Einfluss der Resilienz auf die psychische Belastung von intensivmedizinischem Personal

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Wissenschaftler aus Frankreich haben veränderliche Faktoren identifiziert, die die Resilienz von medizinischem Personal auf Intensivstationen beeinflussen können. Ihre Ergebnisse erschienen im „American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine“.

Während der ersten Wellen der COVID-19-Pandemie traten bei medizinischem Personal auf Intensivstationen sehr häufig Symptome psychischer Erkrankungen auf. Resilienz kann möglicherweise vor der Entwicklung von Symptomen wie Angst, Depression und posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) schützen – ob dies auch bei intensivmedizinischem Personal zutrifft, ist bislang nicht untersucht worden. Sollte sich diese schützende Wirkung jedoch bestätigen, wäre es von entscheidender Bedeutung, dem Personal regelmäßig und insbesondere bei herausfordernden Ereignissen Instrumente zur Stärkung der Resilienz an die Hand zu geben, erklären die Forscher um Erstautor Elie Azoulay, Medizinprofessor an der Paris-Cité University (Frankreich), den Hintergrund ihrer Studie. Ihr Ziel war es, die Determinanten der psychischen Resilienz bei Angehörigen des medizinischen Fachpersonals auf 21 französischen Intensivstationen während der COVID-19-Welle Ende 2021, das heißt nach mehreren vorangegangenen COVID-19-Wellen, zu ermitteln.

Dazu führte die Forschungsgruppe zwischen Oktober und Dezember 2021 eine Querschnittsbefragung durch. Von 1300 angefragten Mitarbeitern der Intensivstationen machten 950 (73,1%) Angaben zur zehn Items umfassenden Connor-Davidson-Resilienzskala (CD-RISC-10), zur Hospital Anxiety and Depression Scale sowie zur aktualisierten Impact of Event Scale (für PTBS). Die Angaben bezogen sich auf verschiedene Wellen der COVID-19-Pandemie.

Der Medianwert der 10-Punkte-Connor-Davidson-Resilienzskala lag bei 29 (Interquartilsbereich 25–32). In der COVID-19-Welle Ende 2021 berichteten 61 Prozent der Befragten über Angstzustände, 39 Prozent über depressive Symptome und 36 Prozent über Anzeichen von PTBS – und damit häufiger als in den vorangegangenen Wellen der Pandemie. Belastungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Infodemie (definiert als rasche Verbreitung einer Mischung aus Fakten und Falschinformationen sowie damit einhergehender Verunsicherung) korrelierten mit Symptomen von Depressionen und PTBS.

Befragte mit höherer Resilienz gaben seltener Symptome von Angst, Depression und PTBS an, wie die Wissenschaftler berichten. Eine höhere Resilienz stand ihren Beobachtungen zufolge in einem unabhängigen Zusammenhang mit männlichem Geschlecht, der Arbeit auf der Intensivstation bereits während der ersten COVID-19-Wellen, der Betreuung von mehr als 50 Patienten mit COVID-19 sowie – im Vergleich zu frühen Pandemiewellen – längeren Arbeitszeiten, höherer Motivation und häufigerer Einbeziehung von Patientenangehörigen in Entscheidungen am Lebensende der jeweiligen Betroffenen, die auf der Intensivstation versorgt wurden.

Unabhängige Risikofaktoren für eine geringere Resilienz bestanden nach Angaben der Forscher in der Betreuung von mehr als zehn Patienten, die an COVID-19 verstarben, einem Gefühl von Angst oder Isolation sowie in einer stärker empfundenen Belastung durch die COVID-19-Infodemie. Als wichtige Erkenntnis aus der Befragung halten die Autoren außerdem fest, dass sich nur acht Prozent der Befragten in puncto psychische Belastung während der COVID-19-Pandemie von dem jeweiligen Krankenhaus, in dem sie arbeiteten, unterstützt fühlten.

Die Wissenschaftler fordern Längsschnittstudien, in denen festgestellt werden sollte, ob eine vorherige Resilienz das Risiko für psychische Erkrankungen bei nachfolgenden schwierigen Situationen – wie einer Pandemie – verringert. Der Resilienz sollte in diesem Zusammenhang besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, finden sie. (ac/ah)