Elektrische Synapsen: Omnipräsent, aber kaum erforscht

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Elektrische Synapsen kommen in fast allen Bereichen des Gehirns vor und beeinflussen einzelne Nervenzellen in ihrer Funktion und Stabilität. Dies konnten jetzt Untersuchungen am Gehirn der Fruchtfliege Drosophila zeigen.

„Elektrische Synapsen sind wie die dunkle Materie des Gehirns“, sagt Alexander Borst, Direktor am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz, in Gründung. Sie finden sich im Gehirn fast jeder Tierart und sind dennoch wenig erforscht.

Nervenzellen kommunizieren über Synapsen. Neben den allgemein bekannten chemischen Synapsen gibt es noch einen zweiten, jedoch kaum bekannten Synapsentyp: die elektrische Synapse. „Elektrische Synapsen sind deutlich seltener und mit den gängigen Methoden schwer zu erkennen. Daher sind sie bisher wenig erforscht“, erklärt Georg Ammer, den diese verborgenen Zellverbindungen schon lange faszinieren. „In den meisten Gehirnen wissen wir daher selbst grundlegende Dinge nicht, wie zum Beispiel wo genau elektrische Synapsen vorkommen oder wie sie die Gehirnaktivität beeinflussen.“ 

Eine elektrische Synapse verbindet zwei Nervenzellen direkt miteinander. So kann das elektrische Signal ohne Umweg von einer Zelle zur nächsten fließen. Diese besondere Synapsenart kommt im Gehirn jeder darauf untersuchten Tierart – außer Stachelhäutern – vor. „Elektrische Synapsen müssen daher wichtige Funktionen haben: wir wissen nur nicht welche!“, so Georg Ammer.

Verteilung im Gehirn
Um diesen Funktionen auf die Spur zu kommen, haben Ammer und seine beiden Kolleginnen Renée Vieira und Sandra Fendl einen wichtigen Protein-Baustein elektrischer Synapsen markiert. Im Gehirn von Fruchtfliegen konnten sie so zeigen, dass elektrische Synapsen nicht in allen Nervenzellen vorkommen, dafür aber in fast allen Bereichen des Gehirns. Die betroffenen Nervenzellen reagieren auf bestimmte Reize stark abgeschwächt, wie die Forschenden durch das gezielte Ausschalten elektrischer Synapsen im Areal der visuellen Verarbeitung feststellen konnten. Zudem wurden einzelne Nervenzelltypen ohne elektrische Synapsen instabil und fingen an, spontan zu oszillieren.

„Die Ergebnisse lassen vermuten, dass elektrische Synapsen für sehr viele verschiedene Hirnfunktionen wichtig sind und je nach Nervenzelltyp ganz unterschiedliche Aufgaben haben können“, berichtet Ammer. „Diese Synapsen sollten daher möglichst auch bei Konnektom-Untersuchungen berücksichtigt werden.“

“Konnektom” wird der vollständige Schaltplan aller Nervenzellen und ihrer Verbindungen im Gehirn oder einem Hirnbereich bezeichnet. Diese Informationen werden häufig aus Aufnahmen aus dem Elektronenmikroskop rekonstruiert – wo elektrische Synapsen meist unsichtbar sind. Wie sich diese gemeinsam mit den chemischen Synapsen in vollständigen Schaltplänen integrieren lassen und welche Geheimnisse elektrische Synapsen vielleicht sonst noch verbergen, müssen weitere Studien zeigen.