Embryogenese: Studie liefert neue Erkenntnisse11. Oktober 2024 Foto: © Sebastian Kaulitzki/stock.adobe.com Ein internationales Forschungsteam, dem auch Wissenschaftler des Institute of Science and Technology Austria (ISTA), Österreich, angehören, haben neue Erkenntnisse über die Embryogenese gewonnen. Bei einer Tagung in Spanien wurden die ISTA-Forscher Bernat Corominas-Murtra und Edouard Hannezo auf einen Datensatz aufmerksam. Es folgte eine lebhafte Diskussion mit dem Forscherkollegen Dimitri Fabrèges, einem Postdoc aus der Forschungsgruppe von Prof. Takashi Hiiragi am Hubrecht-Institut in Utrecht, Niederlande. Aus dem Gespräch entwickelte sich schließlich eine Publikation in der Fachzeitschrift „Science“. Eine detaillierte Embryo-Karte Das internationale Forschungsteam entwickelte einen umfassenden Atlas der frühen Morphogenese von Säugetieren. Anhand dieses Atlas analysierten die Forscher, wie sich die Embryos von Maus, Hase und Affe in Raum und Zeit entwickeln. Dabei erkannten sie, dass einzelne Ereignisse wie Zellteilungen und -bewegungen sehr chaotisch sind, der Embryo als Ganzes schlussendlich jedoch immer sehr ähnlich aussieht. Mit diesem Datensatz schlagen sie ein physikalisches Modell vor, das erklärt, wie ein Säugetierembryo aus dem scheinbaren Chaos Struktur aufbaut. „Die frühen Schritte der Embryonalentwicklung sind von entscheidender Bedeutung, da sie die Grundlage für alle nachfolgenden Entwicklungsprozesse bilden“, erklärt Hannezo. Bei C. elegans, einem durchsichtigen Fadenwurm und dem von Entwicklungsbiologen am häufigsten untersuchten Modellorganismus, sind die Teilungen im frühen Embryo extrem gut reguliert und gleich orientiert, sodass Organismen entstehen, die alle die gleiche Anzahl von Zellen haben. Bei Säugetieren hingegen scheinen die Teilungen viel zufälliger zu sein, sowohl was den Zeitpunkt als auch was die Ausrichtung betrifft. Dies wirft die Frage auf, wie eine reproduzierbare embryonale Entwicklung bei Säugetieren trotz dieser Unordnung abläuft, schreiben die Autoren. Verlauf der Studie Genau dieser Frage ging die Forschungsgruppe von Hiiragi nach. Dafür betrachteten sie viele verschiedene Embryos und analysierten sie quantitativ. Mit einer Morphomap untersuchten sie die Ähnlichkeiten der Embryos von Mäusen über Hasen bis hin zu Affen, sowohl innerhalb als auch zwischen diesen Säugetierarten. Bei einer Morphomap handelte es sich um eine Karte, mit der man hochdimensionale morphologische Daten visualisieren kann. „Es ist eine Bildanalyse-Pipeline, die genau zeigt, wie sich Embryos in Zeit und Raum verhalten – quasi ein präziser Atlas der Morphogenese eines Embryos“, erklärt Hannezo. Die Karte ermöglichte es den Wissenschaftern, den Entwicklungsprozess quantitativ zu analysieren und Fragen wie die Variabilität der Entwicklung zwischen den einzelnen Embryos zu beantworten. So konnten sie definieren, wie eine „normale“ Morphogenese aussieht. Genau diese Morphomap präsentierte Fabrèges an der Tagung in Spanien. Die Daten zeigten, dass die ersten Teilungen nach der Befruchtung bei Mäusen, Hasen und Affen nicht reguliert waren. Die Zellen teilten sich wahllos, bis sie das 8-Zellen-Stadium erreichten, ein Stadium, in dem alle Embryonen plötzlich gleich aussahen. „Nachdem sie in den ersten Stadien sehr unterschiedlich aussahen, schienen sich die Embryonen am Ende des 8-Zell-Stadiums einander anzunähern“, so Hannezo weiter. Aber wie kommt das? Was bringt Struktur in dieses Chaos, fragten die Forscher. Zellcluster optimiert seine Anordnung Die beiden theoretischen Physiker, Corominas-Murtra und Hannezo machten sich daran, diesen Prozess von einem theoretischen Standpunkt aus zu verstehen. Die Wissenschafter entdeckten, dass sie die gesamte Komplexität der Struktur eines Embryos allein durch die Untersuchung der Anordnung der Zellkontakte annähernd erfassen können. „Wir sind der Meinung, dass wir die meisten wichtigen Details über die Morphologie eines Embryos ableiten können, indem wir die Anordnungen der Zellen verstehen oder wissen, welche Zellen physisch miteinander verbunden sind – ähnlich wie die Verbindungen in einem sozialen Netzwerk. Dieser Ansatz vereinfacht die Datenanalyse und den Vergleich zwischen verschiedenen Embryos erheblich“, so Corominas-Murtra. Mit dieser Information erstellten die Wissenschafter ein einfaches physikalisches Modell dafür, wie Embryos zu einer reproduzierbaren Form verschmelzen. Das Modell zeigt, dass physikalische Gesetze die Embryos dazu bringen, eine bestimmte Morphologie zu bilden, die alle Säugetiere gemeinsam haben. Diese bestimmte Form wird von physikalischen Zellinteraktion erreicht, indem sie die meisten Zellanordnungen aus dem Gleichgewicht bringen, mit Ausnahme einiger weniger, die die Oberflächenenergie des Embryos verringern. Mit anderen Worten neigen die Zellen dazu, immer mehr aneinander zu kleben. Dieser scheinbar einfache Prozess treibt den Embryo durch aufeinanderfolgende Umlagerungen tatsächlich zur optimalsten Anordnung. Es ist, als ob Embryos ihren eigenen Rubik’s Würfel lösen, so die Autoren. Kein Chaos, keine Ordnung Die Ergebnisse geben nach Angaben der Forscher einen detaillierten Einblick in die Entwicklung von Säugetierembryos, die von Variabilität und Robustheit bestimmt wird. Ohne Chaos gibt es keine Ordnung; das eine braucht das andere. Beide sind wesentliche Bestandteile einer „normalen“ Entwicklung. „Wir haben jetzt endlich Instrumente, um die Variabilität der Morphogenese zu analysieren, die für das Verständnis der Mechanismen der Entwicklungsrobustheit entscheidend ist“, fasst Hannezo zusammen. Der Zufall scheint eine primäre Kraft bei der Entstehung von Komplexität in der Natur zu sein. Je mehr Erkenntnisse Forschende darüber gewinnen, wie das Normale aussieht, desto mehr erfahren sie auch über Anomalien. Dies könne in Bereichen wie der Krankheitsforschung, der regenerativen Medizin oder der Fruchtbarkeitsbehandlung sehr hilfreich sein, so die Autoren.
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