Einer von zwei hospitalisierten COVID-19-Betroffenen entwickelt eine Komplikation29. Juli 2021 Foto: © Rungruedee/stock.adobe.com Eine Beobachtungsstudie mit mehr als 70.000 Menschen in 302 britischen Krankenhäusern hat ergeben, dass jede zweite mit COVID-19 hospitalisierte Person mindestens eine Komplikation entwickelte. Die neue Studie, die in „The Lancet“ veröffentlicht wurde, ist laut den Autorinnen und Autoren die erste, die systematisch eine Reihe von Komplikationen im Krankenhaus und deren Assoziationen mit Alter, Geschlecht und ethnischer Zugehörigkeit sowie deren Outcomes für die Patientinnen und Patienten untersuchte. Die Verfasserinnen und Verfasser der Studie sagen, dass diese Komplikationen angesichts der anhaltenden COVID-19-Pandemie wahrscheinlich wichtige kurz- und langfristige Auswirkungen auf die Betroffenen, die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen, die Bereitschaft des Gesundheitssystems und die Gesellschaft haben werden. Sie stellen auch fest, dass sich diese Komplikationen von Long-COVID-Symptomen bei Patientinnen und Patienten mit COVID-19 unterscheiden, die nicht in ein Krankenhaus eingeliefert wurden. Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erklären, ist das Ausmaß der Komplikationen bei hospitalisierten Personen mit COVID-19 selbst bei jungen, zuvor gesunden Personen hoch: 27 Prozent der 19- bis 29-Jährigen und 37 Prozent der 30-39-Jährigen erleiden eine Komplikation. Die Forschenden stellen auch fest, dass akute Komplikationen mit einer verminderten Fähigkeit zur Selbstversorgung bei der Entlassung verbunden sind: 13 Prozent der 19-29-Jährigen und 17 Prozent der 30-39-Jährigen sind nach der Entlassung aus dem Krankenhaus nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen. In der Studie wurden Fälle aus dem Zeitraum 17. Januar bis 4. August 2020 untersucht, also bevor Impfstoffe allgemein verfügbar waren und bevor neue Varianten des Virus auftraten. Die Autorinnen und Autoren stellen jedoch fest, dass ihre Ergebnisse weiterhin relevant dahingehend relevant sind, dass sie die Behauptung zurückweisen, dass COVID-19 für jüngere gesunde Erwachsene – von denen viele ungeimpft bleiben – kein Risiko darstelle. Die Autorinnen und Autoren mahnen, dass politische Entscheidungsträger das Komplikationsrisiko für COVID-19-Überlebende berücksichtigen müssen, nicht nur die Sterblichkeit, wenn sie Entscheidungen zur Lockerung von Beschränkungen treffen. Die Forschenden prognostizieren, dass COVID-19-Komplikationen in den kommenden Jahren wahrscheinlich erhebliche Herausforderungen für den Einzelnen sowie für die Gesundheits- und Sozialsysteme darstellen werden. Politische Entscheidungsträger und Personen, die an der Gestaltung des Gesundheitssystems beteiligt sind, sollten damit rechnen, dass ein großes Maß von Ressourcen nötig sein wird, um COVID-19-Überlebende zu unterstützen. Prof. Calum Semple von der University of Liverpool (Großbritannien), einer der Seniorautoren der Studie, sagt: „Diese Arbeit widerspricht dem aktuellen Narrativ, dass COVID-19 nur bei Menschen mit bestehenden Komorbiditäten und älteren Menschen gefährlich ist. Dem entgegenzutreten und sich an der wissenschaftlichen Debatte um ein solches Narrativ herum zu beteiligen, ist immer wichtiger geworden. Die Schwere der Erkrankung zum Zeitpunkt der Hospitalisierung ist ein Prädiktor für Komplikationen auch bei jüngeren Erwachsenen. Daher erfordert die Prävention von Komplikationen eine primäre Präventionsstrategie, das heißt eine Impfung.“ Prof. Ewen Harrison von der University of Edinburgh (Großbritannien), ebenfalls Seniorautor der Studie, sagt: „Hospitalisierte COVID-19-Patientinnen und Patienten litten häufig an Komplikationen der Krankheit, selbst in jüngeren Altersgruppen und ohne Vorerkrankungen. Diese Komplikationen können jedes Organ betreffen, insbesondere aber die Niere, das Herz und die Lunge. Diejenigen mit Komplikationen hatten bei der Entlassung aus dem Krankenhaus einen schlechteren Gesundheitszustand, und einige werden langfristige Folgen haben. Wir haben jetzt ein detaillierteres Verständnis von COVID-19 und den damit verbundenen Risiken, auch für jüngere, ansonsten gesunde Menschen.“ Harrison fügt hinzu: „Unser Review zeigt einige aufschlussreiche Muster und Trends auf, die Gesundheitssystemen und politischen Entscheidungsträgern Informationen über die Auswirkungen von COVID-19 bieten können. Unsere Ergebnisse können auch zur Kommunikation in Sachen öffentliche Gesundheit beitragen, wenn es um die Vermittlung des Risikos geht, dem jüngere, ansonsten gesunde Personen durch COVID-19 auf Bevölkerungsebene ausgesetzt sind, insbesondere im Hinblick auf die Bedeutung der Impfung für diese Gruppe.“ Ältere Studien zu den Auswirkungen von COVID-19 auf Patientinnen und Patienten konzentrierten sich auf die Zahl der Todesfälle oder auf Outcomes im Zusammenhang mit einem bestimmten Organsystem oder dem Gesundheitszustand allgemein. In der neuen Studie nun wurden Komplikationen im Krankenhaus bei Erwachsenen im Alter ab 19 Jahren mit bestätigter SARS-CoV-2-Infektion oder einem starken Verdacht auf eine solche untersucht. Die Daten wurden von Pflegepersonal und Studierenden der Medizin gesammelt und umfassten das Alter der Teilnehmenden, das Geschlecht bei der Geburt, medizinische Daten zum Zeitpunkt der Hospitalisierung sowie Komorbiditäten (Asthma, chronische Herzerkrankungen, chronische hämatologische Erkrankungen, chronische Nierenerkrankungen, chronische neurologische Erkrankungen, chronische Lungenerkrankungen, HIV/AIDS, Krebs, Lebererkrankungen, Fettleibigkeit, rheumatologische Erkrankungen und Rauchen). Darüber hinaus wurden Daten zu respiratorischen, neurologischen, kardiovaskulären, renalen, gastrointestinalen und systemischen Komplikationen gesammelt, die die Teilnehmer während des Krankenhausaufenthalts erlitten. Komplikationen wurden zu mehreren Zeitpunkten bis zur Entlassung oder, falls die Betroffenen nicht entlassen wurden, 28 Tage nach dem Krankenhausaufenthalt beurteilt. In der Studie wurde auch die Fähigkeit der betroffenen Personen, sich nach der Entlassung aus dem Krankenhaus selbst zu versorgen, untersucht. 80.388 Patientinnen und Patienten wurden zunächst in die Studie eingeschlossen, jedoch wurden 7191 wurden schließlich wegen doppelter Dokumentation, fehlender Eignung für die Studie oder aufgrund fehlender Daten nicht in der Analyse berücksichtigt. Von den verbleibenden 73.197 Personen waren 56 Prozent Männer, 81 Prozent litten an einer relevanten Grunderkrankung und 74 Prozent waren Weiße. Das Durchschnittsalter der Kohorte betrug 71 Jahre. Fast jeder dritte Teilnehmer (32%, 23.092 von 73.197) der Studie verstarb. Insgesamt traten bei 50 Prozent aller Teilnehmenden Komplikationen auf, darunter bei 44 Prozent (21.784 von 50.105) der Überlebenden. Die häufigsten Komplikationen waren renaler (betrifft fast jede 4. Person, 24%, 17.752), respiratorischer (betrifft ungefähr jede 5. Person, 18%, 13.486) und systemischer Natur (betrifft jede 6. Person, 16%, 11.895). Herz-Kreislauf-Komplikationen wurden jedoch bei etwa einem von acht Teilnehmenden (12 %, 8.973) beobachtet. Hinzu kamen neurologische (weniger als 1 von 20, 4%, 3115) und gastrointestinale oder hepatische Komplikationen (weniger als 1%, 7901). Insbesondere akute Nierenschäden, wahrscheinliches akutes Atemnotsyndrom, Leberschäden, Anämie und Herzrhythmusstörungen waren die häufigsten Komplikationen. Die Inzidenz von Komplikationen stieg mit zunehmendem Alter. Sie lag bei 39 Prozent (3596 von 9249) der 19- bis 49-Jährigen, verglichen mit 51 Prozent (32.771 von 63.948) der Über-50-Jährigen. Eine Komplikation entwickelten 27 Prozent der 19-29-Jährigen, die mit COVID-19 in ein Krankenhaus eingeliefert wurden, sowie 37 Prozent der 30-39-Jährigen und 43 Prozent der 40-49-Jährigen sowie 49 Prozent der 50-59-Jährigen, 54 Prozent der 60-69-Jährigen, 52 Prozent der 70-79-Jährigen, 51 Prozent der 80-89-Jährigen und 50 Prozent der Personen ab 90 Jahren. Komplikationen traten bei Männern häufiger auf als bei Frauen, wobei Männer im Alter über 60 Jahren am wahrscheinlichsten mindestens eine Komplikation hatten (Frauen unter 60 Jahren: 37 % [2814 von 7689] und Männer 49 % [5179 von 10.609]; Frauen ab 60 Jahren: 48 % [11.707 von 24.288] und Männer 55 % [16.579 von 30.416]). Weiße und Menschen südasiatischer und ostasiatischer Abstammung wiesen ähnliche Komplikationsraten auf. Am höchsten waren die Raten bei Schwarzen (58% [1433 von 2480] bei Schwarzen vs. 49% [26.431 von 53.780] bei Weißen). Nach einem Krankenhausaufenthalt waren 27 Prozent (13.309 von 50.105) der Patientinnen und Patienten weniger in der Lage, für sich selbst zu sorgen als vor COVID-19. Dieser Umstand trat häufiger im höheren Alter, bei Männern und bei Personen auf, die auf der Intensivstation gelegen hatten. Der Zusammenhang zwischen einer Komplikation und einer schlechteren Fähigkeit zur Selbstversorgung blieb unabhängig von Alter, Geschlecht, sozioökonomischem Status und in welchem Krankenhaus jemand behandelt wurde, bestehen. Neurologische Komplikationen waren mit dem größten Einfluss auf die Fähigkeit zur Selbstversorgung verbunden. Dr. Thomas Drake von der University of Edinburgh (Großbritannien), Koautor der Studie, sagt: „In unserer Studie wurde eine Vielzahl von Komplikationen untersucht und festgestellt, dass kurzfristige Schäden an mehreren Organen bei Patientinnen und Patienten, die wegen COVID-19 im Krankenhaus behandelt werden, sehr häufig sind. Diese Komplikationen traten in allen Altersgruppen auf, nicht nur bei älteren Menschen oder solchen mit Vorerkrankungen. Menschen mit Komplikationen benötigen oft fachkundige Betreuung und zusätzliche Hilfe, um sich von ihrer ersten Krankenhauseinweisung zu erholen. Unsere Studie zeigt, dass es wichtig ist, nicht nur den Tod durch COVID-19, sondern auch andere Komplikationen zu berücksichtigen. Dies sollte politischen Entscheidungsträgern Daten liefern, die ihnen dabei helfen, Entscheidungen in Bezug auf die Bekämpfung der Pandemie zu treffen und für die Zukunft zu planen. Wir untersuchen die Teilnehmenden unserer Studie weiter, um zu verstehen, welche langfristigen Auswirkungen COVID-19 auf ihre Gesundheit hat. Die Ergebnisse dieser laufenden Untersuchungen werden besonders nützlich sein, da wir festgestellt haben, dass viele Menschen, die COVID-19 überleben und Komplikationen entwickeln, aus erwerbstätigen Altersgruppen stammen.“ Die Autorinnen und Autoren merken an, dass etwa 85 Prozent der Teilnehmenden einen positiven RT-PCR-Test auf SARS-CoV-2 hatten. Patientinnen und Patienten ohne positiven Test wiesen ähnliche oder etwas niedrigere Raten von Krankenhauskomplikationen auf. Die Forschenden stellen auch einige Einschränkungen fest, darunter, dass die Daten kein langfristiges Bild liefern und dass der Zeitpunkt von Komplikationen und die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten nicht untersucht wurden. Darüber hinaus waren die in der Studie untersuchten Komplikationen vordefiniert und nicht spezifisch für COVID-19, sodass einige Bereiche möglicherweise unterschätzt wurden, da diese später hinzugefügt wurden.
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