lecture von Prof. Ferenc Kuhn (Birmingham, AL, USA). Der Vitreoretinalchirurg und amtierende Präsident der International Society of Ocular Trauma (ISOT) schilderte in seinem Vortrag „Counseling – The patient-doctor relationship“ anhand mehrerer Beispiele aus der Praxis die Bedeutung des Gespräches mit dem Patienten über seine Erkrankung. Das Fazit der Keynote-Lecture lautete: „Der Patient entscheidet, was getan wird.“ Eröffnet hatte Kuhn seinen Vortrag mit einer Frage, die ihm während eines Experten-Panels gestellt worden war: „Wann operiert man ein Makulaloch?“ Darauf, so Kuhn, habe er mit einer Gegenfrage reagiert: „Operieren wir ein pathologisches Gewebe, ein Auge mit einer Erkrankung oder einen Patienten mit einer Augenerkrankung?“ Die Reduzierung eines Patienten auf eine Diagnose lehnt Kuhn ab, ebenso ein schematisches Vorgehen bei der Wahl der Therapie, denn kein Patient sei gleich, jeder habe eine individuelle Persönlichkeit, individuelle Notwendigkeiten, Erwartungen, Lebensumstände. An einem Patientenbeispiel zeigte er, wie schwierig im konkreten Einzelfall die Entscheidung für oder auch gegen einen Eingriff sein kann – etwa dann, wenn das Auge mit Makulaloch das Auge eines 40-jährigen Patienten mit fortgeschrittener Retinitis pigmentosa ist und dieses Auge sein letztes ist. „Operieren oder doch eher zuwarten? Wer entscheidet das?“, fragte Kuhn und verdeutlichte mehr und mehr, dass diese Entscheidung letztlich der Patient und nicht der Arzt trifft. Die Aufgabe des Arztes sei vielmehr, dem Patienten diese Entscheidung zu ermöglichen. Aufklärung braucht ZeitPatientenaufklärung sei schwierig, räumte Kuhn ein, sie erfordere Erfahrung, Expertise und Zeit, ja, sie dauere zuweilen länger als die Behandlung selbst. Merksätzen gleich formulierte Kuhn immer wieder klare Aussagen wie: Das Aushändigen einer Patienteninformation mit dem Hinweis „lesen und unterschreiben“ ist keine Aufklärung.Patientenaufklärung ist niemals ein Monolog, sie muss das Feedback des Patienten, auch das nonverbale, einbeziehen.Der Patient soll ermuntert werden, Fragen zu stellen.Aufklärung heißt nicht, dem Patienten die eigene bevorzugte Option aufzudrängen, sondern so objektiv wie möglich zu sein. Das Wichtigste: Empathie Das Wichtigste bei der Aufklärung, so resümierte Kuhn, sei Empathie, das Verstehen der Angst des Patienten. Entscheidend für den Patienten seien hier auch das Verhalten und die Wortwahl des Arztes. Patientenaufklärung sei nicht nötig, um dem Arzt die Entscheidung abzunehmen oder um sich selbst als Arzt zu schützen, ging Kuhn vertiefend auf die Patienten-Arzt-Beziehung ein. Aufklärung sei vielmehr erforderlich, um dem Patienten die Komplexität und die Schwierigkeit sowohl der Erkrankung als auch der Behandlungsoptionen, der potenziellen Komplikationen dieser Optionen und der Prognose verständlich zu machen. Nur so könne schließlich auch die Kooperationsbereitschaft des Patienten hergestellt werden. Der Patient entscheidetAuf die oft gestellte Patientenfrage, was denn der Arzt in derselben Situation tun würde, gebe es nur eine ehrliche Antwort, meinte Kuhn, nämlich: „Ich weiß es nicht.“Wenn ein Patient unentschieden bleibe, sei der Arzt gefordert, das schon Gesagte nochmals auf andere Art zu erklären. „Man braucht Geduld“, räumte Kuhn ein, und ja, es gebe auch schwierige Patienten – die, die zu viel redeten, die vorgäben, alles zu wissen oder sich wie ein VIP verhielten. Letzten Endes aber heiße die Botschaft: Patientenaufklärung ist so wichtig wie die Behandlung selbst, denn: Der Patient entscheidet, was getan wird. (dk)
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