Ein Protein, zwei lichtaktivierbare Zustände

Kristin Labudda und Carsten Kötting vom Lehrstuhl für Biophysik der Ruhr-Universität Bochum. Foto: ©RUB/Kramer

Interessant für die Optogenetik: Ein Ionenkanal aus der Alge Guillardia theta besitzt zwei lichtaktivierbare Zustände. Der neu entdeckte zweite Zustand sorgt dafür, dass der Ionenkanal nach dem Schließen besonders schnell wieder geöffnet werden kann.

Das Team um Dr. Kristin Labudda und PD Dr. Carsten Kötting vom Lehrstuhl für Biophysik der Ruhr-Universität Bochum sowie Prof. Till Rudack von der Universität Regensburg berichtet über seine Ergebnisse in der „Communications Biology“.

Optogenetik mit Potenzial in der Therapie

Im Rahmen der Optogenetik werden bestimmte Nervenzellen genetisch so verändert, dass sie lichtempfindliche Proteine aus anderen Organismen herstellen. Anschließend lässt sich die Aktivität der modifizierten Nervenzellen über Licht steuern. „Wird Licht auf diese Proteine gerichtet, verändern sie ihre Struktur und aktivieren oder hemmen so die Zellen“, erklärt Rudack.

Seit einer Weile experimentieren Forschende mit der Optogenetik auch für die Therapie bestimmter Krankheiten. „Die Optogenetik ist eine vielversprechende neue Methode, beispielsweise für die Behandlung der Parkinson-Krankheit“, so Kötting. „Mit ihr könnten sich geschädigte Nervenzellen im Gehirn wieder aktivieren und motorische Fähigkeiten teilweise zurückgewinnen lassen.“

Ionenkanal GrACR1 besonders gut untersucht

Geforscht wird auch mit Blick auf Hör- und Sehsinn oder Epilepsie. Bis sich das Verfahren möglicherweise im klinischen Alltag etablieren kann, ist es allerdings noch ein weiter Weg. Daher arbeiten Teams weltweit daran, lichtempfindliche Proteine besser zu verstehen und optimale Kandidaten für die Optogenetik zu identifizieren.

Ein gut untersuchtes Protein ist der Ionenkanal GtACR1 aus der Alge Guillardia theta, ein Kanalrhodopsin, welches der Alge als Lichtsensor dient. Wird GtACR1 durch Lichteinfall aktiviert, so öffnet sich die Pore des Kanals und negativ geladene Ionen wie Chlorid strömen hindurch.

Auch Zwischenzustand durch Licht aktivierbar

In der aktuellen Studie zeigten die Bochumer und Regensburger Forschenden, warum GtACR1 so effizient ist. Sie untersuchten den Ionenkanal mit der Fourier-Transformations-Infrarot-Spektroskopie, mit der sich strukturelle Zustände von Proteinen erfassen lassen. So wies die Gruppe nach, dass GtACR1 gleich zwei lichtaktivierbare Zustände besitzt: den bekannten Grundzustand und zusätzlich ein Zwischenstadium namens O-Intermediat.

Bei Dunkelheit liegt der Grundzustand vor, aus dem bei der ersten Aktivierung des Kanals durch Licht wie auch bei anderen Kanalrhodopsinen der normale Fotozyklus hervorgeht. Im Laufe dieses Zyklus werden verschiedene Zwischenstadien oder Intermediate durchlaufen, die sich in ihrer Struktur und Ionenleitfähigkeit unterscheiden.

Eines davon ist das O-Intermediat, welches dem Grundzustand mehrere Sekunden vorausgeht. Durch die im O-Intermediat vorliegende Konfiguration des Retinals – dem Baustein, der als direkter Lichtsensor dient, – ist dieses jedoch beim GtACR1 im Gegensatz zu anderen Kanalrhodopsinen lichtaktivierbar.

Schnelles Öffnen erhöht Ionenleitfähigkeit

„Der von uns entdeckte zweite lichtaktivierbare Zustand sorgt dafür, dass der Kanal besonders schnell wieder geöffnet werden kann, was seine Ionenleitfähigkeit deutlich erhöht“, erläutert Labudda. Für die Anwendung in der Optogenetik bedeutet die höhere Ionenleitfähigkeit, dass sehr präzise auf Reize reagiert werden kann und die Zellen gezielter angesteuert werden können. Das eröffnet neue Möglichkeiten für optogenetische Anwendungen.

„Mit unserer Arbeit haben wir zum ersten Mal ein Kanalrhodopsin mit mehreren lichtaktivierbaren Zuständen entdeckt“, resümiert Kötting. „Es sollte möglich sein, auch bei anderen Kanalrhodopsinen durch Mutationen weitere lichtaktivierbare Zustände zu erzeugen und so ihre Wirksamkeit zu erhöhen. Diese Erkenntnisse können den Weg zu noch effizienteren Werkzeugen in der Optogenetik ebnen – mit vielversprechenden Perspektiven für Forschung und Medizin.“