Einschränkungen der kognitiven Funktion durch Gabapentin

Symbolfoto: ©luchschenF/stock.adobe.com

Einer aktuellen Kohortenstudie zufolge könnte die längerfristige Einnahme von Gabapentin zur Behandlung von chronischen Rückenschmerzen mit Beeinträchtigungen der Kognition und einem erhöhten Demenzrisiko einhergehen. Die Autoren raten daher zur engmaschigen Kontrolle.

Der ursprünglich zur Behandlung der Epilepsie entwickelte Wirkstoff Gabapentin wird heute auch zur Behandlung neuropathischer Schmerzen eingesetzt. Die Liste der Nebenwirkungen des GABA-Analogons ist jedoch lang. Neben häufigen Begleiterscheinungen wie Müdigkeit und Schwindel kann es beispielsweise auch zu Beeinträchtigungen der kognitiven Fähigkeiten kommen. Dies geht mit Spekulationen über eine mögliche Neurodegeneration unter der Medikation einher – ein Zusammenhang, den Wissenschaftler aus den USA nun näher untersucht haben.

Hinweise auf kognitive Risiken

In einer von ihnen durchgeführten retrospektiven Kohortenstudie war die Verschreibung von sechs oder mehr Rezepten für Gabapentin zur Behandlung von Schmerzen im unteren Rücken mit einem deutlich erhöhten Risiko für die Entwicklung von Demenz und leichter kognitiver Beeinträchtigung assoziiert. Besonders bei Personen, die eigentlich zu jung für die Entwicklung kognitiver Beeinträchtigungen und einer Demenz sein sollten, verdoppelte sich in der Studie das Risiko für eine solche Erkrankung.

Für ihre Untersuchung verwendeten die Forscher Echtzeitdaten des Gesundheitsforschungsnetzwerkes TriNetX, welches elektronische Gesundheitsakten von 68 Gesundheitsorganisationen in den USA enthält. Sie analysierten die anonymisierten Daten von 26.414 erwachsenen Patienten, denen zwischen 2004 und 2024 Gabapentin gegen chronische leichte Schmerzen im Rücken verschrieben worden war. Diese verglichen sie mit Daten von Patienten, die das Medikament nicht erhalten hatten (Kontrollgruppe mit ebenfalls 26.414 Patienten). Dabei berücksichtigten sie demografische Daten, Begleiterkrankungen und die Einnahme anderer Schmerzmittel. Ausgeschlossen wurden Patienten mit vorheriger Gabapentinverschreibung, Demenz, Epilepsie, Schlaganfall oder einer Krebserkrankung.

Erhöhtes Risiko bei jüngeren Patienten und häufigeren Verschreibungen

Im Fachmagazin „Regional Anesthesia & Pain Medicine“ berichten die Erstautor Nafis B. Eghrari und Kollegen von ihren Erkenntnissen. Demnach hatten diejenigen, die sechs oder mehr Gabapentin-Rezepte erhalten hatten, eine um 29 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, innerhalb von zehn Jahren nach ihrer ersten Schmerzdiagnose mit Demenz diagnostiziert zu werden. Die Wahrscheinlichkeit für die Diagnose einer leichten kognitiven Beeinträchtigung in diesem Zeitraum war um 85 Prozent erhöht.

Eine Staffelung nach Alter deckte ein erhöhtes Risiko in der jüngeren Patientenpopulation auf. So hatten 18- bis 64-Jährige, denen das Medikament verschrieben worden war, eine doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit für Demenz und leichte kognitive Beeinträchtigungen im Vergleich zu jenen der gleichen Altersklasse ohne die Medikation.

Auch innerhalb dieser Alterskohorte gab es Unterschiede: Während bei den 18- bis 34-Jährigen, denen das Medikament verschrieben wurde, kein erhöhtes Risiko bestand, verdoppelte sich das Risiko für Demenz und verdreifachte sich das Risiko für leichte kognitive Beeinträchtigungen bei den 35- bis 49-Jährigen, denen es verschrieben wurde. Ein ähnliches Muster wurde bei den 50- bis 64-Jährigen beobachtet.

Die Risiken stiegen auch mit der Häufigkeit der Verschreibungen: Patienten mit 12 oder mehr Verschreibungen hatten ein um 40 Prozent höheres Risiko, an Demenz zu erkranken, und ein um 65 Prozent höheres Risiko für leichte kognitive Beeinträchtigungen, als diejenigen, denen Gabapentin zwischen 3 und 11 Mal verschrieben wurde.

Methodische Grenzen – aber klinisch relevante Hinweise

Die Forscher räumen ein, dass keine eindeutigen Schlussfolgerungen über Ursache und Wirkung gezogen werden können, da es sich um eine retrospektive Beobachtungsstudie handelt. Auch konnten in der Studie die Dosis und die Dauer der Gabapentin-Einnahme nicht berücksichtigt werden.

Dennoch kommen sie zu dem Schluss: „Unsere Ergebnisse deuten auf einen Zusammenhang zwischen der Verschreibung von Gabapentin und Demenz oder kognitiven Beeinträchtigungen innerhalb von zehn Jahren hin. Darüber hinaus korrelierte eine erhöhte Verschreibungshäufigkeit von Gabapentin mit der Demenzinzidenz.“ Sie fügen hinzu: „Unsere Ergebnisse untermauern die Notwendigkeit einer engen Überwachung von erwachsenen Patienten, denen Gabapentin verschrieben wird, um einen möglichen kognitiven Rückgang zu beurteilen.“

(ah/BIERMANN)