Emotionen und Kultur sind wichtigste Faktoren für Akzeptanz von Raubtieren in Tansania14. Juli 2021 Tüpfelhyäne und Massai-Hirte im Ngorongoro-Krater in Tansania Foto: © Leibniz-IZW/Oliver Höner Emotionen gegenüber großen Raubtieren und ihre kulturelle Bedeutung sind bessere Indikatoren der Akzeptanz von Managementstrategien durch die lokale Bevölkerung als die Höhe der Verluste an Nutztieren. Dies ist das Ergebnis einer neuen interdisziplinären Untersuchung unter Leitung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW). Sie führten Befragungen unter Massai-Hirten im Ngorongoro-Schutzgebiet in Tansania durch und konzentrierten sich dabei auf die drei dort vorkommenden großen Raubtierarten Tüpfelhyäne, Löwe und Leopard und drei denkbare Managementstrategien „keine Maßnahmen“, Umsiedlung und Abschuss. Soziokulturelle Variablen erwiesen sich als Schlüssel zum Verständnis der Beziehungen zwischen den Massai und Raubtieren. Dies stelle den traditionellen Fokus von Managementstrategien auf die Verluste an Nutztieren in der Mensch-Raubtier-Konfliktforschung in Frage, so die Wissenschaftler. Die Ergebnisse sind in der frei zugänglichen wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Frontiers in Conservation Science“ veröffentlicht.Für die Umsetzung erfolgreicher Wildtiermanagement-Strategien ist die Unterstützung der lokalen Bevölkerung erforderlich, doch die Beziehung zwischen der Bevölkerung vor Ort und großen Raubtieren ist oft komplex: Einerseits gelten die Tiere als charismatisch und emotional anziehend und haben oft eine hohe kulturelle Bedeutung. Daher wurde vermutet, dass naturschutzorientierte Managementstrategien dann erfolgreich sind, wenn sie mit positiven Emotionen wie Freude oder Stolz verbunden sind. Dies gilt auch für die kulturelle Bedeutung von großen Raubtieren wie Hyänen, Löwen oder Leoparden. Auf der anderen Seite wurden negative Emotionen wie Angst und Ekel sowie negative Erfahrungen wie wiederholte Risse von Nutztieren – der traditionelle Fokus der Mensch-Raubtier-Konfliktforschung – vorgeschlagen, um die Akzeptanz von invasiven Maßnahmen wie Umsiedlung und Abschuss vorherzusagen. Frühere Untersuchungen betrachteten Emotionen, kulturelle Bedeutung und faktische Verluste separat. So war es bislang nicht möglich zu sehen, welcher Faktor die beste Vorhersagekraft hat und welcher daher von Wildtiermanagern priorisiert werden sollte.„Wir haben in unserer Untersuchung zum ersten Mal mehrere Faktoren gleichzeitig für mehrere Raubtiere bewertet, um festzustellen, welcher Faktor die Akzeptanz von häufig angewandten Managementstrategien am besten vorhersagt“, erklärt Erstautor Arjun Dheer (Leibniz-IZW). Die Befragungen zu Tüpfelhyänen (Crocuta crocuta), Löwen (Panthera leo) und Leoparden (Panthera pardus) unter Massai-Hirten wurden im Ngorongoro-Schutzgebiet (NCA) in Tansania durchgeführt. „Das NCA ist ein Schutzgebiet, das in seinem Managementplan sowohl den Schutz der Wildtiere als auch die Lebensgrundlage der lokalen Bevölkerung berücksichtigt“, so Dheer. „Die von uns ausgewählten Arten sind für die Mehrzahl der Verluste an Nutztieren in der Region verantwortlich, doch frühere Forschungen in anderen Gebieten zeigten, dass die Menschen sie sehr differenziert betrachten“, erklärt Dr. Oliver Höner (Leibniz-IZW), Co-Senior-Autor der Arbeit. Die Untersuchung konzentrierte sich auf die Akzeptanz der Strategien Nichtstun (Schutz der Raubtiere gilt weiterhin), Umsiedlung und Abschuss. Die Befragten bewerteten die Emotionen Freude, Ekel und Angst sowie die kulturelle Bedeutung der einzelnen Raubtierarten. Sie wurden auch um Angaben dazu gebeten, wie viele Rinder, Ziegen, Schafe und Esel sie in den vorangegangenen drei Jahren an die Raubtiere verloren hatten.Das zentrale Ergebnis der Umfrage ist, dass Emotionen und die kulturelle Bedeutung die Akzeptanz bestimmter Managementstrategien zuverlässiger vorhersagen als die Höhe der Verluste an Nutztieren. „Unter den Emotionen war Freude der stärkste Prädiktor; sie war verbunden mit einer Präferenz für Nichtstun und einer negativen Bewertung von Umsiedlung und Abschuss. Die kulturelle Bedeutung zeigte einen ähnlichen Trend wie die Freude“, erklärt Dheer. Insgesamt lehnte eine große Mehrheit der Befragten Umsiedlung und Abschuss ab. „Dies zeigt, dass diejenigen WissenschaftlerInnen auf dem Holzweg sind, die sie sich bei der Erstellung von Managementplänen für Raubtiere allein auf Risse, Verluste und negative Emotionen konzentrieren“, erklärt Co-Seniorautorin Dr. Tanja Straka (Leibniz-IZW und TU Berlin).„Unsere Ergebnisse untermauern die Rolle von Emotionen, Wahrnehmungen und Sichtweisen in der Beziehung von Menschen und Wildtieren“, schließt Dheer. Die traditionelle Betonung der Viehverluste als primäre Ursache fehlender Toleranz gegenüber großen Raubtieren stellen die AutorInnen in Frage: Es sei offensichtlich, dass Emotionen und die kulturelle Bedeutung berücksichtigt werden müssen, auch bei Arten, die mit sehr unterschiedlichen Assoziationen belegt sind. Mehrgleisige Ansätze, die Emotionen und kulturelle Faktoren neben den Zahlen und Fakten zu Verlusten berücksichtigen und die lokale Bevölkerung eng einbinden, können demnach helfen, den Weg für eine dauerhafte Koexistenz von Menschen und Raubtieren zu ebnen. Originalpublikation: Dheer A, Davidian E, Jacobs MH, Ndorosa J, Straka TM†, Höner OP† (2021): Emotions and cultural importance predict the acceptance of large carnivore management strategies by Maasai pastoralists. Frontiers in Conservation Science. DOI: 10.3389/fcosc.2021.691975.
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